„Schweiß reguliert die Körpertemperatur und ist, wenn er entsteht, völlig geruchlos. Erst durch die Einwirkung von Hautbakterien entsteht der typische Schweißgeruch“, erklärt der Bielefelder Genomforscher und Inhaber des Lehrstuhls Genetik Prof. Dr. Alfred Pühler. Sein Kollege Dr. Andreas Tauch ergänzt: „Jemand, der viel schwitzt, muss also nicht zwangsläufig nach Schweiß riechen. Körpergeruch hat weder mit der Menge des Schweißes zu tun, noch ist er ein Zeichen für mangelnde Hygiene. Menschen, die unangenehm riechen, sind vielmehr von der Natur gestraft, weil sie eine besondere Bakterienvielfalt besitzen.“
„Corynebacterium jeikeium“ sorgt für Geruch Die Grundlage für die Entwicklung der Messmethode bildete die Erforschung des Bakteriums „Corynebacterium jeikeium“. Der insbesondere in Krankenhäusern gefürchtete Keim greift immungeschwächte Patienten an und ist gegen die üblichen Antibiotika resistent. „Da dieses Bakterium sehr gefährlich werden kann, wenn es in den Blutkreislauf gelangt, wollten wir herausfinden, warum es resistent gegen Antibiotika ist“, erklärt Dr. Andreas Tauch den ursprünglichen Ansatz der Forschung. Bei der Auswertung der Testergebnisse stellte sich dann heraus, dass „Corynebacterium jeikeium“ nicht nur als Krankheitserreger für Unmut sorgt. „Das Bakterium ernährt sich von Fettsäuren, die auf der menschlichen Haut vorkommen. Dabei entstehen chemische Verbindungen, die wiederum für den unangenehmen Schweißgeruch in der Achselhöhle verantwortlich sind“, so Dr. Andreas Tauch.
Den Bielefelder Forschern gelang es, die Auswirkung eines Deodorantwirkstoffes auf die Erbinformation von „Corynebacterium jeikeium“ zu bestimmen, woraus sich völlig neue Wege für die Entwicklung von Deodorants ergeben. Nachdem sie ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Journal of Bacteriology“ veröffentlicht hatten, kam der britisch-niederländische Konsumgüterhersteller Unilever auf die Bielefelder zu. „Unilever hat mehrere Deo-Marken in seinem Portfolio. Deshalb boten sie uns im Sommer 2005 eine Kooperation an. Bis Ende 2008 bekommen wir nun eine wissenschaftliche Stelle finanziert, die mit Dr. Iris Brune besetzt ist. Sie hat an der Universität Bielefeld auf dem Forschungsgebiet Corynebacterium promoviert.“
Geruch stoppen, Bakterien erhalten Auf Basis der bisherigen Forschung wollen die Wissenschaftler nun herausfinden, wie bestimmte Deodorant-Komponenten auf andere bakterielle Hautbewohner wirken. Die Ergebnisse werden zusammen mit Unilever in einer breit angelegten Studie nachgeprüft und bilden den Grundstein für eine neue Generation von Körperpflegeprodukten. „Rund 100 Billionen Bakterien bietet der menschliche Körper einen Lebensraum – allein in der Achselhöhle leben rund zwei Millionen Mikroorganismen pro Quadratzentimeter. Heutige Deodorants verhindern den Schweißgeruch, indem sie die übermäßige Vermehrung von Hautbakterien hemmen. Für eine gesunde Hautbesiedelung brauchen wir aber bestimmte Bakterien. Das Deodorant der Zukunft soll deshalb den Geruch stoppen, ohne die wichtigen Bakterien zu töten“, erklärt Dr. Andreas Tauch.
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Industrie als weiterer Beleg für die internationale Spitzenstellung der Universität Bielefeld auf dem Gebiet mikrobielle Genomforschung gewertet werden darf: „Dank des Centrums für Biotechnologie besitzen wir hier in Bielefeld Hochtechnologie, die auch für ein weltweit tätiges Unternehmen wie Unilever interessant ist. Das Projekt ist außerdem ein exzellentes Beispiel für Wissenstransfer – von der Grundlagenforschung zur angewandten Forschung.“