Protonen gehören neben Neutronen und Elektronen zu den Elementarteilchen, aus denen die Materie des menschlichen Alltags besteht. Wobei Protonen und Neutronen im Atomkern sitzen und Elektronen außen herumschwirren. Protonen sind mit 10-15 m sehr klein, bestehen aber wiederum aus anderen Teilchen: den so genannten Quarks. Im Fall von Protonen, genau genommen drei Quarks, die von den Gluonen, einer Art Klebemasse, zusammengehalten werden.
Wissenschaftler wie der Brite Steven Bass vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck sind diesen ultimativ kleinsten Teilchen im Proton auf der Spur. Die aufregenden neuen Erkenntnisse hat Bass in einem Artikel in Science von März 2007 (Vol 315) besprochen.
Die WissenschaftlerInnen versuchen mit Hilfe von Experimenten in Teilchenbeschleunigern ungeklärte Rätsel im Proton zu lösen: Protonen, genauso wie Elektronen und Neutronen, verhalten sich wie quantisierte Kreisel. Die Drehungen sind dabei eine elementare Eigenschaft der Materie im Kleinen wie im Großen. Der Spin ist beispielsweise verantwortlich für die verschiedenen Phasen der Materie bei niedrigen Temperaturen genauso aber auch für die Eigenschaften der Neutronensterne und die Stabilität des bekannten Universums.
Theorie versus Praxis Laut statischem Quarkmodell sollte sich der Spin der Protonen aus dem Spin der Quarks zusammensetzen. Zum Erstaunen der Wissenschaftler zeigten Experimente in den Teilchenbeschleunigern von CERN (European Laboratory for Particle Physics) in Genf, von DESY (Deutsches Elektron-Synchotron) in Hamburg und RHIC (Relativistic Heavy Ion Collider) in Long Island, New York, dass der Beitrag der Quarks am Spin nur 30% beträgt. Was aber ist verantwortlich für die fehlenden 70%? Um das Innere der Protonen genauer zu durchleuchten, wurde ein weltweites Programm ins Leben gerufen. Wenn man tiefer in die Materie hineinblickt, sieht man noch mehr – und zwar neben den Quarks auch Antiquarks und Gluonen. Diese beiden Teilchengruppen könnten für den fehlenden Spin verantwortlich sein: Antiquarks könnten zusammen mit den Gluonen den Spin abbremsen. Die Datenlage liefert aber für diese Theorie im Moment keinen Beweis.
Dem Aufbau der Materie auf der Spur Für wahrscheinlicher hält Bass eine zweite Theorie: Wenn sich der Spin wie ein Stück Zucker, das sich in Flüssigkeiten auflöst, im Inneren ausbreitet, quasi in den Protonen aufgelöst wird, könnte er auch nicht in seiner Gesamtheit gemessen werden. Aber nur genauere Messungen werden exaktere Messdaten liefern; diese sind im CERN und RHIC in Vorbereitung.
Parallel zur Problematik des fehlenden Spins im Kleinen stellen sich auch im Großen, das heißt im Universum, ungelöste Materie-Probleme: Woher kommt sie und warum sieht man nur wenige Prozent der Materie des Universums? Die Galaxie enthält mehr als 5,5 mal mehr Materie als wir sehen können. Wäre das nicht so, würde sie aufgrund der Zentrifugalkräfte auseinanderbrechen. Was ist die so genannte dunkle Materie und die mysteriöse dunkle Energie, die für die Expansion des Universums verantwortlich ist und 74% der gesamten Energie des Universums liefert? Und – wie sieht die Verbindung zwischen dem Großen und dem Kleinsten aus?
Antworten zu einigen Fragen sollen beispielsweise im LHC (Large Hadron Collider) im CERN, der 2008 in Betrieb gehen soll, gegeben werden. Der milliardenteure Beschleuniger wurde in einen bereits bestehenden kreisförmigen Tunnel von 27 Kilometern Länge eingebaut. In der Röhre werden Protonen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Dabei entstehen derart hohe, bisher nie erreichte Energien, dass sich die Elementarteilchen in ihre kleinsten Bestandteile zerlegen und Bedingungen vorherrschen, wie es sie nur wenige Momente nach dem Urknall gegeben hat. Die WissenschafterInnen erhoffen sich dadurch ein noch tieferes Verständnis über den Aufbau der Materie und Antworten auf die Fragen nach dem Ursprung der Masse und dem Wesen der dunklen Materie im Universum.
Das 1954 gegründete CERN ist das weltweit größte Forschungszentrum für Teilchenphysik. Derzeit tragen 20 europäische Mitgliedstaaten diese Forschungseinrichtung, Österreich ist seit 1959 dabei. Das Forschungszentrum verfügt über ein Jahresbudget von rund 700 Mio. Euro. Entsprechend seiner Wirtschaftsleistung bezahlt Österreich davon einen Anteil von 2,17 Prozent, das sind 14 Mio. Euro jährlich. Zusätzlich hat Österreich seit 1995 für den LHC-Bau 38 Mio. Euro bezahlt. Rund 60 Österreicher arbeiten permanent am CERN, dazu kommen weitere 50 österreichische WissenschafterInnen, die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Uni Innsbruck an das CERN entsandt werden.
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