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Lust und Frust des Musikmachens

Forschung: Warum viele Musikschaffende mit dem Spielen wieder aufhören

(lifePR) (Oldenburg, )
Die hohen Ansprüche an die technische Beherrschung des Instrumentes sind für viele Musikschaffende der Hauptgrund, über kurz oder lang mit dem Spielen wieder aufzuhören. Dabei spielt der von den MusikerInnen empfundene Gegensatz zwischen mühevollem Üben und lustvollem Spielen eine entscheidende Rolle. Zu diesem Schluss gelangt die Musikwissenschaftlerin Dr. Anja Herold in ihrer Doktorarbeit "Umbrüche und Abbrüche im musikalischen Werdegang von Jazz-, Rock- und Pop-InstrumentalistInnen". Die Dissertation, die am Institut für Musik der Universität Oldenburg entstanden ist, wurde von Prof. Dr. Freia Hoffmann betreut. Für ihre Arbeit befragte Herold 18 Männer und Frauen, die ihr langjähriges Instrumentalspiel abgebrochen hatten oder deren Werdegang von einschneidenden Krisen gekennzeichnet war.

Im Mittelpunkt musikbiografischer Forschung stehen meist die Erfolgreichen und Begabten. Die Faktoren, die zum Abbruch musikalischer Aktivitäten führen, sind dagegen kaum erforscht. So weiß man zwar, dass die meisten musizierenden Kinder und Jugendlichen ihr Instrumentalspiel mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter abbrechen. Über die Gründe ist jedoch wenig bekannt. Das gilt erst recht für diejenigen, die sich – zumeist erst im Alter von siebzehn bis zwanzig Jahren – mit Jazz, Rock und Pop beschäftigen.

Der anfängliche Wunsch, ein Instrument zu erlernen, entspringt immer auch dem Bedürfnis nach einer Entwicklung neuer persönlicher Ausdrucksmöglichkeiten. Das Meistern der instrumentaltechnischen Schwierigkeiten macht zu Anfang einen entscheidenden Reiz aus. Später allerdings stehen technische Probleme gepaart mit Ungeduld und hohen Leistungsansprüchen dem lustvollen Spiel immer mehr im Weg. So konstatierte ein ehemaliger Saxophonist und Posaunist: "Musikmachen muss Spaß machen. (Sonst) hat das keinen Sinn. Ich hab gemerkt, wie anstrengend das ist, wenn ich die ganzen Tonleitern lerne und dann dabei immer denken muss. Das ist tödlich für Musik."

Technik und Gefühl, Arbeit und Spaß, Lernen und Spielen wurden in den Interviews sehr oft als Gegensätze dargestellt: Ziel (z. B. Spaß, Selbstverwirklichung) und Weg (Bewältigung technischer Schwierigkeiten) fallen auseinander, demotivierende Entwicklungen sind die Folge. Besonders deutlich war dies beim Thema "Improvisation": Die Ansicht, dass man erst alle Tonleitern beherrschen müsse und erst dann anfangen dürfe zu improvisieren, ist weit verbreitet. So kommt es oft gar nicht mehr zur Improvisation: "Manchmal hab (ich) einfach angefangen, so Töne zu spielen. Und hab auch mal versucht, eine Melodie zusammen zu kriegen, die mir gefällt. Aber das hab ich dann immer ziemlich schnell wieder sein gelassen. Da hab ich wahrscheinlich die Schere im Kopf gehabt und gedacht, ach, das ist eh falsch, das hält sich an keine Tonleiter."

Den Grund für diese Entwicklung sieht Herold unter anderem in der traditionellen Musikvermittlung mit ihrer Trennung von Körper und Geist, Arbeit und Spiel. Auch wenn innerhalb der Rock- und Popmusik viele Stile bereits mit wenig Know-how praktizierbar seien, so täten sich die MusikerInnen auch hier schwer. Grund seien die Wertmaßstäbe der westlichen Kultur, in der Musik an hohen Standards gemessen werde und Musizieren einen hohen Lernaufwand verlange.

Ein weiterer Grund für die Abbrüche liegt nach Ansicht der Oldenburger Musikwissenschaftlerin in dem Verlust kultureller und sozialer Einbettung der Jazz/Rock/Pop-Musikpraxis. In der Jugend blühe diese Musikkultur auf, mit dem Älterwerden gingen Sinnzusammenhänge und kulturelles Eingebundensein oft verloren. Daher sollte, so Herold, die kulturelle Vielfalt gefördert und für eine erhöhte Durchlässigkeit institutioneller und informeller Räume gesorgt werden (z. B. durch die Kooperation von Musikschule und freier Musikszene).

Als "musikdidaktische Konsequenz" ihrer Untersuchung schlägt Herold vor, im Instrumentalunterricht bewusst Methoden zu wählen, die Arbeit und Spiel, Lernen und Spaß miteinander vereinen. Ihre Tipps:

- Im spontanen Spiel Techniken selber entdecken und weiterentwickeln.

- Frühes Ensemblespiel anregen. Vor allem im Rock- und Pop-Bereich kann bereits auf sehr niedrigem Niveau miteinander musiziert werden.

- Improvisation als essentiellen Bestandteil des Unterrichts von Anfang an nutzen.

- Die Technik gelegentlich "vergessen" und einfach drauflos spielen.

- Üben in den Alltag integrieren, so dass es persönlich bedeutsam, lustbetont und trotzdem der musikalischen Entwicklung dienlich ist.

Herold hat an der Universität Oldenburg Musik und Kunst (M.A.) sowie Jazz-Saxophon am "Conservatorium van Amsterdam" studiert. Sie ist seit 15 Jahren als professionelle Jazz-Saxophonistin tätig und war lange Jahre Instrumental-Lehrkraft für musikalische Früherziehung, Saxophon und Klarinette an der Musikschule. Zurzeit ist sie Lehrkraft für besondere Aufgaben im Institut für Musik der Universität Oldenburg sowie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sophie Drinker Institut in Bremen.

Universität Oldenburg

Mit ihrer Namensgebung nach Carl von Ossietzky hat die Oldenburger Universität unterstrichen, dass Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft Verantwortung trägt und sich dem öffentlichen Diskurs stellen muss. Diesem Anspruch fühlt sie sich nach wie vor verpflichtet. Die Universität Oldenburg ist eine junge Hochschule, die seit ihrer Gründung 1973 dazu beiträgt, der Nordwestregion wirtschaftliche und kulturelle Impulse zu geben. Die Stärkung der Wissenschaftsregion ist auch erklärtes Ziel der engen Kooperation mit der Universität Bremen.
Wissenschaftliche Spitzenleistungen und herausragende Lehre – beides zu vereinbaren und auszubauen, ist der Auftrag der kommenden Jahre. Das Fundament dafür ist gelegt: International sichtbare und interdisziplinäre Forschung, gezielte Nachwuchsförderung und die vollständige Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge.

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