Der nicht chirurgische Ersatz einer Aortenklappe stellt eine Premiere für Hamburg dar und bietet neue Chancen für Patienten, erläutert Professor Dr. Hermann Reichenspurner, Ph. D., Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie am UHZ: "Die Operation der Aortenklappe hat heutzutage zwar exzellente Ergebnisse und kann in vielen Fällen minimal invasiv vorgenommen werden, aber es gibt auch viele Patienten, für die eine Operation zu risikoreich wäre." Gerade diese Patienten könnten von diesem neuen Verfahren profitieren.
Der am UHZ verwandte Typ der Ersatzklappe wurde weltweit zum ersten Mal eingesetzt. Er zeichnet sich vor allem durch zwei besondere Eigenschaften aus, erklärt Professor Dr. Joachim Schofer vom Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg: "Die neue Herzklappe lässt sich zum einen problemlos an die anatomischen Gegebenheiten des Patienten anpassen und bei nicht korrekter Größe sofort wieder austauschen. Zweitens verspricht sie auf Grund ihrer hohen Flexibilität selbst bei Patienten mit erheblichen Gefäßverkalkungen, das Risiko des nicht chirurgischen Eingriffs zu senken."
Professor Dr. Jörg F. Debatin, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE, begrüßt besonders die beispielhafte Zusammenarbeit des Universitätsklinikums mit einem Partner aus dem Bereich der ambulanten Versorgung: "Es ist wichtig, dass sich das UKE nach außen hin öffnet, um gemeinsam mit niedergelassenen Ärzten und anderen Partnern die Versorgung der Patienten zu verbessern. Schön ist es, wenn eine Kooperation darüber hinaus dazu dient, auch im wissenschaftlichen Bereich das Profil des UKE zu schärfen. Deshalb freuen wir uns über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Professor Schofer."
Das Problem In Deutschland erhalten zurzeit jährlich circa 14.000 Patienten eine Aortenklappenprothese durch eine Operation am offenen Herzen. Der häufigste Grund für eine solche Operation ist die Verengung der Aortenklappe, die sogenannte Aortenklappenstenose. Sie ist eine Erkrankung des fortgeschrittenen Lebensalters. Wegen der veränderten Altersstruktur in unserer Bevölkerung wird die Anzahl dieser Operationen auch in Zukunft weiter steigen - nicht zuletzt aufgrund der exzellenten Ergebnisse. Mit fortschreitendem Alter stellen sich bei den Patienten aber viele Begleiterkrankungen ein, die das Operationsrisiko deutlich erhöhen. Nach einer Erhebung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie werden bereits heute circa 30 Prozent der Patienten mit operationswürdiger Aortenklappenstenose aufgrund eines zu hohen Risikos nicht mehr operiert. Gerade für diese Patientengruppe ist es wichtig, eine schonendere Alternative für den Aortenklappenersatz zu entwickeln. Dies ist mit der kathetergestützten Klappenimplantation geschehen, die bisher weltweit etwa 500-mal durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich um einen Eingriff, der von Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam vorgenommen wird.
Die neue Herzklappe Bei dem Eingriff in Hamburg wurde erstmal ein neuer Klappentyp verwendet, der gegenüber den anderen derzeit verwendeten Typen entscheidende Vorteile sowohl bei der Sicherheit als auch bei der Effektivität des Eingriffs aufweist. Es handelt sich um eine biologische Herzklappe, zusammengefaltet und verstaut in einem circa sieben Millimeter durchmessenden Katheter.
Was ist neu?
- Das System ist so gut verformbar und flexibel, dass auch eine stark verkalkte Haupt-schlagader und Herzklappe gefahrlos passiert werden können. Die Klappe selbst ist in einer Kunststoffröhre verankert, an deren Enden sich jeweils ein ringförmiger Ballon befindet.
Durch Injektion von Flüssigkeit in beide Ballons wird die Klappe im Patienten entfaltet.
- Was bisher einmalig ist: Die Klappe kann bei unbefriedigendem Sitz erneut positioniert oder aber - ohne dem Patienten zu schaden - wieder entfernt und eventuell durch eine Klappe anderer Größe ausgetauscht werden.
Bei gutem Sitz wird die Flüssigkeit durch einen schnell härtenden flüssigen Kunststoff ausgetauscht.
- Die Klappenprothese verankert sich im Klappenring des Patienten so sicher, dass keine Leckagen entstehen, denn sie ist nicht, wie die die anderen Klappentypen, in ein Metallgerüst (Stent) montiert.
Der Patient Der 81-jährige Patient litt seit Monaten schon bei kleinster Anstrengung unter erheblicher Luftnot. Er galt aufgrund massiver Verkalkungen der Körperhauptschlagader (Aorta) als nicht operabel. Bei einer Operation, während der das Herz stillgelegt und der Patient an eine Herz-Lungenmaschine angeschlossen wird, hätte einen Schlaganfall erleiden können.
Der Eingriff Durch einen kleinen Schnitt wurde die Leistenarterie freigelegt, über die zunächst ein spezieller Ballonkatheter zum Herzen vorgeführt wurde, mit dem die verengte Aortenklappe "gesprengt" (aufgedehnt) und damit für die Klappenprothese zugänglich gemacht wurde. Dann wurde unter Ultraschall- und Röntgensicht die neue Herzklappe im zusammengefalteten Zustand in die linke Herzkammer vorgeführt. Die Klappe selbst ist in einer Kunststoffröhre verankert, an deren Enden sich jeweils ein ringförmiger Ballon befindet. Nach Entfaltung des unteren Ballons in der linken Herzkammer nahm die Klappe sogleich ihre Funktion auf und konnte nun bei schlagendem Herzen, ohne Beeinträchtigung des Blutflusses, in die aufgesprengte native Aortenklappe eingeführt werden. Dabei wurden die Taschensegel der eigenen Klappe zur Seite an die Aortenwand gedrängt. Nachdem die Position der neuen Klappe durch Ultraschall und Röntgendurchleuchtung kontrolliert und für gut befunden worden war, wurde der zweite, ringförmige Ballon, der sich jenseits des Klappenringes in der Aorta befand, entfaltet. Bei gutem Sitz und einwandfreier Funktion der neuen Klappe wurde die Flüssigkeit in beiden Ballons durch einen schnell härtenden flüssigen Kunststoff ausgetauscht, womit die Prothese im Klappenring des Patienten sicher verankert war. Auf diese Weise konnte dem Patienten ohne Operation am offenen Herzen geholfen werden.