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Wie Leistungsdruck im Sport helfen und schaden kann

Am 26. Juli starten die Olympischen Spiele in Paris. Auf 10.500 Athletinnen und Athleten warten nur 329 Goldmedaillen. Ein Gepräch mit UKM-Sportorthopäde Dr. Kristian Schneider über Stress und Leistungsdruck im Sport.

(lifePR) (Münster, )
Am 26. Juli starten die Olympischen Spiele in Paris. Für viele Sportlerinnen und Sportler dürften sie der Höhepunkt ihrer Karriere sein – wohl auch, was Stress und Leistungsdruck angeht: Auf die 10.500 Athletinnen und Athleten kommen schließlich nur 329 Goldmedaillen. Doch was genau erzeugt den Druck, wen betrifft er, was macht er mit den Wettkämpfenden und wie können sie ihn reduzieren? Darüber spricht Dr. Kristian Schneider, Sportorthopäde und Oberarzt in der UKM-Orthopädie, im Interview. Schneider war früher selbst Leistungsruderer und ist heute Mannschaftsarzt der U19-Ruder-Nationalmannschaft sowie des SC Preußen Münster.

Wann ist Stress im Sport gut, und wann schädlich?

Dr. Kristian Schneider: Stress ist eine sehr physiologische Reaktion des Körpers auf eine Ausnahmesituation. Wenn der Körper Stress erfährt, werden Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin oder Cortisol ausgeschüttet. Sie stellen Energie bereit, verbessern die Durchblutung der Muskulatur sowie die Arbeit des Herz-Kreislauf-Systems und verringern die Infektanfälligkeit. Die maximale Leistungsbereitschaft erfordert also ein gewisses Stresslevel. Bei zu wenig Stress kann man diese maximale Leistung nicht abrufen. Die Kunst eines Sportlers ist es also, den perfekten Stresspunkt zu treffen, denn wenn das Stresslevel über einen zu langen Zeitraum aufrechterhalten wird, dann wird das System überbeansprucht und die Leistungsbereitschaft sinkt. Die Folgen können Reizbarkeit oder Unkonzentriertheit sein. Dann verpasst jemand den Start oder fällt vor Aufregung aus dem Boot. Viel Stress kann zudem schon in der Vorbereitung für eine erhöhte Infektanfälligkeit und damit für Krankheiten sorgen und, wenn er sehr lange anhält, in eine Depression oder zu Angst- und Essstörungen wie z.B. Magersucht führen – auch bei männlichen Athleten.

Was verursacht diesen Stress bei Sportlerinnen und Sportlern?

Schneider: Ich würde unterscheiden zwischen Stress von außen und Stress, den man sich selbst macht. Stress von außen kann durch Medien erzeugt werden, oder das persönliche Umfeld, wobei es da dann schon übergeht in Stress, den man sich selbst macht, also die eigenen Erwartungen. Gesellschaftlich ist das etwas paradox, weil bei Sportveranstaltungen im Fernsehen einerseits der Leistungsdruck, im Sinne von Spannung, gewollt ist, andererseits wird heute auch häufig kritisch hingeschaut, wenn es um Druck geht – bei Wettbewerben wie den Bundesjugendspielen etwa, wo die Gefahr gesehen wird, dass Kinder wegen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit stigmatisiert und demotiviert werden können.

Ist Leistungsdruck ein Phänomen, das nur den Einzelsport betrifft?

Schneider: Da würde ich nicht so viel unterscheiden. Beim Einzelsportler fällt es eher auf, da steht ja ein einziger Mensch im Fokus und man verbindet einen Namen damit. Aber man kann jede Sportart auf Einzelsport runterbrechen, sowohl den Achter beim Rudern, als auch die Spieler beim Fußball. Klar, im Wettkampf kann man sich auf seine Teamkameraden verlassen, aber den Druck der Selektion, der Nominierung für einen Kader, den haben im Vorfeld alle. Im Mannschaftssport ist er häufig aber nicht so gut erkennbar, weil da eher das fertige Gebilde gesehen wird.

Was gibt es noch für Faktoren? Ist der Druck im Leistungssport größer als im Hobbybereich, sind Jüngere eher betroffen als Ältere oder Frauen eher als Männer?

Schneider: Das gibt es überall. Im Leistungssport stehen bestimmt auch häufig existenzielle Ängste dahinter, aber sobald man etwas kompetitiv betreibt, kann es auch Leistungsdruck geben. Im Alter ist man vielleicht reflektierter, hat die Stresssituation schon öfter durchgespielt. Dafür kann dann aber eine zunehmende Diskussion über das Alter selbst aufkommen, wie bei Cristiano Ronaldo etwa, der alles probiert – ob gesunde Ernährung oder Hautpflege – um sich jung zu halten und weiter zu beweisen. Auch das kann Druck erzeugen. Der Druck, körperlich perfekt auszusehen, spielt sicher auch eine Rolle. Der ist für Frauen vielleicht noch etwas höher, das zeigt sich ja auch in Diskussionen über die Bekleidung der Athletinnen. Andererseits ermöglicht all das einigen Sportlerinnen und Sportlern auch Vermarktungsmöglichkeiten – etwa in sozialen Medien –, die gewollt und durchaus losgelöst von sportlichen Erfolgen sein können.

Was kann Druck und Stress reduzieren?

Schneider: Nach Phasen der maximalen Anspannung und des Stresses müssen Phasen der Regeneration und Reflektion eingebaut werden. Da spielt Schlaf eine große Rolle oder die Vermeidung von Übertraining. Aber auch Sportpsychologen kommen zunehmend zum Einsatz. Die sollen helfen, das Leistungsoptimum abrufbar zu machen. Das kann über mentale Vorbereitungen und bewusste Rituale gelingen oder darüber, Themen und Probleme anzusprechen, die einen in der Leistung mindern könnten. Neben dem professionellen ist auch das persönliche Umfeld wichtig. Olympioniken zum Beispiel befinden sich ja in einer Blase mit anderen Weltklasse-Sportlerinnen und -Sportlern – da kann das Gespräch mit Freunden oder der Heimat wichtig sein, um zu realisieren, wo man schon steht. Hinter den rund 11.000 Athletinnen und Athleten bei Olympia stehen viele Tausende mehr, die es erst gar nicht nach Paris geschafft haben. Das müssen sich auch alle, die dabei sind, verdeutlichen. Das ist schon der Olymp. Da sollte man sein Dasein nicht von diesem einen Event abhängig machen, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass man es nicht schafft, eine der rund 300 Goldmedaillen zu gewinnen. Umgekehrt kann auch ein Sieg zwar für den Moment sehr schön sein, aber die Erwartungen, die man an ihn hatte, langfristig vielleicht gar nicht erfüllen.

Universitätsklinikum Münster

Das UKM (Universitätsklinikum Münster) steht für Spitzenforschung, exzellente Lehre und modernste Krankenversorgung in der deutschen Krankenhauslandschaft und gehört bundesweit zu den erfolgreichsten Maximalversorgern. Derzeit verfügt das Universitätsklinikum Münster über 1.513 Betten in 38 Kliniken und 30 Zentren sowie über 44 Forschungsinstitute. Jährlich werden im UKM über 50.000 Patientinnen und Patienten stationär versorgt, ambulant gibt es mehr als eine halbe Millionen Behandlungen. Mit mehr als 11.800 Mitarbeitenden ist die UKM-Gruppe einer der größte Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe in der Region.

Weitere Informationen unter www.ukm.de.

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