Als Coach für Hoteliers und Gastronomen kennt sie mehr als nur einen Grund dafür, die neuen Regelungen willkommen zu heißen, obwohl viele in der Branche darüber klagen. Auf den ersten Blick seien deren Argumente durchaus nachvollziehbar: Höhere Kosten und strengere Regeln lassen Preise steigen, gefährden Arbeitsplätze und der höhere Verwaltungsaufwand ebenso. Stimmt das aber wirklich?
Brunhilde Fischer: "Was zunächst nach einer weiteren Belastung aussieht, ist in Wirklichkeit die gesetzlich verordnete Angleichung der Bedingungen für alle Betriebe. Ich kenne viele Unternehmen, die bereits seit Jahren den jetzt gültigen Mindestlohn oder mehr zahlen und die Arbeitszeitregelungen einhalten. Im Preiswettbewerb hatten sie bislang Nachteile. Aber das ist nur eine Seite. Entscheidend in der Beurteilung der Neuerungen finde ich, dass die Vorschriften Chancen und ein bisschen auch den Zwang zur Weiterentwicklung mit sich bringen. Wer sich aufgrund der neuen Regelungen mit seiner Wirtschaftlichkeit, Betriebsorganisation und Ausrichtung auseinandersetzt, kann insbesondere über eine genaue Positionierung und solide betriebswirtschaftliche Planung mehr Stabilität erreichen. Diese Chance sollte sich keiner entgehen lassen!"
Jochen Bandel, Inhaber des Hotels Kaiser in Herrenberg bei Stuttgart sieht das Mindestlohngesetz ebenfalls positiv: Er ist froh, dass seine Mitbewerber nun zu ähnlichen Bedingungen arbeiten müssen, die er seinen Mitarbeitern schon lange gewährt, denn: "Da geht es schlicht und einfach um Menschlichkeit. Und natürlich auch um Chancengleichheit unter den Betrieben." Den Verwaltungsaufwand zur Arbeitszeitdokumentation sieht er als Investition in die Fairness und die eigene Betriebswirtschaftlichkeit. "Ich passe mein Angebot den neuen Bedingungen an, sodass ich weiterhin erfolgreich bin. Das erfordert etwas Kreativität in der Entwicklung und auch Mut und Klarheit den Gästen gegenüber, beispielsweise kürzere Öffnungszeiten zu kommunizieren."
Laut Fischer sollen aber auch die Gäste eine Entwicklung mitmachen: "Hotel- und Restaurantbesucher werden in Deutschland die Dienstleistungen der Hotellerie und Gastronomie angemessener bezahlen und sich daran gewöhnen müssen, dass Extraleistungen wie Veranstaltungsüberlängen auch extra etwas kosten. Und das ist gut so, denn den Mitarbeitern in der Branche wird viel abverlangt. Es ist höchste Zeit, dass sich dies in einer passenden Bezahlung und berechenbaren Arbeitszeiten niederschlägt - etwas, das die meisten Gäste für sich selbst übrigens als selbstverständlich ansehen."
Vor allem sieht Fischer aber die Möglichkeit, dass sich die deutsche Hotellerie und Gastronomie als moderne Branche sowohl in Hinblick auf das Angebot als auch für die Mitarbeiter etabliert - eine Riesenchance, sich für den Wettbewerb zu stärken und die Attraktivität der Hotellerie und Gastronomie auf dem Arbeitsmarkt entscheidend zu verbessern.