Ein runder Geburtstag ist immer Anlass, die Vergangenheit kritisch zu betrachten, in einer Standortbestim-mung die aktuelle Situation zu überprüfen, aber auch einen Ausblick zu wagen, welche Aufgaben und Ver-änderungen die Zukunft bringen könnte. Dies wollen wir heute tun, so der Präsident des VdAW Erich Pappelau anlässlich des VdAW-Verbandstages am Samstag, 12. Juni auf der Messe in Stuttgart.
Auf 40 Jahre VdAW zurückblicken heißt auch, auf 40 Jahre Agrarpolitik in Deutschland, und in Europa zu schauen. "Wir diskutierten über Milchseen, Fleisch- und Butterberge. Der Mansholt-Plan deutete schon damals das Ende der bäuerlichen Landwirtschaft an. Es folgte die gemeinsame Agrarpolitik in Europa mit ihren Reformen, mit Markteingriffen, wie Intervention und Preisstützung, und wir sind heute angekommen bei der Verknüpfung des Agrar- mit dem Energiesektor. Dabei haben sich überall die Jahre, vor allem zwei Megatrends herauskristallisiert - zum einen ein unaufhaltsamer Strukturwandel sowie - zum anderen eine fortschreitende Globalisierung der gesamten Agrarwirtschaftsbranche", so Erich Pappelau.
Die Mitgliedsbetriebe des Agrargewerbes mussten in dieser Zeit ihren Platz behaupten und sich den stän-digen Veränderungen und Herausforderungen des Marktes anpassen.
Völlig unbefriedigend bezeichnete Pappelau die derzeitige Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen im Agrarbereich insgesamt. Anstatt Bürokratie abzubauen, werden neue, sinnlose Vorgaben geschaffen, die außer einer Arbeitsplatzsicherung für staatliche Organisationen in Deutschland absolut keinen Nutzen bringen. Als Beispiel wurde das aktuelle Thema "Nachhaltigkeit bei Biomasse", was wieder zu einer Zer-tifizierung in der Branche mit Aufwand und Kosten führt, aber überhaupt keinen Sinn in Bezug auf die Er-haltung von Natur und Umwelt bringt. Es sei frustrierend, dass die Europa- und Bundespolitiker offensicht-lich zwar Missstände in anderen Regionen der Erde erkennen, wie Palmölproduktion in Asien, der Urwälder zum Opfer fallen, ähnliches in Südamerika, aber die gleichen Politiker sind nicht in der Lage, zwischen Re-gionen zu differenzieren und zu erkennen, dass diese Missstände in Europa, und vor allem in unserem Land nicht bestehen und deshalb auch keine Verordnungen notwendig sind, um die nicht vorhandenen Probleme zu lösen.
Die Wirtschaftslage allgemein ist in Folge der Bankenkrise durch eine massive Finanz- und Wirtschafts-krise geprägt, mit Milliarden versuchen, die EU-Mitgliedsstaaten derzeit offiziell dem Mitgliedsstaat Grie-chenland zu helfen. Dabei entsteht der Eindruck, dass die wirkliche Hilfe den Großbanken zugute kommt, die an Griechenland seit langem Kredite vergeben haben - oder soll tatsächlich die Stabilität des Euros gestützt werden? - so Pappelau.
Für die Binnenwirtschaft dürfte die Schwäche des Euros keine großen Nachteile mit sich bringen, für den Export deutscher Waren in Drittländer sind Vorteile zu erkennen, was letztendlich zur Verbesserung der Auftragslage unserer Wirtschaft und damit auch eine Stabilisierung der Beschäftigungssituation bringt. Im-porte werden jedoch teurer.
Die rund 1.900 mittelständischen Unternehmen des Agrargewerbes in Baden-Württemberg agieren in Märkten, die sehr schnelllebig sind und flexible und rasche Anpassungsstrategien erfordern. Mit der Aus-wirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise sind diese Unternehmen teilweise konfrontiert. Das vergangene Jahr war zum Teil von drastisch sinkenden Rohstoffpreisen, einer schwachen Konjunktur und geringer In-vestitionsbereitschaft in der Landwirtschaft aber auch der Verbraucher gekennzeichnet.
Nach dem Ausnahmejahr 2008 mit zweistelligen Zuwachsraten meldeten die Agrargewerbeunternehmen im abgelaufenen Jahr in fast allen Sparten Umsatzrückgänge. Der Gesamtumsatz ging auf rund 3 Mrd. Euro im vergangenen Geschäftsjahr zurück. Dies sind ca. 5 % weniger als im Vorjahr. Die günstigere Kon-junkturprognose im laufenden Geschäftsjahr darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass stabile wirtschaftliche Verhältnisse mit langfristigen positiven Wachstumsraten derzeit nicht zu erwarten sind.
Während der Absatz von Mineralölen und Brennstoffen weitgehend positiv verlief, sorgte die geringe Liqui-dität in der Landwirtschaft für rückläufigen Absatz bei den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln, insbesondere in der Agrartechnik. Im Motorgeräte-Fachhandel ist das vergangene Jahr im Gegensatz zu vielen an-deren Branchen positiv verlaufen. Der Umsatz konnte um 8 % gesteigert werden.
Bei den landwirtschaftlichen Lohnunternehmen ist ein stetig wachsender Umsatz zu verzeichnen. Der Bedarf des überbetrieblichen Maschineneinsatz in der Landwirtschaft steigt. Neue Geschäftsbereiche durch die sich entwickelnde Bioenergieerzeugung, insbesondere im Bereich der Substratbeschaffung für Biogas-anlagen, tragen zum Wachstum der Branche bei.
Anders sieht es bei den Forstunternehmen aus. Die Betriebe sind ebenfalls mit moderner Technik für die Holzernte, Rückearbeiten und Transport ausgestattet. Die Auftragslage ist allerdings sehr stark abhängig von der preislichen Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Vergabepraxis durch Ausschreibungen der staatlichen Forstverwaltung. Aufgrund der verschiedenen Forstkalamitäten der letzten Jahre wurden in Deutschland zum Teil Überkapazitäten an Forsttechnik angeschafft. Dies führt im harten Wettbewerb zu sinkenden Angebotspreisen.
Die Landhandels- und Mühlenbetriebe mussten in den letzten zwei Jahren real die Macht der Kräfte des Marktes erleben. Hohe Getreidepreise bis zur Ernte 2008, die für überteuertes Getreide in den Silos sorgten, und dasselbe Szenario bei Dünger führten zu einem nahezu unberechenbaren und riskanten Kapitaleinsatz bei der Warenbeschaffung. Nach dem Sturzflug der Getreidepreise folgten im Frühjahr 2009 die Düngerpreise. Viele Betriebe der Branchen mussten Getreide und/oder Düngemittel mit Abschlägen ver-kaufen und Wertberichtigungen durchführen.
Die Notierungen bei Getreide sind nach wie vor unbefriedigend, wenn auch Anzeichen für eine positivere Marktentwicklung erkennbar ist. Dies führt aber nach wie vor zur Kaufzurückhaltung bei Landwirten, die zurzeit mit Getreide und Veredelung kaum Geld verdienen können. Dadurch gewinnt die Biogasproduktion an wirtschaftlicher Attraktivität, was zu erheblichen Verschiebungen innerhalb der Landwirtschaft und dem Landhandel führt. Der Landhandel verliert Erfassungsmenge und Umsätze im Bezugsgeschäft vor allem bei Düngemittel und Pflanzenschutz.
Die Mehlpreise bei den Mühlen konnten aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise nur schleppend nach oben korrigiert werden. Die Konkurrenzsituation unter den Mühlen ist noch immer sehr angespannt und führt oft dazu, dass der Wettbewerb mit niedrigen Preisen unterlaufen wird.
Die Vieh- und Fleischbranche ist von einem starken Strukturwandel gekennzeichnet. Die Rinderbestände im Land sind seit Jahren rückläufig, die Schlachtschweinebestände expandieren. Die Ferkelproduktion steht in großem Wettbewerb zu Großpartien aus Dänemark und Niederlanden. Die Bestandsgrößen nehmen zu, die Zahl der Tierhalter dagegen ab. Die Schlachtzahlen und Umsätze der weiter zurückgehenden Schlachtbetriebe steigen jedoch deutlich an. Die Unternehmen im Viehhandel müssen immer größere Stückzahlen an Tieren in der Landwirtschaft erfassen, und termingerecht der Schlachtbranche zuführen. Im Ferkelbereich verlangen die Mäster termingerechte große einheitliche Partien mit gutem Gesundheitsstatus.
Der Getränkesektor ist gekennzeichnet von den Strukturveränderungen in der Vermarktung. 50% des deutschen Apfelsaftes werden von den Fruchtsaftbetrieben in Baden-Württemberg erzeugt. Die Vermark-tung des Apfelsaftes wandert immer stärker vom Fachhandel hin zu Discountern. Der Konsum von Frucht-säften geht seit zwei Jahren deutlich zurück und verzeichnete allein im vergangenen Jahr fast einen Um-satzeinbruch von 10%. Im Wettbewerb zu den Apfelsäften aus heimischen Streuobstwiesen nimmt die Safterzeugung mit Billigkonzentraten aus China, die über Polen und die Türkei nach Deutschland eingeführt werden, weiter zu. Fruchtsaftbetriebe, die Apfelsäfte aus heimischer Produktion herstellen, müssen für diese Säfte am Markt einen höheren Preis erzielen, um den Streuobstbesitzern einen akzeptablen Erzeugerpreis für das Mostobst bezahlen zu können.
Die Trauben- und Weinproduktion steht derzeit ganz im Zeichen der neuen EU-Weinmarktordnung und des künftigen Bezeichnungsrechtes. Der Weinmarkt blieb im vergangenen Jahr von der Wirtschaftskrise weitgehend verschont. Der Umsatz mit Wein in Deutschland ist 2009 erneut um 1,2% gestiegen. Der Weinmengenumsatz war im vergangenen Jahr allerdings mit einem Minus von 1,5% leicht rückläufig, ins-gesamt also ein recht stabiler Weinmarkt. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die nachgewiesene Verla-gerung des Außer-Haus-Konsums in Richtung in-Haus-Konsum.
Insgesamt sind die mittelständischen Agrargewerbebetriebe gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet. Die Unternehmer und ihre Mitarbeiter sind motiviert, bestens informiert und hervorragend ausgebildet, wozu der VdAW auch wesentlich beiträgt. In den meisten Betrieben ist die Nachfolge geregelt. Die Betriebe weisen überwiegend ein gesundes Wachstum und eine maßvolle Investitionstätigkeit auf. Dies macht die Unter-nehmen krisenfest und bietet den Landwirten einen ausreichenden Wettbewerb und einen verlässlichen Partner.
Umsatzzahlen
Wie das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des VdAW Erich Reich mitteilt, konnten die rund 1.900 Ag-rargewerbeunternehmen im vergangenen Jahr 3,0 Mrd. Euro mit einem Rückgang von von 5% über alle Branchen im Zuliefer- wie Absatzgeschäft gerechnet erzielen. Der Umsatz ist durch die stark gefallenen Getreide, Dünge- und Futtermittelpreise erklärbar, die Mengenumsätze sind um ca. 2 % gestiegen. Die Marktanteile an den Verkäufen der Landwirtschaft liegen im pflanzlichen Bereich bei 55% bzw. 889 Mio. Euro, im tierischen Bereich bei rund 1.350 Mio. Euro.
In der Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse insgesamt wurden 2.239 Mio. Euro erzielt.
Im Zulieferbereich wurden die Landwirte mit Betriebsmittel im Wert von 962 Mio. Euro bedient.
Davon 455 Mio. Euro im Futtermittelsektor, 176 Mio. Euro in Maschinen und Gebäudeeinrichtungen, 132 Mio. Euro in landwirtschaftliche Dienstleistungen, Lohn- und Forstunternehmen, 84 Mio. Euro in Handels-dünger, 60 Mio. Euro in Saat- und Pflanzgut, sowie 55 Mio. Euro im Pflanzenschutz.
Hervorzuheben ist die Innovation, Kreativität und Steigerung der Produktivität und flexible Anpassung der Agrargewerbeunternehmen an die Zuliefer- und Absatzmärkte. die Agrargewerbeunternehmen haben sich gegenüber dem Wettbewerb weiter profilieren können und sind motiviert, ihre Leistungsfähigkeit weiter zu steigern. Eine wichtige soziale und ethische Verantwortung der Unternehmen ist jedoch auch, sich langfristig am Markt und im Wettbewerb erfolgreich zu bewegen und damit den Ertrag der Unternehmen nachhaltig zu sichern. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Wohlstand und zum Gedeihen der Wirtschaft in den einzelnen Regionen geleistet, wovon letztlich alle profitieren und vor allem auch die langfristige Beschäftigung gesichert ist. Die mittelständischen Familienunternehmen des Agrargewerbes stellen somit ein stabiles Element im ländlichen Raum dar.