Stefan Scharl beklagte in seinen einführenden Worten den seit Jahren stattfindenden Bürokratieaufbau statt des immer wieder angekündigten Abbaus. Verschiedene neue EU-Regularien würden die Unternehmen in Zukunft zu einem hohen Maß an detaillierter Berichterstattung und deren externer Prüfung verpflichten. Hiervon sei eine „stattliche Anzahl“ von Unternehmen betroffen, zunächst vor allem Konzerne und Mischbetriebe sowie Kliniken in privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft mit mehr als 150 Betten. Bis 2028 werden auch Kleinbetriebe mit mehr als 10 Mitarbeitenden betroffen sein.
Referentin Lydia Eckhard, Geschäftsführerin der Deloitte Sustainability & Climate GmbH, beleuchtete das Thema „Nachhaltigkeitsregulierung“ am Beispiel neuer gesetzlicher Regelungen. Dazu gehört das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) inklusive der verschärfenden europäischen Neuregelung (CSDDD), die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der EU-Taxonomie (Corporate Sustainability Reporting Directive) einschließlich der Klimabilanz sowie das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) mit der Einführung eines Energiemanagementsystems bzw. der verpflichtenden Energieaudits.
„Es stehen ganz große To-dos vor der Tür, aber damit schaffen wir Grundlagen, um das Thema Nachhaltigkeit in Zukunft sinnbringend zu gestalten“, so Eckhard. Im Gesundheitswesen sei dabei ein ganzheitlicher Ansatz wichtig: Environment-, Social- und Governance-Themen müssten gleichermaßen intensiv betrachtet werden. Die Betroffenen müssten sich mit einer steigenden Anzahl von Inhalten beschäftigen, immer mehr - und immer integriertere - Daten sammeln und ein hohes Qualitätsniveau erreichen, die finanzielle und nicht-finanzielle Welt werde immer stärker verknüpft. Ein großes Problem bei alledem sei, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr viele regulatorische Unklarheiten und Unsicherheiten, uneinheitliche Zeitschienen und Anforderungen sowie technologische Barrieren herrschten. Der Fachkräfte- und Ressourcenmangel wirke sich zusätzlich erschwerend auf die Umsetzung aus. Lydia Eckhard appellierte an die Unternehmen, so früh wie möglich anzufangen, sich mit den anstehenden Themen auseinanderzusetzen, um ein Verständnis und Grundlagen zu schaffen. Neben der Compliance solle auch der strategische Impact im Auge behalten werden. Insgesamt bedeuteten die Regularien eine große Herausforderung, die manchmal „weh tue“, gab sie zu, zugleich seien diese aber auch ein Weg, „um Gleichklang zu schaffen“ und irgendwann auch die Benefits zu erreichen.
Sven-Statius Conrads, ESG Performance Manager und stellvertretender Direktor Firmenkunden Nachhaltigkeit & Kooperationen bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank gewährte in seiner Präsentation einen Einblick in die Sichtweise der Banken und Veränderungen im Kreditgeschäft.
Das ESG-Scoring unterliege noch einer großen Entwicklung, es gebe keine noch keine festen KPIs. Jede Bank gehe – je nach dem Ergebnis ihrer eigenen doppelten Wesentlichkeitsanalyse - unterschiedlich auf die Kunden zu. Sein Institut verschicke auf die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ausgelegte Fragebögen, man spreche mit den Kunden vor Ort und gebe Hinweise und Hilfestellungen. Die anschließende Analyse berücksichtige sowohl die Outside-In- als auch die Inside-Out-Perspektive. Ob die Kunden „einen dunkelgrünen ESG-Score“ hätten „oder einen Dunkelroten“, habe auf die Kreditentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Auswirkung, betonte er. „Da wird man in Zukunft sehen, wo es bei der Regulatorik hingeht. Momentan sammeln wir nur und werten aus – wie alle Banken.“ Die Apo Bank arbeite seit einem Jahr mit Spezialisten, die die Kunden dabei unterstützen, die bestmögliche Förderung zu bekommen, ergänzte er.
Auch Conrads riet den Einrichtungsverantwortlichen unter den rund 80 Zuhörenden (neben zahlreichen Klinikvertretern befanden sich darunter auch Vertreter aus Politik sowie der DKG, IHK, der Kostenträger u.a.), sich zeitnah vorzubereiten. Denn auch kleinere Unternehmen könnten in die Situation kommen, ihre Wertschöpfungskette benennen zu müssen. Es bedeute zunächst einen sehr großen Anfangsaufwand, die Dokumentation sicherzustellen. Arbeitsgruppen, in denen sich beispielsweise mehrere berichtpflichtig werdende Kliniken austauschen, könnten auf diesem Weg durchaus hilfreich und sinnvoll sein, so seine Einschätzung.
In der Diskussionsrunde unterstrich Stefan Scharl, die betroffenen Einrichtungen stünden vor enormen Herausforderungen. Leider sei eine direkte Refinanzierung des immensen Mehraufwandes nicht geregelt und eine Überwälzung auf Preise für erbrachte Leistungen im Sozialrecht derzeit nicht vorgesehen. Man habe es hier mit einer neuen Kostenart zu tun, „die man in die Preisbildung aufnehmen müsste“, so seine Forderung. Abschließend unterstrich er, der Aufwand sei jetzt notwendig, um die Lebensgrundlagen der Menschheit zu erhalten. Der Nutzen werde sich erst in vielen Jahren zeigen. „Wir müssen uns motivieren und im engen kollegialen Austausch die Herausforderungen meistern.“