„Wenn es um das Thema Pflegeberufe geht, hat man es mit einem Wust an negativen Assoziationen zu tun. Meist ist die Rede von schlechter Bezahlung und außerordentlich viel Stress, sowohl aufgrund der chronischen Unterbesetzung als auch durch eng getaktete Zeitvorgaben und den teilweise fast schon absurden Dokumentationsaufwand. All das macht es nahezu unmöglich, sich mit ausreichend Zeit und Zuwendung um die Patientinnen und Patienten zu kümmern - gerade dies ist ja aber die Hauptmotivation vieler Pflegekräfte für ihre Berufswahl. Hinzu kommen unattraktive Schicht- und Wochenenddienste, gepaart mit häufigem „Aus-dem-Frei-Einspringen“, weiß Michael Strobach. Einige dieser fest in den Köpfen verankerten Vorurteile, wie etwa das Thema Bezahlung, könne man aus dem Stand entkräften.
Mythos Unterbezahlung
„Schon als Pflegehelfer kann man mit bis zu 2.800 Euro brutto im Monat rechnen. Das Einstiegsgehalt als examinierte Pflegekraft liegt für Berufsanfänger im Entgelttarifvertrag des VPKA bei über 2.900 €. Das durchschnittliche jährliche Bruttogehalt bei Pflegefachkräften beläuft sich in Bayern auf rund 44.000 Euro. Je nach Arbeitsbereich, Qualifikation und Berufserfahrung sind teilweise weit höhere Einkommen zu erzielen“, betont er.
Unbekannte Perspektiven
Auch seien die Perspektiven, die die Pflege biete, kaum im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert. „Vielen Menschen ist gar nicht klar, wie viele Spezialisierungsmöglichkeiten, Aus- und Weiterbildungen und Aufstiegschancen es in diesem Bereich gibt. Das alles müssen wir einer breiten Öffentlichkeit bewusst machen. Auch gibt es aktuell schon einige bemerkenswerte Ansätze, die die Attraktivität der Gesundheitsberufe deutlich steigern.“ So könne eine weitere Akademisierung der Pflege dazu führen, dass der Pflegeberuf attraktiver werde, mit mehr Kompetenzen verbunden werde und somit auch im Gesundheitssystem mehr Wertschätzung erfahre. Auf finanzieller Ebene könne die steuerfreie Auszahlung von Feiertags- und Nachtzuschlägen Anreize schaffen.
„Was nicht unterschätzt werden darf, ist der stark gestiegene Stellenwert einer ausgewogene Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, so Michael Strobach. „Im Zweifelsfall entscheiden sich Arbeitnehmende für einen Beruf, der ihnen dies bietet.“ Dieser Tatsache könne man durch eine Abkehr von der gängigen Praxis der ständig wechselnden Dienste und die Einführung moderner Arbeitszeitmodelle begegnen.
Von der Politik in Aussicht gestellt und dringend notwendig sei auch ein konsequenter Bürokratieabbau und die Digitalisierung von Arbeitsprozessen. Man werde ganz genau beobachten, dass der Gesetzgeber hier den Worten auch Taten folgen lasse. „Dies ist unerlässlich, damit den Pflegenden wieder mehr Arbeitszeit für ihre Kernaufgaben am Patienten verbleibt.“
In verschiedene Richtungen denken
„Generell müssen wir uns erlauben, in verschiedene Richtungen zu denken.“ So seien die Diskussionen über die Wiedereinführung eines verpflichtenden sozialen Jahres (ähnlich dem früheren Zivildienst), wie sie die CDU unter dem Titel „Deutschlandjahr“ bereits führe, durchaus interessant. „Auf diese Weise fanden früher unglaublich viele junge Frauen und Männer dauerhaft den beruflichen Weg ins Gesundheitswesen.“
Pflegeausbildung auch in der Reha
Eine andere, aus Sicht des VPKA gewichtige Stellschraube, wäre die Öffnung der Pflegeausbildung auch für den Reha-Bereich. „Im Koalitionsvertrag wurde das Ziel formuliert, die Pflegeausbildung auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation zu ermöglichen, soweit diese die Voraussetzungen erfüllen. Wir erachten diesen Schritt als längst überfällig und warten händeringend auf die entsprechende Gesetzesänderung. Schließlich sind Rehabilitationseinrichtungen sehr gut als praktische Ausbildungsstätten geeignet.“ Als Vorlage könnte hier die Ärzteapprobationsordnung dienen, in der der Gesetzgeber in seinem aktuellen Referentenentwurf ganz neu die Möglichkeit geschaffen hat, praktische Einsätze zukünftig auch in stationären und ambulanten Reha-Einrichtungen zuzulassen.
Ausländische Fachkräfte
Bessere politische Rahmenbedingungen wünscht sich der VPKA überdies bei der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte. „Das derzeitige Anerkennungsverfahren für die berufliche Qualifikation ist zäh, langatmig und bürokratisch. Hier hoffen wir darauf, dass die Reform des Zuwanderungsrechts für Erleichterung sorgen wird.“