„Angesichts des massiven Pflegekräftemangels liegt der Fokus der Bemühungen, von politischer Seite wie auch seitens vieler Kliniken, stark auf der Akquise von Mitarbeitenden aus dem Ausland. Mit der Beschleunigung von Einreise- und Anerkennungsverfahren durch die Aufgabenzentralisierung beim Landesamt für Pflege und die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Ausländer- und Beratungsbehörden wurden in Bayern bereits wichtige Schritte unternommen, dank derer diese Arbeitskräfte schnelleren Zugang zum bayerischen Arbeitsmarkt erhalten können. Diese Entwicklung erachten wir als richtig und begrüßen sie ausdrücklich“, so Ann-Kristin Stenger. Man müsse sich gleichwohl im Klaren darüber sein, dass nach dem aufwändigen, langwierigen und kostspieligen Anerkennungsverfahren noch ein intensiver Integrationsprozess notwendig werde, erinnert sie. „Die Kliniken dürfen darum nicht versäumen, auch ihre Bemühungen um die bereits vorhandenen Mitarbeitenden zu intensivieren, um diese im Beruf zu halten. Es gibt durchaus Spielräume, mit denen attraktive Arbeitsbedingungen für das Personal geschaffen werden können“.
Dazu gehörten beispielsweise familienfreundliche Arbeitszeitmodelle oder auch die Schaffung von Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. „Viele Pflegekräfte wünschen sich, ihre beruflichen Qualifikationen zu erweitern und mehr Kompetenzen zu erlangen. Wenn ein Arbeitgeber diesen Wunsch - natürlich im sinnvollen Rahmen - unterstützt, vermittelt er damit, dass er den jeweiligen Mitarbeitenden mit seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten wahrnimmt und wertschätzt. Meines Erachtens bestehen beim Thema Wertschätzung leider generell oft Defizite. Die Leistungen der Einzelnen sollten im Arbeitsalltag immer wieder deutlich anerkannt werden. Das würde zu einem erheblichen Maß an Zufriedenheit beim Personal beitragen.“
Ein bereits seit 2021 im Koalitionsvertrag verankerter und auch bereits in einem Gesetzgebungsverfahren eingearbeiteter Ansatz ist es, alle Rehaeinrichtungen als Ausbildungsträger zuzulassen. „Hier könnte eine Umsetzung kurzfristig erfolgen und somit weitere Ausbildungsträger für die Ausbildung von Pflegekräften generiert werden. Viele Rehaeinrichtungen wären hierfür geeignet und auch bereit, insbesondere auch, um Pflegekräfte an ihr Unternehmen zu binden.“
Ein weiterer Ansatz müsse sein, junge Menschen für Pflegeberufe zu begeistern. „Oftmals führt der Weg hierhin über ein freiwilliges soziales Jahr. Es gibt viele junge Leute, die auf diese Weise erst einmal in den Klinikalltag hineinschnuppern und dann entdecken, dass dies ein Berufsfeld ist, in dem sie bleiben möchten. Darum wäre ein Ausbau des FSJ für die Einrichtungen durchaus sinnvoll.“
Ein „Teamspalter“, der vielerorts für Probleme sorge, sei die Beschäftigung von Pflegekräften, die zu Leiharbeitsfirmen abgewandert sind, so Dr. Ann-Kristin Stenger. „Sie erhalten teils deutlich mehr Lohn als die Stammbelegschaft. Das sorgt natürlich für Unzufriedenheit und kann die Stimmung im Team stark belasten. Ideal wäre es, derartige Ungleichbehandlungen zu eliminieren. Hier haben die privat getragenen Häuser allerdings eine schlechtere Ausgangsbasis als kommunale Akutkliniken. Letztere können unverhältnismäßig viel für Personal ausgeben und etwa auch Boni auszahlen, da im Fall eines negativen Jahresergebnisses schlussendlich die Allgemeinheit das Defizit bezahlt. Diese Möglichkeit haben die Privaten nicht.“