Laut der aktuellen Empfehlung der Regierungskommission soll es Krankenhäusern spätestens ab dem 1. Januar 2023 erlaubt sein, sämtliche bislang vollstationär erbrachten Behandlungen im Einvernehmen mit den Patientinnen und Patienten als Tagesbehandlungen über einen oder mehrere Tage durchzuführen, soweit dies medizinisch vertretbar ist. Hierfür soll weder eine vorherige Beantragung, Genehmigung oder Ausweisung einer Tagesklinik nötig sein, noch die Einrichtung abgetrennter räumlicher Bereiche. Für die Tagesbehandlungen soll eine einheitliche Vergütungsgrundlage eingeführt werden.
Zur Erläuterung heißt es, „viele Untersuchungen, Eingriffe und Behandlungen, die bislang vollstationär durchgeführt werden, machen eine stationäre Überwachung der Patientinnen und Patienten in der Nacht oder am Wochenende nicht immer erforderlich.“ Die bereits vorhandenen Möglichkeiten nach dem AOP-Katalog würden von den Krankenhäusern nur in geringem Maße genutzt. Durch die empfohlene Maßnahme ließen sich nach Ansicht der Kommission in verschiedenen Berufsgruppen Nacht- und Wochenenddienste reduzieren. Das freiwerdende Personal könne somit an anderer Stelle im Krankenhaus eingesetzt werden, „zum Beispiel zur Verbesserung des Patienten/Personalschlüssels“, so der Vorschlag. Insgesamt werde Personal „von vermeidbaren Aufgaben entbunden und Überlastungssituationen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verringert“, ohne dass Leistungen für die Patientinnen und Patienten eingeschränkt würden.
Dr. Ann-Kristin Stenger macht die Position des VPKA Bayern e.V. zu dem Papier deutlich: „Auch wir erachten das Thema Ambulantisierung als wichtig. Die Qualität der Behandlung steht jedoch an erster Stelle. Die Kommissionsempfehlung beinhaltet aktuell zu viele Unsicherheiten und wirft zahlreiche Fragen auf, die zunächst geklärt werden müssen.“
Der vorgelegte Vorschlag berge wegen der hohen Rechtsunsicherheit viel zu hohe Risiken. „Das unausgegorene Konzept birgt letztlich leider größere Risiken als Chancen für die Krankenhäuser“, fasst sie die Kritik zusammen. Eine Entlastung der Pflege sei kaum zu erwarten, da nachts sowieso eine Mindestbesetzung in jedem Hause vorgehalten werden müsse. Der faktischen Einsparung von wegfallenden Hotelleistungen stünden geringere Erlöse in viel höherem Umfang je wegfallender Nacht entgegen. Völlig ungeklärt seien überdies Fragen zum Fördererrecht, zum Beispiel der Gefahr der ambulanten Mitbenutzung bzw. von Rückzahlungsverpflichtungen. „Es muss zweifelsfrei geklärt sein, ob es sich hier um tagesklinische und somit stationäre Behandlungen oder um ambulante Behandlungen handelt,“ betont Dr. Ann-Kristin Stenger. Darüber hinaus seien zahlreiche weitere Fragen offen, zum Beispiel: „Wie kommen die Patientinnen und Patienten bei mehrtägigen Tagesbehandlungen tagtäglich in die Klinik und wieder nach Hause und wer trägt dabei das Wegerisiko?“, „Gibt es Mindestanwesenheitszeiten, um die Fälle abrechnen zu können?“, „Finden MDK-Prüfungen über diese Fälle statt und wenn ja, nach welchen Kriterien?“ Auch wird der hohe bürokratische Aufwand des neuen Verfahrens kritisiert. Dr. Stenger: „All diese Themen müssen eindeutig geklärt werden, ehe Kliniken in nennenswertem Umfang von dem Angebot Gebrauch machen werden.“
Information:
Die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ der Bunderegierung tagt alle 14 Tage. Berufen sind Expertinnen und Experten aus der Versorgung (Pflege und Medizin), der Ökonomie, der Rechtswissenschaften und ein an das Bundesgesundheitsministerium angebundenen Koordinator.
Die zweite Stellungnahme im exakten Wortlaut gibt es als Download unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Krankenhausreform/BMG_REGKOM_Bericht_II_2022.pdf
Foto: Thomas Kiehl
Dr. Ann-Kristin Stenger Hauptgeschäftsführerin VPKA