Durchfallquoten bei der Theorieprüfung steigen weiter
Eine Belastung für das Prüfungssystem sind die hohen und zum Teil steigenden Durchfallquoten. Die Erhebungen zeigen: 42 Prozent der theoretischen Prüfungen wurden in den ersten drei Quartalen nicht bestanden, ein Plus von 4 Prozentpunkten im Vergleich zu 2022. In der Pkw-Klasse B lag die Durchfallquote sogar bei 45 Prozent. Das sind 4 Prozentpunkte mehr als im Vorjahrzeitraum. Die Durchfallquote bei der praktischen Fahrprüfung bleibt auf hohem Niveau stabil. In den ersten drei Quartalen 2023 haben unverändert 30 Prozent der Fahrschüler:innen die praktische Prüfung nicht bestanden. In der Pkw-Klasse B (ohne BE) sind es wie im Vorjahr 37 Prozent.
„Jede nicht bestandene Prüfung belastet die Fahrschüler:innen psychisch und finanziell“, sagt Goebelt. Die Gründe für die zunehmenden Durchfallquoten seien vielfältig und müssten weiter untersucht werden. Eine zentrale Ursache ist aus Sicht der Prüforganisationen der komplexer und dichter werdende Straßenverkehr mit immer mehr Fahrzeugen und den daraus resultierenden Folgen. Goebelt: „Wenn wir den Trend umkehren wollen, brauchen wir eine bessere Verkehrserziehung in Schule und Elternhaus und eine weitere Stärkung der Fahrausbildung.“
Immer mehr Täuschungsversuche
Besorgniserregend ist auch die steigende Zahl der aufgedeckten Täuschungsversuche. Nach den Erhebungen der TÜV | DEKRA arge tp 21 gab es in den ersten drei Quartalen dieses Jahres bereits 2.711 Täuschungsversuche bei den Theorieprüfungen. Das sind 38 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Dabei handelt es sich um Erst- und Wiederholungsprüfungen für alle Fahrerlaubnisklassen ohne Mofa-Prüfungen. „Immer mehr Fahrschüler:innen versuchen, sich ihre Prüfung auf illegale Weise zu erschleichen“, sagt Goebelt. „Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch weitaus größer ist.“ Ein Drittel der Täuschungsversuche sind so genannte Stellvertreterprüfungen, bei denen anstelle des Fahrschülers eine andere Person bei der Prüfung antritt (33 Prozent). Aber auch technische Geräte wie Smartphones, Kopfhörer oder Kameras werden beim Täuschen verwendet: In 30 Prozent der Täuschungsfälle wurden technische Hilfsmittel eingesetzt. Bei 31 Prozent der versuchten Täuschungen wurden andere unerlaubte Hilfsmittel wie klassische Spickzettel verwendet. Weitere 5,5 Prozent der Fälle sind sonstige Täuschungsversuche.
Ein ernstes Problem für die Prüfstellen ist, dass auch die Gewaltbereitschaft bei Täuschungsversuchen steigt: In 58 Fällen sind Prüfer:innen verbal oder körperlich bedroht worden. Das sind 28 Fälle mehr als im Vorjahreszeitraum, ein Plus von 81 Prozent. Bei 38 aufgedeckten Täuschungsversuchen sind die Prüfer:innen verbal angegriffen und in 20 Fällen ist ihnen sogar körperliche Gewalt angedroht worden. „Verbale oder sogar körperliche Gewalt bei aufgedeckten Betrugsversuchen ist absolut inakzeptabel“, sagt Goebelt. Bei 337 erkannten Täuschungsversuchen haben die Prüforganisationen die Polizei alarmiert.
Bisher müssen die Täter:innen aber kaum mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. „Wer bei der Fahrprüfung betrügt, ist eine potenzielle Gefahr für die Verkehrssicherheit“, sagt Goebelt. „Die zuständigen Fahrerlaubnisbehörden sollten den rechtlichen Rahmen ausschöpfen und eine Sperrfrist bis zur nächsten Prüfung von bis zu neun Monaten verhängen. Das ist längst nicht überall gängige Praxis.“ Eine abschreckende Wirkung dieser erst seit dem vergangenen Jahr geltenden Sanktionsmöglichkeit sei derzeit nicht zu erkennen. Auch eine Überprüfung der grundsätzlichen Fahreignung mit Hilfe einer MPU komme bei Täuschungsversuchen in Betracht.
Hohe Zufriedenheit mit dem Prüfungssystem
Laut einer Umfrage zur Kundenzufriedenheit mit der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung des Instituts für Prävention und Verkehrssicherheit (IPV) sind 83 Prozent der Fahrschüler:innen und 85 Prozent der Fahrlehrer:innen mit der praktischen Prüfung zufrieden. Bei den Fahrlehrer:innen liegt die höchste Zufriedenheit bei der Verständlichkeit der Fahranweisungen (91 Prozent), der Freundlichkeit der Prüfer:innen (91 Prozent) und dem Einführungsgespräch (90 Prozent). Die Fahrschüler:innen sind vor allem mit der Erreichbarkeit des Abfahrtorts (94 Prozent), der Verständlichkeit der Fahranweisungen (91 Prozent) und dem Einführungsgespräch (90 Prozent) zufrieden oder sehr zufrieden. „Die praktische Fahrprüfung wurde in den vergangenen Jahren modernisiert und interaktiver gestaltet. Das kommt bei den Fahrschüler:innen und Fahrlehrer:innen sehr gut an“, sagt Goebelt. „Trotz der herausfordernden Prüfungssituation gibt es eine hohe Zufriedenheit mit den Prüfungen.“
Die Zahlen zeigen: Deutschland profitiert weiterhin von unabhängigen Prüfstellen für die Fahrerlaubnisprüfung. Ziel ist die Verkehrssicherheit und nicht der gewinnorientierte Wettbewerb um den einfachsten Führerschein. „Die Fahrerlaubnisprüfung ist eine hoheitliche Aufgabe. Die Länder machen Vorgaben zu einem flächendeckenden Angebot an Prüforten. So wird nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land ein breites Angebot an Fahrerlaubnisprüfungen gesichert“, sagt Goebelt. Das System habe sich als robust und unbestechlich erwiesen und sichere eine hohe Qualität. Dies werde durch regelmäßige Audits der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bestätigt. Goebelt: „Die unabhängige Feststellung des Prüfungsergebnisses und ein hohes Qualitätsniveau tragen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Sinne der ‚Vision Zero‘ bei.“
Methodik-Hinweis: Daten zu den Fahrerlaubnisprüfungen erhebt die TÜV | DEKRA arge tp 21 GbR. Der Bericht zur Kundenzufriedenheit mit der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung wurde vom Institut für Prävention und Verkehrssicherheit (IPV GmbH) erstellt. Dafür wurden 3.948 Fahrerlaubnisbewerber:innen und 1.318 Fahrlehrer:innen befragt.