Der VDR hält diesen Schritt ab 2011 für verkehrspolitisch und ökologisch sinnvoll.
Am 11. August 2007 ist die Nordsee zur weltweit zweiten „Sulphur Emission Control Area“(SECA) erklärt worden. Die Ostsee hatte diesen Status ein Jahr zuvor erlangt. Alle Seeschiffe dürfen nach heutigen Bestimmungen in diesen Zonen Treibstoff mit einem Schwefelanteil von höchstens 1,5% verwenden (weltweit: 4,5%).
Dank der Bestimmungen des Meeresumweltschutzvertrages (MARPOL Annex VI) mit der Senkung des maximalen Schwefelgehalts von Bunkeröl auf weniger als 1,5% in SECAs konnten die Emissionen von SO2 bereits um 44% verringert werden. Mit einer weiteren Senkung des maximalen Schwefelgehalts von Bunkeröl auf 1% würden die SO2-Emissionen in einer Größenordnung von ca. 60% sinken. Damit würden auch die Emissionen von Partikeln um 19% reduziert.
Bereits beschlossene Maßnahmen reduzieren die Schwelemissionen darüber hinaus: Ab 1.Januar 2010 muss während der Liegezeiten in europäischen Häfen nach der EG-Richtlinie 2005/33 Treibstoff eingesetzt werden, dessen Schwefelgehalt einen maximalen Wert von 0,1% nicht überschreiten darf. Insbesondere die Emissionsbilanz der Fähr- und Feederschifffahrt mit ihren häufigen Hafenanläufen wird hierdurch in Zukunft noch besser werden. Eine weitere Verbesserung ist dann zu erwarten, wenn Landstromanschlüsse sinnvoll genutzt werden können.
Auch alternative Maßnahmen zur Senkung der Emissionen von Schiffsmaschinen können die Ökobilanz weiter verbessern: Katalysatoren, SO2-Wäscher oder Erdgas als Brennstoff.
Nicht zuletzt können auch die Verlader Einfluss auf die Anwendung emissionssenkender Maßnahmen nehmen, wenn sie bereit sind, ihre Unternehmenspolitik noch stärker ökologisch auszurichten und die Kosten dafür zu tragen.
Eine weitergehende Absenkung des Schwefelgehalts im Bunkeröl würde die Verwendung von Destillaten erforderlich machen, die mindestens doppelt so teuer sein werden. Eine solch drastische Erhöhung der Betriebskosten müssten die Fähr- und Feederreedereien an ihre Kunden weitergeben. Die unausweichliche Folge wäre eine Verlagerung auf landgestützte Verkehrsträger.
Der VDR plädiert daher dafür, die umweltschützenden Maßnahmen in einer ökologischen Gesamtbilanz zu bewerten und die Seeschifffahrt nicht isoliert zu betrachten.
Zum Hintergrund:
Der innereuropäische Gütertransport aller Verkehrsträger umfasste 2005 eine Verkehrsleistung von 3.903 Mrd. tkm. Die EU geht in ihrem Verkehrsweißbuch davon aus, dass der Güterverkehr im Zeitraum 2000/2020 um ca. 50% wachsen wird, wobei der Kurzstreckenseeverkehr mit insgesamt 60% wesentlich stärker zulegen wird.
Der Anteil der Seeschifffahrt an der Beförderungsleistung von Gütern im innereuropäischen Verkehr beträgt aktuell ca. 40%. Der innereuropäische Seeverkehr ist in den letzten zehn Jahren mit 35% überdurchschnittlich gewachsen. Es, ist davon auszugehen, dass auch in den nächsten Jahren die Fähr- und Feederverkehre weiter überdurchschnittlich wachsen werden.
Die Seeschifffahrt ist schon heute unbestritten der leistungsfähigste und insgesamt umweltfreundlichste Verkehrsträger. Deshalb hat sie eine besondere Rolle bei der Bewältigung der innereuropäischen Verkehrsprobleme. Die seit Jahren verfolgte Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaft setzt mit ihrem Programm „From Road to Sea“ konsequent auf die Schifffahrt.
Die Wiedervereinigung Deutschlands und die Osterweiterung Europas haben den deutschen Seehäfen wieder den Zugang zu ihrem natürlichen Hinterland in Ost- und Südosteuropa eröffnet. Schon heute reicht die Infrastruktur an Land nicht mehr aus, um die Landverkehre von und zu den deutschen Seehäfen optimal zu bewältigen. Da auch die zum Ausbau dieser Infrastruktur zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel begrenzt sind, ist die Nutzung von Zubringerverkehren über See von gesteigertem Interesse. Jeder zusätzliche Verkehr an Land verschlechtert die Emissionsbilanz der Landverkehrsträger verschlechtern. Diese entfernen sich infolge des dichter werdenden Verkehrs immer weiter von ihrer optimalen Durchlaufgeschwindigkeit und ihren minimalen Emissionen, während die Seeschifffahrt ihre optimale Leistungsfähigkeit in jeder Beziehung vorzeigen kann.
Daher ist eine Erweiterung des innergemeinschaftlichen Seeverkehrs verkehrspolitisch notwendig und geeignet ist, die Verkehrsprobleme an Land zu entschärfen.
MARPOL Annex VI hat selbst das unumstrittene Ziel, vor allem die Atmosphäre, die Pedosphäre, die Biosphäre und die Kryoshäre von schädlichen Emissionen aus Schiffsmaschinen zu entlasten, wobei Schwefeldioxyd, Stickoxyde und Partikel im Vordergrund stehen, nicht die Treibhausgase wie vor allem Kohlendioxyd. Diese Verbindungen und Stoffe haben ihre schädliche Auswirkung vorwiegend in der Nähe von Land, nicht auf Hoher See. Mit dem Instrument der SECA ermöglicht es deshalb MARPOL Annex VI schon in seiner bestehenden, am 19. Mai 2005 in Kraft getretenen Fassung, geringere Grenzwerte für als besonders schützenswert erachtete Gebiete zu setzen. Mit der Revision von MARPOL Annex VI wird angestrebt, unter anderem die Grenzwerte für die SECAs noch einmal zu senken.
Eine Revision von MARPOL Annex VI ist nur sinnvoll, wenn die Emissionsbilanz des Verkehrs insgesamt verbessert wird.
Vor einer weiteren Senkung der Grenzwerte für die Fähr- und Feederschifffahrt muss besonders geprüft werden, ob sie die Gesamtbilanz der Emissionen wirklich verbessern.
Eine Verbesserung der Emissionsbilanz der Seeschifffahrt wäre kontraproduktiv, wenn die davon zu erwartende Verteuerung des Schiffstreibstoffs und der Beförderungspreise nur eine Verlagerung des Verkehrs auf Landverkehrsträger zur Folge hätte, deren Emissionsbilanz für dieselben Beförderungen schlechter wäre.
Anders als die interkontinentale Schifffahrt, die ohne jeden Wettbewerb von Landverkehrsträgern über 90% des Weltgüterverkehrs abwickelt, steht die Seeschifffahrt im innergemeinschaftlichen Verkehr mit Straße und der Schiene im Wettbewerb. Während es möglich erscheint, die Emissionsbilanz des interkontinentalen Seeverkehrs absolut zuziehen und zu verbessern, kann dies im innergemeinschaftlichen Seeverkehr nur relativ geschehen. Es kommt nicht allein auf eine noch mögliche Senkung von Emissionen in der Schifffahrt an, sondern auf das Ergebnis, das in den betroffenen Verkehren unter Berücksichtigung von Verkehrsverlagerungseffekten insgesamt erzielt werden kann.
Eine Erhöhung der Bunkerkosten für Fähr- und Feederverkehre führt zu einem Wettbewerbsnachteil der Seeschifffahrt, der zu einem Umdirigieren von Beförderungen über Landstrecken führen muss. Scandlines rechnet damit, bei einer Erhöhung der Bunkerkosten um 80% ca. 30% seines Ladungsvolumens an den Straßenverkehr zu verlieren.
Die europäischen Fähr- und Feederverkehre operieren im Wesentlichen in der Nord- und Ostsee, also – nach der beabsichtigten Revision von MARPOL Annex VI – in den beiden nordeuropäischen SECAs. Falls auch die Biscaya, das Mittelmeer und das Schwarze Meer noch zu SECAs erklärt werden sollten, wäre praktisch der gesamte innergemeinschaftliche Seeverkehr von den schärfsten globalen Regeln erfasst.
Die deutschen Fähr- und Feederreedereien fahren ihre Schiffe in der Ostsee bereits seit Frühjahr 2005 mit Schweröl, das einen Schwefelanteil von weniger als 1,5% hat, also mehr als zwei Drittel unter dem für die interkontinentale Schifffahrt zulässigen Grenzwert von 4,5%. Schon jetzt ist dieses Bunkeröl teurer als höherschwefeliger Treibstoff und stellt eine erhebliche Belastung für die in den SECAs operierenden Reeder dar. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Preis dafür nach Inkrafttreten der SECA Nordsee am 11.August 2007 noch weiter steigen wird.
Die IMO konzentriert die Revision von MARPOL Annex VI auf eine weitere Senkung des Schwefelgehalts von Bunkeröl, denn die Maschinen von Seeschiffen emittieren bezogen auf die Beförderungsleistung mehr SO2 als die Antriebsmaschinen anderer Verkehrsmittel.
Bei Verwendung von Bunkeröl mit dem in SECAs zugelassenen maximalen Schwefelgehalt von 1,5% werden im Güterverkehr über See ca. 0,2 g/t x km SO2 emittiert, im Güterverkehr über die Straße dagegen ca. 0,009 g/t x km und über die Schiene ca. 0,04 g/t x km.