„Solche Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage“, so Wiesemann. Der Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen wird von vielen Faktoren wie z.B. Sorte (Genetik) und Reifegrad zum Zeitpunkt der Ernte oder den klimatischen Bedingungen, unter denen die Pflanze wächst, bestimmt. Außerdem spielen die Art und Weise der Lagerung, der Verarbeitung und die Zeitdauer zwischen Ernte und Verzehr bei der Beurteilung des Vitamin- und Mineralstoffgehaltes eine große Rolle. Schließlich sind Vitamine sowohl bei der menschlichen Ernährung als auch für die Aufrechterhaltung des Stoffwechsels der Pflanze von Bedeutung. Ein Mangel oder Fehlen an Vitaminen in der Pflanze würde auch deren Stoffwechsel beeinträchtigen oder zum Erliegen bringen. „Das bedeutet, dass die Pflanze dann ziemlich mickrig aussieht und dem Verbraucher kaum Genussfreuden bereiten würde“, ist sich Wiesemann sicher.
Grundsätzlich gibt es keinen begründeten Anlass, den Nährstoffreichtum des in Deutschland angebotenen Obstes und Gemüses anzuzweifeln und vorsorglich zu Vitamin- und Mineralstoffpräparaten zu greifen. Das reichhaltige Angebot an frischen, qualitativ guten Lebensmitteln übers ganze Jahr – egal aus welchem Anbau – macht es jedem gesunden Menschen möglich, sich gesund und vollwertig zu ernähren.
Mit der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel auf der Homepage eines Arztes sieht Anne-Katrin Wiesemann außerdem berufsrechtliche Vorschriften verletzt. Ärzte dürfen ihren Beruf grundsätzlich nicht zu gewerblichen Zwecken missbrauchen. „Ein Arzt soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren“, fordert Wiesemann. Unter Ausnutzung der Vertrauensstellung, die ein Arzt genießt, ist es nicht auszuschließen, dass ein Patient die Empfehlungen oder die Angebote von Produkten vom Arzt unkritischer betrachtet, als die vom werbenden Anbieter. Dieses Werbe– und Verkaufsverbot soll die Unabhängigkeit des Arztes von kommerziellen Interessen bewahren.
Der Arzt aus Görlitz hat sich zwischenzeitlich gegenüber der Verbraucherzentrale Sachsen außergerichtlich verpflichtet, u. a. solche Behauptungen und die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel auf seiner Homopage künftig zu unterlassen.