Schuld daran ist nicht zuletzt die technische Funktionsweise der Tauschbörsen. Um eine solche Tauschbörse nutzen zu können, muss man sich zunächst die dort ebenfalls angebotene Software auf seinem PC installieren. Die Software richtet im PC einen neuen Ordner ein, eine so genannte „In-Box“. Alle von der Tauschbörse herunter geladenen Dateien werden zwangsläufig in dieser In-Box gespeichert. Will sich nun ein Nutzer neue Titel von der Tauschbörse herunterladen, so öffnet sich für die Dauer des Download-Vorgangs unweigerlich seine „In-Box“, was zugleich zur Folge hat, dass er damit den anderen Börsennutzern die in seiner In-Box enthaltenen Titel zum Download anbietet. Genau das ist ja auch das Prinzip solcher Tauschbörsen. Die dort Aktiven offerieren sich gegenseitig ihr jeweiliges Musikrepertoire, wodurch ein vielfältiger und nahezu grenzenloser Musikpool entsteht. Die Nutzer werden jedoch bedingt durch diese Softwarekonstruktion zugleich zu Anbietern der in ihrer In-Box gespeicherten Titel.
Darin liegt zugleich die juristische Tücke. „Der bloße Vorgang des Herunterladens wäre strafrechtlich ohne Belang“, klärt Henschler auf. Dagegen ist ein Bereitstellen urheberrechtlich geschützter Werke für Dritte zum Download, wie es beim Herunterladen von Musiktiteln zwangsläufig geschieht, unter Strafe gestellt. Dies wiederum machen sich Anwälte, die im Auftrag der Rechteinhaber unterwegs sind, zunutze. Die zur IP-Adresse gehörigen Nutzerdaten dürfen die Internetprovider aus Datenschutzgründen nicht an Private herausgeben. Mit den mithilfe von Softwarespezialisten ermittelten IP-Adressen der Tauschbörsennutzer stellen die Anwälte deshalb Strafanzeige gegen „unbekannt“. Die Staatsanwaltschaft ist nun verpflichtet, beim jeweiligen Internetprovider die Nutzerdaten zur IP-Adresse zu ermitteln. Die Anwälte wiederum haben Anspruch auf Herausgabe dieser Daten. Schnell ist dann eine kostenpflichtige Abmahnung an den nichts ahnenden Verbraucher versandt. Allein im vergangenen halben Jahr verfolgte die Musikindustrie 25.000 deutsche Musikfans mit Strafanzeigen.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt den Nutzern, herunter geladene Dateien sofort aus der In-Box zu entfernen und an anderer Stelle zu speichern, um stets mit einem leeren Ordner online zu gehen und somit keine Titel zum Download bereit zu stellen. Ratsam ist außerdem, mittels einer Software-Funktion die „In-Box“ so einzurichten, dass der Zugriff Dritter auf sie nur nach Freigabe durch den PC-Nutzer und nicht etwa während jeder Online-Sitzung des PC möglich ist.
Die Verbraucherzentrale hat sich schließlich dafür eingesetzt, dass im anstehenden Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung von EU-Vorgaben eine Bagatellklausel in das deutsche Urhebergesetz eingeführt wird, nach der zumindest die Strafbarkeit in solchen Fällen gestrichen wird. Diesen Bemühungen zum Trotz hat das Parlament das neue Urhebergesetz nun ohne diese Klausel verabschiedet.