Arbeitnehmer sollten jedoch nicht ohne Weiteres, ohne trifftigen Grund um ein Zwischenzeugnis bitten. Die meisten Arbeitgeber würden sofort vermuten, dass man das Unternehmen verlassen will. Schnell sind Zweifel an der Zuverlässigkeit geschürt und Karrierewege in der alten Firma verbaut. Claudia Wanzke, Autorin des Buches "Das Arbeitszeugnis", das soeben im C.H.Beck Verlag erschienen ist, empfiehlt: "Nutzen Sie jede sich bietende Möglichkeit, um ein Zwischenzeugnis zu erbitten. Nur bei sofort einleuchtenden Gründen, wie zum Beispiel bei einem Vorgesetztenwechsel, wird Ihr Arbeitgeber Sie nicht im Verdacht haben, dass Sie dem Unternehmen untreu werden wollen." Die Mühle lohnt. Denn: Bei einer Bewerbung ist ein Zwischenzeugnis grundsätzlich von Vorteil. Nur so kann ein neuer Arbeitgeber die aktuellen Fähigkeiten und Leistungen eines Bewerbers wirklich nachlesen.
Auch wenn es bislang keine gesetzliche Verpflichtung gibt: Mittlerweile ist anerkannt, dass Sie auch während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis verlangen dürfen. Sie müssen jedoch ein berechtigtes Interesse vorweisen können. In der Praxis haben sich zahlreiche Fälle herausgebildet, die den Wunsch nach einem Zwischenzeugnis rechtfertigen können:
- Ihr Arbeitgeber hat Sie über eine bevorstehende Kündigung informiert. Sie brauchen ein Zeugnis, um sich neu bewerben zu können.
- Ihr direkter Vorgesetzter verlässt das Unternehmen oder wechselt innerhalb der Firma.
- Sie selbst wechseln den Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens oder werden befördert.
- Sie unterbrechen Ihr Arbeitsverhältnis aus einem anderen Grund, zum Beispiel aufgrund einer Kur, Elternzeit oder der Übernahme eines politischen Mandats.
- Es gibt Umstruktierungen in der Firma, die sich auf Ihren Arbeitsplatz auswirken können, oder dem Unternehmen droht Insolvenz.
"Ein Zwischenzeugnis, das man ohne Not und ohne konkrete Wechselgedanken bei Zeiten eingefordert hat, " sagt Zeugnisexpertin Claudia Wanzke, "ist auf jeden Fall besser, als unter Zeitdruck für eine Bewerbung oder ein Vorstellungsgespräch beim Vorgesetzten vorstellig zu werden." Außerdem sprechen weitere Gründe für ein rechtzeitiges Bemühen: "Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass Zwischenzeugnisse in der Regel sehr viel besser ausfallen als Endzeugnisse. Viele Arbeitgeber wollen ihre Mitarbeiter mit einem besonders wohlwollenden Zeugnis zu weiteren guten Leistungen anspornen oder dafür Sorge tragen, dass sie im Unternehmen bleiben." erklärt die Autorin. Und auch wenn der Arbeitgeber nicht an die Formulierungen im Zwischenzeugnis gebunden ist, eine starke Bindungswirkung wird man häufig annehmen können - besonders, wenn das Zwischenzeugnis nicht älter als ein oder zwei Jahre ist.
Claudia Wanzke, Das Arbeitszeugnis, Reihe "Beck kompakt", Verlag C.H.Beck, 128 Seiten, 6,80 Euro, ISBN: 978-3-406-57801-4