Die Hoffnungen vieler Patienten mit Diabetes sind auf Closed-Loop-(AID)-Systeme gerichtet, die eine automatisierte Insulintherapie und damit eine optimale Glukosekontrolle möglich machen. 2021 werden solche Systeme zunehmend Realität. Sie verwenden eine Insulinpumpe, ein Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) und einen Algorithmus zur (semi-)automatischen Steuerung der Glukose. Es gibt schon kommerzielle AID-Systeme, manche Patienten konstruieren aber auch selbst ein solches System.
Wie weit verbreitet sind diese Systeme schon? Zum dritten Mal in Folge wurden im Jahr 2020 diabetologisch tätige Ärzte für den Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes (D.U.T-Report) zur Digitalisierung und zur Anwendung neuer Technologien in der Diabetologie befragt. Die zusammenfassende Betrachtung der Umfrageergebnisse der letzten drei Jahre ermöglicht eine Abschätzung, die zeigt, dass sich im Zeitraum von 2018 bis 2020 nach Beobachtung der befragten Ärzte die Anzahl der Menschen mit Diabetes, die moderne Technologien in ihrer Therapie anwenden, mehr als verdoppelt hat, die Nutzung von Closed-Loop-Systemen hat von 2019 bis 2020 ebenfalls stark zugenommen (Hybrid-Closed-Loop: +167 Prozent, selbst gebautes Closed Loop: +100 Prozent). Mehr über die Nutzung neuer Technologien und die Einstellung der Ärzte zu digitalen Anwendungen und neuen Technologien können Sie hier nachlesen.
Veränderungen durch Closed-Loop-Systeme: Was sagen Ärzte und Beraterinnen?
„Welche Auswirkungen werden Closed-Loop-Systeme Ihrer Einschätzung nach in den nächsten 5 Jahren auf ihre Tätigkeit haben?“ Diese Frage wurde in der Umfrage für den D.U.T-Report 2021 nicht nur den 337 teilnehmenden diabetologisch tätigen Ärzten gestellt, sondern auch 574 Diabetesberaterinnen und -assistentinnen. Im Diagramm dargestellt wird der Anteil derer, die mit „Stimme eher zu“ oder „Stimme sehr zu“ geantwortet haben.
Fazit: Closed-Loop-(AID)-Systeme werden ab 2021 zunehmend klinische Realität. Relativ übereinstimmend glauben Ärzte und Diabetesberaterinnen/-assistentinnen, dass damit ein erhöhter Betreuungs-, Schulungs- und Zeitaufwand verbunden sein wird.
Dass das Diabetesteam wegen der AID-Systeme überflüssig werden könnte, befürchten weder die Ärzte noch die Diabetesberaterinnen/-assistentinnen. Auch dass die Therapie durch diese Systeme riskanter und der Betreuungsaufwand geringer sein wird, steht für alle drei Berufsgruppen am unteren Ende der Liste dessen, was sie an Auswirkungen der Nutzung von AID-Systemen auf ihre Tätigkeit erwarten.
Welche Bedeutung schreiben die Berufsgruppen AID-Systemen zu?
Gefragt, für wie bedeutsam die Befragten AID-Systeme aktuell und in 5 Jahren einschätzen, sagen über 50 Prozent der Ärzte, dass sie diese System schon heute für bedeutsam halten, dieser Anteil steigt auf über 85 Prozent, wenn es um die Zeit in 5 Jahren geht. Bei den Diabetesberaterinnen/-assistentinnen ist das Ergebnis noch deutlicher: Fast 60 Prozent halten die AID-Systeme jetzt schon für bedeutsam, dieser Anteil steigt auf über 90 Prozent, wenn es um die Einschätzung der Bedeutsamkeit in 5 Jahren geht.
Systeme zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID) – wie ist der Stand der Dinge?
Spiegelt sich die Einschätzung der Bedeutsamkeit von AID-Systemen auch in der technischen Entwicklung und Verfügbarkeit solcher Systeme wieder? In ihrem gemeinsamen Beitrag beschreiben Dr. Katharina Braune und Prof. Dr. Lutz Heinemann (Innovationen im Bereich Digitalisierung/Diabetestechnologie) Gegenwart und Zukunft: Derzeit gebe es erste kommerzielle AID-Systeme und daneben eine „Looper“-Community von Menschen mit Diabetes, die sich AID-Systeme selbst erstellen. „Eine Reihe von weiteren Hybrid- und Full-Closed-Loop- bzw. AID-Systemen ist kürzlich zugelassen worden bzw. in der Entwicklung und wird voraussichtlich in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. (…) Wann und ob ,bihormonelle‘ Systeme auf den Markt kommen, ist noch unklar. Bei diesen AID-Systemen wird nicht nur Insulin infundiert, sondern auch Glukagon. Durch Gabe dieses ,Gegenspielers‘ von Insulin kann bei Gabe von zu hohen Insulindosen oder zu niedrigen Glukosewerten eine drohende Hypoglykämie verhindert werden. Es sind nun auch die ersten stabilen und zur subkutanen Applikation durch Pumpen geeigneten Glukagon-Formulierungen verfügbar.“
Die Umfrage
Zum dritten Mal nach 2018 und 2019 zeigt eine wissenschaftlich geleitete Umfrage, inwieweit digitale Anwendungen in Deutschland schon in der klinischen Praxis genutzt werden und wie Diabetologen gegenüber der Digitalisierung eingestellt sind. In diesem Jahr haben 337 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen, die diabetologisch tätig sind. Durchgeführt wurde die Befragung vom Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Bad Mergentheim (FIDAM) in Zusammenarbeit mit dem zukunftsboard digitalisierung der Berlin-Chemie AG und mit Unterstützung des Bundesverbandes Niedergelassener Diabetologen (BVND), des Verbandes der niedergelassenen Diabetologen Niedersachsens (VNDN), des Bundesverbandes Klinischer Diabetes-Einrichtungen (BVKD) und des Wissenschaftlichen Instituts der niedergelassenen Diabetologen (winDiab).
2020 wurden zudem Diabetesberaterinnen und -assistentinnen nach ihrer Sicht auf neue Technologien und die digitalen Möglichkeiten der Diabetestherapie gefragt. 574 Mitglieder dieser Berufsgruppen haben an der Umfrage teilgenommen – davon sind 67,1 % Diabetesberaterinnen DDG und 13,1 % Diabetesassistentinnen DDG; 18,1 % haben sowohl die Ausbildung zur Beraterin als auch zur Assistentin absolviert. Insgesamt haben fast alle Befragten (98,3 %) eine abgeschlossene Weiterbildung. Diese Umfrage wurde unterstützt vom Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).
Die Ergebnisse sowohl der Ärzte- als auch Umfrage unter Beraterinnen/Assistentinnen sowie weiterführende Artikel wurden im D.U.T-Report veröffentlicht; dieser ist abrufbar unter dut-report.de.
Der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes
In diesem Report beschreiben die Autoren die wichtigsten Fakten und Entwicklungstrends zu verschiedenen Aspekten der Digitalisierung und Technologisierung in der Diabetologie. Durch die Beiträge wird deutlich, auf wie vielen und unterschiedlichen Ebenen Digitalisierung und Technologie mittlerweile in die Diabetestherapie eingreifen. Die Artikel sollen helfen, praxistaugliche Lösungen zu finden, die künftig zu einer modernen und patientenorientierten Diabetologie gehören können. Zudem ist die eingehende Analyse der Umfrageergebnisse ein Teil des D.U.T-Reports.
Der Report erscheint im Kirchheim-Verlag, die Herausgeber sind Prof. Dr. Bernhard Kulzer und Prof. Dr. Lutz Heinemann. Unterstützt wird der D.U.T-Report von der Berlin-Chemie AG mit seinem zukunftsboard digitalisierung (zd), mit dem das Unternehmen zusammen mit führenden Experten den Digitalisierungsprozess in der Diabetologie in Deutschland aktiv vorantreibt.
Vertreter des zehnköpfigen Zukunftsboards Digitalisierung bilden zudem die Jury für den bytes4diabetes-Award.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Pressemitteilung wie auch im D.U.T-Report oftmals die männliche Sprachform verwendet. Dies soll keine Benachteiligung anderer Geschlechter implizieren, sondern im Sinne der sprachlichen Vereinfachung geschlechtsneutral verstanden werden.