Anlass der Ferngespräche ist eine öffentliche Vorführung des Kluge-Films nachrichten aus der ideologischen antike. marx – eisenstein – das kapital (Länge: 9 ½ Std.) in Peking 2012. In diesem Rahmen führte Kluge ein Livegespräch über Internet mit dem Philosophen Wang Hui (dem »chinesischen Habermas«) über Marx und seine heutige Bedeutung. Dabei waren in Peking 600 Menschen anwesend.
Rainer Stollmann, der Bremer Kulturwissenschaftler, hat schon 2001 und 2005 Gesprächsbände mit Kluge veröffentlicht. Stollmann befragt ihn in dem neuen Band zu dem eisenstein-marx-Film und zur Kluge-Veröffentlichung Das Labyrinth der zärtlichen Kraft. 166 Liebesgeschichten (2009).
Das sind zwei sehr unterschiedliche Stoffe. Sergej Eisenstein wollte nach panzerkreuzer potemkin (1925) und oktober (1927) Marx‘ Kapital verfilmen. Am 30. November 1929 ließ er sich von James Joyce in Paris die literarische Methode von Ulysses erklären. Er plante, in der Weise von Joyce einen Tag im Leben eines proletarischen Ehepaars zu erzählen. Dabei sollte die globale Warenproduktion gezeigt werden (woher kommt der Reis, den sie essen, die Seidenstrümpfe, die der Frau gefallen?), wie sie im Alltagsleben der beiden erscheint. Wäre dieser Film, zu dem uns ca. 60 Seiten Notate überliefert sind, zustande gekommen, so hätte man nach Kluge / Stollmann nicht nur einen bedeutenden Versuch zum Verhältnis von subjektiv-objektiv vorliegen, sondern vermutlich auch ein anderes Eisenstein-Bild. Denn er entwickelte zu der Frage, wie man Das Kapital verfilmen kann, eine völlig neue Montagetheorie der »visuellen Konstellationen«.
Rainer Stollmann und Alexander Kluge: Ferngespräche über Eisenstein, Marx, das Kapital, die Liebe und die Macht der zärtlichen Kraft
Verlag Vorwerk 8, Berlin 2016
192 Seiten, zahlr. Abb.
€ 19,00 ǀ 29,80 SFr
isbn 978-3-940384-76-8
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