Auf dem Turm und in dem mächtigen Dachstuhl der Kirche spielt die Geschichte des Türmers, der sein Leben durch die NS-Zeit hindurch rettet, und auch die des Mädchens, das ihr Leben wegwerfen will. Am Beginn des Buches jedenfalls...
Unsere Buchpremiere fand in einem mit 280 Personen sehr gut gefüllten Saal statt. Neben den Honoratioren der Stadt waren viele Jugendliche dabei, die den Roman im Rahmen eines Fahnenleseprojekts bereits bearbeitet haben. Die Höhepunkte der Veranstaltung waren die ausgewogene, berührende Laudatio von Professor Dr. Barbara Staudigl (Katholische Universität Eichstätt) - einer Krauß-Kennerin -, die harmonische Begleitmusik von Stephanie Krauß an der Viola und eine perfekte Lesung unserer an diesem Abend strahlenden Autorin Irma Krauß.
Die Buchhandlung Lehmann hat den Anlass in der Vorbereitung und am Tage selbst hervorragend begleitet. Das bestechend schöne Schaufenster ist zu nennen und - natürlich - die Berge von Büchern, die am Abend verkauft und signiert wurden.
In Irma Krauß´ Werk "Das Wolkenzimmer" wird ein schwieriges Stück deutscher Geschichte erschlossen. Der Schlüssel zur Geschichte sind keine Fakten, die gewusst, aber nicht gespürt werden. Es ist die Sensibilität des Mädchens Veronika, das bereit ist, der Spur des Türmers Mr. James nachzugehen, das bereit ist, die Angst des kleinen Jascha im Versteck des Turmes nachzuspüren. Geschichtliche Fakten werden eingestreut, doch erst dort, wo Veronika dem Leser den Weg bereitet hat, wo der Alltag des kleinen Jascha und des einarmigen Türmers bereits aufgeschlossen und sensibel gemacht haben dafür, was den Eltern von Jascha, den vielen anderen Juden widerfahren war.
Irma Krauß´ neuestes Werk lässt auf vorsichtige und behutsame Weise Raum für die Wahrheit der Geschichte, erzwingt aber keine schonungslose Auseinandersetzung mit ihr. Dabei glaube ich nicht, dass wir unseren Kindern Fakten ersparen dürfen. Doch mir wäre wohler, wenn sie das Buch "Das Wolkenzimmer" vorher lesen würden, wenn sie mit Veronika lernen würden, dem Unbehagen beim Stichwort "Wannsee-Konferenz" zuerst ein Gesicht und erst danach die Zahlen der ermordeten Juden zuzuordnen; wenn sie zuerst mit dem kleinen Jascha die Ängste auf dem Dachgebälk der Kirche durchleiden, ehe sie erfahren, wie viele Juden in den Gaskammern zu Tode kamen.
"Das Wolkenzimmer" ist ein wertvolles Geschenk an unsere Kinder, deren Eltern und Großeltern ihren Nachkommen dieses schwere Stück Vergangenheit nicht mehr schenken können. Dass es im Monat September mit dem Preis "Luchs" der "Zeit" bedacht wurde, macht mich sehr froh. Und es nährt die Hoffnung, dass das Geschenk, das Irma Krauß uns mit diesem Buch macht, ankommt bei den Menschen, für die sie es geschrieben hat. Im Buch "Das Wolkenzimmer" sagt der Türmer zu Veronika: "Bleib mit deiner Neigung, dich zuzwenden." Darf ich, liebe Frau Krauß, Ihnen Ihre eigenen Worte zurückgeben mit der Bitte: Bleiben Sie mit Ihrer Neigung, sich zuzuwenden!"