Blau ist bei den Mitarbeitern des Weltbildverlages (s. Kasten) der eindeutige Favorit. Zumindest gilt dies bezüglich der verschieden farbigen "Blickfangleuchten", an denen sich die Kommissionierer an den 66 Put-to-Light-Arbeitsplätzen des Augsburger Unternehmens orientieren.
Fehlerquote halbiert
Put-to-Light (PtL) ist ein Kommissionier-Verfahren, mit dem große Warenmengen lichtgeführt und nahezu fehlerfrei auf viele kleine Versandeinheiten beziehungsweise Filialen verteilt werden können. Bei PtL werden keine Auftrags- oder Kommissionierpapiere mitgeführt, so dass sich die Mitarbeiter auf die Pick-Tätigkeit konzentrieren können. Sie haben beide Hände frei und verlieren keine Zeit für das Suchen von Auftragspositionen oder das Lesen und Abhaken von Belegen.
Put-to-Light ist verwandt mit dem Pick-by-light-Prinzip, bei dem Waren entnommen statt abgelegt werden. Die Verlagsgruppe Weltbild arbeitet bereits seit zwei Jahren erfolgreich mit dieser Methode und hat die Lösung seitdem sukzessive ausgebaut. Im Oktober 2007 wurde in Zusammenarbeit mit dem Systemlieferanten - der KBS Industrieelektronik aus Freiburg - die vierte und vorerst letzte Kommissionierzone umgestellt.
"Durch Put-to-Light haben wir unsere ohnehin niedrige Fehlerquote in der Kommissionierung nochmals halbiert", stellt Projektleiter David Bassl fest. Ein weiterer Effekt sei die spürbar gestiegene Produktivität der Kommissionierer, die sich jetzt wesentlich besser auf ihre eigentliche Tätigkeit konzentrieren können. "Die lichtgeführte Methode ist so sicher, dass wir auf die zuvor praktizierte Vollkontrolle jedes einzelnen Auftrags verzichten können", berichtet Bassl.
Dahinter steckt ein sehr mitarbeiter- und kundenorientiertes Verfahren: Jeder Lagerarbeiter wird Schritt für Schritt geführt, bis der Kommissionierauftrag vollständig erledigt ist. Zu Beginn wird an den 66 Sortierstationen ein leerer Sortierwagen hinter ein Gestell geschoben, an dem sich elektronische Anzeigemodule mit Digitalanzeigen, Quittier-Tasten und den Blickfangleuchten befinden. "Das hat den Vorteil, dass nicht jeder der Sortierwagen - und davon haben wir mehrere hundert Stück - eigene Anzeigemodule braucht. So konnten wir die Investitionskosten erheblich senken", erläutert Bassl.
Flexibel ausgelegt
Jedes Anzeigemodul ist direkt an dem zugehörigen Sortierfach angebracht - Verwechslungen sind dadurch ausgeschlossen. Die Kommissionierer entnehmen die einzelnen Auftragspositionen zunächst aus einem bereitstehenden Materialbehälter. Alle Produkte - wie zum Beispiel Bücher, CDs oder Elektronik-Artikel - sind mit einem Barcode versehen, der durch einen stationären Scanner gelesen und so den einzelnen Aufträgen zugeordnet werden kann. Die Zuordnung erfolgt über einen Rechner, der die Auftragsdaten aus einer Datenbank liest, Kommissions-Bestätigungen in die Datenbank schreibt und die Interaktion zwischen der PtL-Anlage und dem Mitarbeiter steuert. Sofort nachdem Ware und Auftrag miteinander verbunden wurden, leuchtet das Anzeigemodul am entsprechenden Sortierfach auf und die Digitalanzeige zeigt die zu kommissionierende Stückzahl. "Zwischen dem Scannen und dem Aufleuchten der Anzeige vergehen nur etwa 350 Millisekunden", ergänzt Bassl. Der Bearbeiter legt daraufhin die angezeigte Menge in das jeweilige Fach und quittiert an der Fachanzeige.
"Das KBS-System ist dabei sehr flexibel ausgelegt, so dass wir je nach Produktart und ?wert verschiedene Betriebsarten wählen können", erklärt Bassl. Ist ein Materialbehälter zum Beispiel "bis zum Rand mit dem siebten Harry-Potter-Band bestückt", dann leuchten an der jeweiligen Sortierstation sämtliche Anzeigemodule. "Durch diesen Betriebsmodus muss der Lagerarbeiter das Buch nur einmal scannen und spart Zeit", so Bassl. Falls es sich statt Harry-Potter jedoch um hochwertige Nokia-Handys handelt, wird der normale Betriebsmodus gewählt. "Das hängt damit zusammen, dass sich die Verpackungen der unterschiedlichen Handy-Modelle kaum unterscheiden. Durch das Scannen jedes einzelnen Pakets können wir Fehler vermeiden", erklärt Bassl. Die Kommissionierer müssen sich über die erforderliche Betriebsart keine Gedanken machen und können sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren. Die Umstellung der jeweils sinnvollen Betriebsart wird durch die EDV gesteuert.
Zwischen CD und Drucker
Im jetzt in Betrieb genommenen vierten PtL-Kommissionierbereich werden Sendungen zusammengestellt, die für die eigenen Filialen bestimmt sind. Die hier eingesetzten Sortierwagen haben 12 Fächer und nehmen somit die Bestellungen für 12 Filialen auf. Die Aufträge haben durchschnittlich 10 bis 15 Positionen, die von verschiedenen Endkunden ausgelöst, aber nicht direkt an deren Adresse ausgeliefert werden. Durch das Abholen in der Filiale sparen die Kunden Portokosten, die Weltbild sonst mit 3,95 Euro pro Sendung in Rechnung stellt. Sobald die Ware in der Filiale eintrifft, wird der Kunde per E-Mail informiert.
Die erste Kommissionierzone, die Bassl vor zwei Jahren auf PtL umgestellt hatte, konzentriert sich hingegen auf Kleinstaufträge mit durchschnittlich zwei Lieferschein-Positionen. In diesem Fall gehen die Pakete direkt an die Endkunden. "Hier werden 30 Prozent aller Kundenbestellungen abgewickelt", erläutert Bassl.
Nach den sehr guten Erfahrungen mit PtL ließ der zweite Projektabschnitt nicht lange auf sich warten. Seit zwei Jahren werden bei Weltbild auch größere Aufträge mit Lagerware und Cross-Docking-Produkten mit einer KBS-Anlage kommissioniert. "Diese Sendungen bestehen durchschnittlich aus vier bis fünf Positionen und gehen direkt an den Endkunden", erklärt Bassl.
Im vergangenen Jahr installierte KBS ein weiteres Put-to-Light-System, mit dem große Artikel kommissioniert werden. "Damit versenden wir Produkte wie zum Beispiel Inkjet-Drucker, die unser Sortiment ergänzen", so Bassl.
Vier Leuchtfarben zur Wahl
Die eingangs erwähnte Möglichkeit, jede Blickfangleuchte in vier verschiedenen Farben erstrahlen zu lassen, ist keine Spielerei. Vielmehr ermöglicht diese Eigenschaft - zur Wahl stehen die Farben blau, rot, grün und gelb - eine maximale Flexibilität der Arbeitsabläufe. Mehrere Aufträge können so parallel bearbeitet werden, indem jedem Auftrag eine Signalfarbe zugeordnet wird. Genauso gut können mehrere Mitarbeiter an einem Auftrag in einer Zone, oder ein Mitarbeiter zugleich in mehrere Zonen arbeiten. Bei Weltbild wird diese Flexibilität aber nicht gefordert, so dass die Mitarbeiter in "ihren" Kommissionierzonen die Farbe frei wählen können.
Ebenso wie die Farben sorgt die so genannte "Snap-In-Adaptierung" der elektronischen Anzeigemodule für planerische Freiheit. Die Module lassen sich auf ein fest installiertes Trägerprofil aufschnappen und werden über eine Kontaktleiste mit Energie und Signalen versorgt. Hauptvorteil dieser Konstruktion ist, dass die Anzeigeelemente bei Bedarf schnell und ohne Werkzeug an anderer Stelle platziert werden können. Durch diesen Aufbau bleibt Weltbild flexibel, denn schließlich kann sich die Struktur des Sortiments ständig ändern. Aus Schnelldrehern werden irgendwann Langsamdreher, die dann einer anderen Kommissionierzone zugeordnet werden müssen. Ebenso kann sich in jedem Kommissionierbereich die durchschnittliche Menge der Auftragspositionen ändern. "In diesen Fällen müssen wir nur die Zahl der Anzeigemodule anpassen", erklärt Bassl.
Speziell für Weltbild entwickelt
Apropos Anpassen: Die offenen Schnittstellen der verwendeten Software und die Erweiterbarkeit um zusätzliche Komponenten wie Barcodeleser, Waagen, Funkterminals sowie die Anbindung von automatischen Fördersystemen "machen die KBS-Lösung sehr zukunftssicher," so Bassl. Aus seiner Sicht spricht aber vor allem das hohe Engagement der Mitarbeiter für KBS: "Als wir vor zwei Jahren mit Put-to-Light begonnen haben, brauchten wir für die Kleinaufträge mit durchschnittlich zwei Positionen extrem schmale Sortierfächer", erinnert sich Bassl. Durch diese Anordnung müssen die Lagerarbeiter nur minimale Wegstrecken zurücklegen und schaffen höhere Pickleistungen. Außerdem können so mit jedem Sortierwagen möglichst viele Aufträge abgewickelt werden, was die "Rüstzeiten" reduziert. Diese Anforderungen ließen sich jedoch nur mit sehr schmalen Anzeigemodulen realisieren, die es am Markt nicht gab. KBS hat nicht nur die Module, sondern auch die entsprechenden Sortierwagen speziell für Weltbild entwickelt und gebaut.
KBS Industrieelektronik GmbH
Das 1981 als Ingenieurbüro für Industrieautomatisierung und Elektronikentwicklung gegründete deutsche Unternehmen ist Spezialist für die Entwicklung, Herstellung und Installation von kundenspezifischen Systemen zur beleglosen Kommissionierung.
Neben der Hardware (Lagerfachanzeigen, Steuerungsrechner, PickCart und Pick-By-Voice) werden auch komplette Softwarelösungen (MFR, SAP-Anbindung) angeboten. Jederzeit sind neben den vorhandenen Standard Baugruppen auch kundenspezifische Varianten schon bei kleinen Stückzahlen realisierbar. Neben Kommissionieranlagen mit wenigen Lagerfachanzeigen (< 500) wurden auch Projekte mit mehrere Tausend (> 13.000) Lagerfachanzeigen realisiert.
Heute kann KBS aufgrund der langen Erfahrung in Europa (Deutschland, Spanien, England, Schweden, Dänemark, Norwegen, Holland, Frankreich und Russland) sowie auch in Asien (Israel, Shanghai, Manila), in Südafrika und in Mexiko auf mehrere hundert erfolgreiche Installationen verweisen. Heute beschäftigt KBS rund 30 Mitarbeiter.