Im Vorfeld der Veranstaltung hatten die ostdeutschen Spitzenverbände der Städte und Gemeinden, die ostdeutschen Landesgruppen des Verbandes kommunaler Unternehmen und das VfkE ein Diskussionspapier erarbeitet. Sie weisen darin nach, dass wesentliche strukturelle Besonderheiten in den ostdeutschen Bundesländern von der Verordnung zur Anreizre-gulierung – sie ist seit dem 21. September 2007 in Kraft – nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das Fazit lautet: "Bei zentralen Punkten besteht schon kurz nach ihrer Verabschie-dung Änderungsbedarf, um erhebliche Nachteile von ostdeutschen Städten und deren Stadtwerken abzuwenden."
Im Ergebnis der Konferenz in Potsdam wird die Koordinierungsgruppe des "Verbundnetz für kommunale Energie das gemeinsame Diskussionspapier an die politischen Entscheidungsträger übermitteln.Darüber hinaus soll der Dialog mit der Politik intensiviert werden. Vorgesehen ist die regel-mäßige – mindestens einmal jährlich - Bestandsaufnahme der Ergebnisse der Regulierung aus ostdeutscher Sicht durch die am Thesenpapier beteiligten ostdeutschen Spitzenverbän-de der Städte und Gemeinden, die ostdeutschen Landesgruppen des VKU und das "Verbundnetz für kommunale Energie". Dabei sollen vor allem die Ergebnisse und Auswirkungen der Regulierung für die ostdeutschen Kommunen und deren Unternehmen analysiert werden. Zugleich wird man sich weiter dafür engagieren, die berechtigten Forderungen nach einer differenzierten, den ostdeutschen Realitäten Rechnung tragenden Regulierung durchzusetzen.
Anreizregulierung bringt höhere Kosten für Kommunalbetriebe
In seinem Redebeitrag bezeichnete es der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebun-des, Karl-Ludwig Böttcher, als eine Illusion, wenn Bundes- und Landespolitik den Bürgern vorgaukelten, dass die Netz- und die neue Anreizregulierung zu einer nennenswerten Ver-ringerung der Energiepreise führten. Es sei der falsche Weg, Versorgungssicherheit zu for-dern und gleichzeitig die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen für die Zukunft einzuschränken, kritisierte Böttcher und wies auf höhere Kostenbelastungen für die kommunalen Energieunternehmen und damit auch die Bürger hin.
Der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Verbandes kommunaler Unter-nehmen (VKU), Helmut Preuße, benannte erheblichen strukturelle Unterschiede zwischen kommunalen Energieversorgern in den alten und neuen Ländern. Im Osten seien die nicht beeinflussbaren Kosten deutlich höher, der Verbrauch in Relation dazu wesentlich niedriger. Aspekte seien der anhaltende Bevölkerungsrückgang, das weitgehende Fehlen großer In-dustriekunden und die Belastungen durch die Abschreibungen für die riesigen Investitionen nach der Wende. Dies sei in der bundesweit einheitlichen Verordnung zur Anreizregulierung nicht beachtet worden.
Dr. Dorothee Mühl vom Bundeswirtschaftsministerium argumentierte, dass sich ihr Haus im Verordnungsverfahren intensiv dafür eingesetzt habe, das gerade kleine wie mittlere Netzbetreiber nicht überfordert würden und genügend Spielraum für Investitionen bleibe.
Dr. Wolfgang Krüger, Staatsekretär im Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg, zeigte sich "überzeugt, dass mit der vorliegenden Verordnung zur Anreizregulierung ein nutzbringender Kompromiss gelungen ist zwischen den Interessen der Netzbetreiber einerseits, und dem Ziel einer preisgünstigen, effizienten und sicheren Gas- und Stromversorgung andererseits."Sein Kollege Thomas Pleye, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt ging auf die Meinungsunterschiede ein, die auch nach Inkrafttreten der Verordnung fortbestehen: "Die Thematik Regulierung und kommunale Energieversor-gung wird derzeit kontrovers diskutiert. Ich sehe deshalb in der heutigen Potsdamer Veran-staltung eine Gesprächsrunde auf höchstem Niveau, die das Spannungsfeld zwischen der Forderung nach vertretbaren Energiekosten und der Existenzsicherung für kommunale Un-ternehmen beleuchtet." Der Staatssekretär würdigte, dass es dem "Verbundnetz für kommu-nale Energie" einmal mehr gelungen sei, eine hochkarätige Veranstaltung zu organisieren.
Die Teilnehmer der Potsdamer Veranstaltung diskutierten auch Wege zur Erhöhung der Effizienz. Ein wichtiges Instrument dafür seien interkommunale Kooperationen sowie die Zusammenarbeit bei energienahen Dienstleistungen. Mit diesem Thema befasste sich auch Dr. Gerhard Holtmeier, Vorstandsmitglied der VNG – Verbundnetz Gas AG aus Leipzig. Er verwies darauf, das die VNG als einer der großen, unabhängigen und international tätigen Im-porteure von Erdgas - in Deutschland sei das Unternehmen damit Nr. 3 – gerade auch sei-nen kommunalen Kunden, in erster Linie seien das die Stadtwerke, Leistungen anbiete, die diese selbst nicht oder nur mit erheblichem Aufwand übernehmen könnten. Dies könne ein Beitrag zur Kostensenkung sein.
Weitgehende Übereinstimmung bestand dazu, dass die Politik bei ihren Rahmensetzungen nicht nur bei der Anreizregulierung, sondern auch in vielen anderen Bereichen, die strukturel-len Besonderheiten der neuen Länder nicht ausreichend berücksichtige.Die Anwendung des Prinzips "gleiches Recht für alle" führe beim Vorhandensein objektiver und qualitativer Unterschiede zu erheblichen Ungerechtigkeiten.
Anreizregulierung gefährdet Einnahmen der Kommunen
Die Verordnung zur Anreizregulierung führe bei vielen ostdeutschen kommunalen Unternehmen unverschuldet zu Ertragsminderungen. Allgemein anerkannte Vorleistungen bei Investitionen und der Steigerung der betrieblichen Effizienz würden nur unzureichend berücksichtigt.
Diese Ertragsminderungen, so stellte Hubert Handke, Bürgermeister der Stadt Bernau und Mitglied der Koordinierungsgruppe des "Verbundnetz für kommunale Energie" (VfkE) fest, hätten in Ostdeutschland nicht nur eine betriebswirtschaftliche, sondern auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Kommunale Haushalte in Ostdeutschland würden im Durchschnitt nur zu knapp 40 Prozent aus eigenen Einnahmen gespeist. Die Zahlungen der Länder – zum erheblichen Teil gespeist aus Transferleistungen - betrügen über 60 Prozent. In Westdeutschland sei der Eigenanteil der Kommunen am Haushalt mit durchschnittlich 70 Prozent fast doppelt so hoch. Bei den Steuereinnahmen sei es genau umgekehrt. Hier liege das Pro-Kopf-Aufkommen in Westdeutschland doppelt so hoch wie in den neuen Ländern.
Handke wies darauf hin, dass geringere Erträge die bereits jetzt ungenügende kommunale Haushaltsausstattung weiter verschlechtern würden. Da sich die externen Zuführungen z. B. im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II ebenfalls reduzieren würden, sei eine Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung absehbar.
Der Bürgermeister wies darauf hin, dass es immer wichtiger werde, die kommunalen Auffassungen zu bündeln, um auf die besondere Situation in Ostdeutschland aufmerksam zu machen. Für das Thema Anreizregulierung und die spezifischen Auswirkungen auf kommunale Energieversorger in Ostdeutschland sei es erfreulicherweise gelungen, die Standpunkte aller wichtigen Protagonisten auf kommunaler und kommunalwirtschaftlicher Ebene der neuen Länder in einem gemeinsamen Papier zu bündeln.Die Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, des Präsidenten der Bundesnetzagentur sowie von weiteren hochrangigen Vertretern des Bundes und der Länder bei der Veranstaltung zeige, dass es richtig sei, konzertiert auf spezifische Probleme gerade der Kommunen in Ostdeutschland hinzuweisen und man dabei auch Gehör finde, wertete Handke.