Fakt ist: Trotz einiger Fortschritte in der Bildungspolitik ziehen diverse Studien sowie Bildungs- und Jugendberichte die gleiche Bilanz und zementieren damit die bedrückende Gewissheit: Kinder und Jugendliche, die in sozial oder finanziell benachteiligten Verhältnissen aufwachsen, besitzen immer noch erheblich schlechtere Bildungschancen als jene, die in finanziell und sozial besser gestellten Familien groß werden. Obwohl sich seit dem ersten PISA-Schock bereits viel getan hat, befindet sich Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nach wie vor im Mittelfeld.
Das öffentliche Schulsystem scheint diesem Problem nur bedingt gewachsen zu sein. Oder fehlen vielleicht nur die richtigen Impulse? Wo gibt es möglicherweise Berührungspunkte zwischen innovativen Ansätzen aus der Zivilgesellschaft und Maßnahmen aus der Bildungsverwaltung, damit Schule für alle Kinder die Perspektive auf eine erfolgreiche Zukunft bieten kann? In der Debatte verteidigten Christian Obad, Vorstand der Initiative ‚Neues Lernen‘, Prof. Dr. Stephan Breidenbach, Mitgründer von ‚Schule im Aufbruch‘, sowie Sascha Wenzel, Geschäftsführer der Freudenberg Stiftung, auf der ‚Pro‘-Seite das staatliche Schulsystem. Sie argumentierten: Nicht das Schulsystem an sich oder der Rechtsrahmen behindern Innovationen und somit die Förderung von Bildungsgerechtigkeit, sondern vielmehr die Akteure des Systems. Bei über 35.000 Schulen in Deutschland sei es nicht Aufgabe, das System in Frage zu stellen, sondern das vorhandene Potenzial besser auszuschöpfen. Bildung, so betonten die Teilnehmenden, müsste weiter als Kernaufgabe des Staates verstanden werden. Es sei keine Lösung, diese auf freie Trägerschaften und kleinere Bildungsprojekte auszulagern.
Auf der ‚Contra‘-Seite hingegen befand sich Dr. Fiona Brunk, die als freier Träger eine Schule im Berliner Stadtteil Wedding gegründet hat. Als ‚Teach First-Fellow‘ deckte sie an einer Gesamtschule Bedarf nach einer individuellen Betreuung benachteiligter Jugendliche auf, die ihrer Meinung nach im Rahmen des ‚engen schulischen Korsetts in der Form nicht möglich ist‘. Unterstützt wurde sie dabei von Elias Barrasch, der in diesem Jahr das Education Innovation Lab gegründet hat sowie Erik Koszuta, ehemaliger Montessori-Schüler. Alle drei Teilnehmenden der Debatte waren sich einig darüber, dass die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern sowie die Freisetzung von Innovationskraft im statischen Bildungsapparat nur schwer möglich sind. Innovative Bildungsprojekte und freie Träger machen hingegen vor, wie Innovationen umzusetzen sind, indem sie bereits heute auf zukünftige Bedürfnisse im Bereich Bildung und Wissen eingehen.
Zum Abschluss der regen Diskussion fasste Professor Breitenbach nochmals zusammen: ‚Es braucht freie Schulen und innovative Bildungskonzepte, die vorweg gehen, die dem staatlichen System zeigen, wie es gehen ‚kann‘. Aber zum Schluss bleibt keine Alternative zum staatlichen Bildungsapparat.‘ So waren die Gräben zwischen Pro- und Contra-Seite am Ende gar nicht mehr so tief. Es bestand ein Konsens darüber, dass vorbildhafte Projekte an freien und staatlichen Schulen gelingen können, wenn Raum zum Ausprobieren, vielfältige Impulse für kreative Projekte, und Neugier auf neue Lehrmethoden unter den Lehrerinnen und Lehrern bestehen. Chancengerechtigkeit ist also nur bedingt eine Systemfrage, sondern eine, die alle angeht – Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, die Zivilgesellschaft, Bildungsverwaltungen und nicht zuletzt Schülerinnen und Schüler.
Über das Forum für Soziale Innovationen
Das Forum für Soziale Innovationen ist ein Zusammenschluss gemeinnütziger Organisationen, die ein gemeinsames Anliegen verbindet: die möglichst effektive und effiziente Lösung von sozialen Problemen in Deutschland. In regelmäßigen Abständen wird das Forum für Soziale Innovationen zu unterschiedlichen Themen ausgerichtet, um Innovationen im gemeinnützigen Sektor voranzutreiben, die relevanten Stakeholder miteinander zu vernetzen und aktuellen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.