Während der jüngsten Sitzung des Washingtoner Artenschutzabkommens im März 2010 in Katar wurden die EU-Staaten aufgefordert, sich bei der Abstimmung zum Schutz des Atlantischen Blauflossentunfischs wegen fehlender Einstimmigkeit zu enthalten. Dadurch konnte diese bedrohte Art nicht in die strengere Schutzkategorie gehoben werden.
Bei einem Treffen der IWC, ebenfalls im März, in Florida, USA, wurden die EU-Staaten gedrängt, nicht gegen einen dänischen Antrag zu stimmen, der vorsah, in Grönland die Buckelwaljagd zuzulassen, und sich im Falle fehlender Einstimmigkeit zu enthalten. Erneut argumentierten die juristischen Dienste des Rates und der Kommission damit, dass die EU einstimmig abstimmen müsse. Eine solche Einstimmigkeit ist bei Walfangfragen schwer denkbar, denn der Walschutzposition einiger Staaten im Sinne der EU-Gesetzgebung stehen die Pro-Walfangstaaten Dänemark und Schweden gegenüber. Außerdem ist Dänemark im gegebenen Fall Antragsteller.
In beiden Fällen wurden effektive Maßnahmen zum Schutz bedrohter Tierarten durch die Haltung der EU torpediert. Die Stimmenthaltung wurde mit dem "Grundsatz der Zusammenarbeit der Organe" gerechtfertigt, wie er in den EU-Verträgen festgeschrieben ist. Jedoch gab und gibt es dazu keine einzige schriftliche Ausführung der juristischen Dienste.
Das jetzt vorliegende Rechtsgutachten der Rechtsexpertenorganisation "Client Earth", in Zusammenarbeit mit der WDCS, stellt jedoch fest, dass es in Wahrheit keinerlei Rechtsgrundlage für ein solches Verhalten der Kommission und der Mitgliedsstaaten gibt.
"Eine Regel, die die EU-Mitgliedsstaaten zwingen würde, sich in internationalen Abkommen der Stimme zu enthalten, wenn eine Minderheit nicht mit der Mehrheit übereinstimmt, hat keinerlei Fundament in den EU-Gesetzen", sagt Sandy Luk, Verfasserin des Rechtsgutachtens.
EU-Enthaltung könnte Ende des Walfangverbotes bedeuten
Sollte die EU ihre Haltung nicht ändern, wird sie verantwortlich dafür sein, wenn im Juni beim kommenden Treffen der IWC, das Walfangmoratorium fällt. Eine einheitliche Position per Konsens erscheint unmöglich. Auch wird Dänemarks Beharren auf seinem Antrag auf Zulassung der Buckelwaljagd in Grönland die EU-Staaten spalten und neuerlich handlungsunfähig machen.
Nicolas Entrup von der WDCS in München warnt: "Es wäre absurd, wenn ein einziges Mitgliedsland effektiv die Naturschutzpolitik aller anderen EU Mitgliedsstaaten in internationalen Foren torpedieren kann.
Dies wäre auch ein völlig undemokratisches Verhalten und würde das Recht der Regierungen einschränken, die starke Anti-Walfanghaltung ihrer Bevölkerung zu vertreten. Die Menschen erwarten von ihren Regierungen, sich aktiv für den Schutz von Walen und Delfinen einzusetzen und sich nicht in bürokratische und juristische Spielereien zu verzetteln und dabei Wale zu opfern."