Damit wäre Polen in die westeuropäische Erdgasinfrastruktur eingebunden und könnte auch Erdgas, das es von Gas-Produzenten aus der Nordsee oder von westeuropäischen Handelsplätzen bezieht, über das deutsche Fernleitungsnetz nach Polen transportieren
"Polen hätte somit die nötige Freiheit, künftig auch Erdgas direkt aus der Nordsee zu beziehen", so Neubert. Der Vorschlag zur Netzkoppelung war im vergangenen Jahr auch offiziell beim polnischen Wirtschaftsminister sowie dem staatlichen polnischen Energiekonzern PGNiG unterbreitet worden. Der neue Vorstandsvorsitzende der PGNiG, Michal Szubski, sprach sich jetzt gegenüber der Tageszeitung Rzeczpospolita dafür aus, alle Möglichkeiten die Erdgasimporte seines Landes zu diversifizieren, ernsthaft zu prüfen. Die deutsche Regierung begrüßt unterdessen, dass das Angebot zur Anbindung Polens an das westeuropäische Pipelinenetz Aufrecht erhalten worden ist.
Die Planungen für den Bau der Ferngasleitung OPAL, die wenige Kilometer von der polnischen Grenze verlaufen wird, gehen unterdessen voran. So ist das Raumordnungsverfahren in Mecklenburg-Vorpommern bereits abgeschlossen. Im nun beginnenden Planfeststellungsverfahren wird in den nächsten Wochen der genaue Verlauf der Pipeline von den Behörden festgelegt.
Angesichts der Debatten in Polen über Erdgasbezüge aus Russland, sprach sich der neue PGNiG-Chef für einen pragmatischen Kurs seines Landes aus.
"Wir sollten mit Russland reden. Denn auf die geographische Verteilung der Energiereserven haben wir keinen Einfluss", sagte Szubski der Zeitung Rzeczpospolita weiter. Russland hat die größten Gasreserven der Welt. Polen deckt rund 5% Prozent seines Primärenergieverbrauchs mit Erdgas aus Russland.
Seit dem Antrittsbesuch des polnischen Premierministers Donald Tusk in Berlin befinden sich die deutsch-polnischen Beziehungen wieder auf Entspannungskurs. Sowohl Tusk als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten bei dem Treffen im Dezember 2007 betont, künftig einen "vertrauensvollen und freundschaftlichen Dialog" zu führen, dabei aber auch strittige Themen wie etwa die Ostseepipeline Nord Stream auf die deutsch-polnische Agenda zu setzen. Der polnische Premier schloss erstmals auch gemeinsame Gespräche mit Russland über die Energieversorgung nicht aus. Tusk besuchte inzwischen auch Moskau; es war die erste Visite eines polnischen Regierungschefs seit sechs Jahren. Inzwischen haben sich auch die Außen- und Wirtschaftsminister Deutschlands und Polens getroffen, um über die Pipeline und eine engere Zusammenarbeit im Energiesektor zu sprechen.
Zum Hintergrund: Im Unterschied zu vielen EU-Mitgliedern ist in Polen der Erdgasanteil an den primären Energiequellen gering. So hat Polen einen der niedrigsten Pro-Kopf-Verbräuche in der ganzen Europäischen Union. Denn Polen setzt vor allem auf heimische Kohle. Mit ihr werden vier Fünftel des Strom- und Wärmebedarfs gedeckt. Kernkraftwerke gibt es bisher nicht.
Polens Gasmarkt ist im Vergleich mit dem westlicher EU-Länder klein. Das Land verbraucht mit 40 Millionen Einwohnern im Jahr etwa 14 Milliarden Kubikmeter Gas, Deutschland dagegen - mit der doppelten Einwohnerzahl - rund 100 Milliarden Kubikmeter. Und der Erdgasbedarf des Nachbarlandes steigt nur langsam. 2010 werde der Jahresbedarf bei 15 bis 18 Milliarden Kubikmeter liegen, so lautet die Schätzung des polnischen Gasversorgers PGNiG. Der 1982 gegründete Staatskonzern ist das einzige Unternehmen auf dem Markt. Es agiert auf sämtlichen Geschäftsfeldern - von der Förderung über Import, Transport und Verteilung bis zum Vertrieb von Erdgas.