"Verkehr ermöglichen, nicht verhindern" - dieses Zitat des Bundesverkehrsministers machte Neinhaus, der zugleich Vorsitzender des Beirats der Wirtschaftsförderung metropoleruhr ist, zum Leitmotiv der Fachtagung und unterstrich damit nochmals die dringende Notwendigkeit, Antworten auf die Frage zu finden, wie man im Ballungsraum Ruhrgebiet Mobilität für alle sicherstellen kann.
Die Metropole Ruhr verfügt über eines der dichtesten Verkehrsnetze Europas - doch die zunehmende Mobilität der 5,2 Millionen Einwohner sowie wachsende nationale und internationale Verpflichtungen der ansässigen Unternehmen haben die Verkehrsinfrastruktur an die Grenze der Belastungsfähigkeit geführt. Bis 2020 wird eine Steigerung des Personenverkehrs um 20 %, des Güterverkehrs um 70 % und des Güterfernverkehrs um 80 % erwartet - solche Verkehrsströme zu planen brauche einen langen Atem, betonte Harry K. Voigtsberger, Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig gelte es, neben dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur die Lebensqualität der hier wohnenden Menschen zu sichern: "Menschen nutzen die Straße. Zugleich leben Menschen an der Straße", so der Minister. Gerade deshalb müssten wir "Mobilität neu denken und neu bewerten", und zwar ganzheitlich auch hinsichtlich der von der Mobilität verursachten Lärmbelästigung, der Luftverschmutzung, der Gesundheitskosten sowie sonstiger Umweltschäden, forderte Voigtsberger..
Dringend müssten Verkehrsengpässe durch den 6-streifiger Ausbau der Autobahnen, Netzlücken geschlossen und einzelne Ortslagen entlastet werden. Dies geschehe bereits durch verstärkte Nutzung elektronischer Verkehrsleit- und - informationssysteme - also Stauwarn- und Streckenbeeinflussungsanlagen sowie durch eine Vielzahl von Zuflussregelungen.
Neues Denken, so die einhellige Meinung der Gastredner des Vormittagprogramms, erforderten auch die Geschehnisse rund um Stuttgart 21 und damit die Berücksichtigung individueller und gesellschaftlicher Interessenlagen, die heute einer breiten Zustimmung und Akzeptanz bedürfen. Trotz aller demokratischen Legitimation von Infrastrukturmaßnahmen zum Zeitpunkt der Entscheidung werde ihre Dauerwirkung gesellschaftlich zunehmend nicht akzeptiert.
Bund und Land
Einen entscheidenden Qualitätssprung im Schienenverkehr erhofft sich Voigtsberger von der langfristigen Realisierung des Rhein-Ruhr-Express, der dreigleisigen Fortsetzung der Betuwe-Linie und des "Eisernen Rheins" - zentrale Projekte für die Eisenbahn-Infrastruktur, um den extrem wachsenden Seehafen-Hinterlandverkehr zu bewältigen.
Ganz klar sei jedoch zu befürchten, dass die Milliarden, die der Bund und die DB AG in Megaprojekte wie Stuttgart 21 investierten, in Nordrhein-Westfalen und gerade auch hier im Ruhrgebiet fehlten. Zugleich versuche der Bund, sich aus den Verpflichtungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GFVG) zu entziehen - obwohl offenkundig im bevölkerungs- und verkehrsreichsten Bundesland ein Investitionsrückstau in Milliardenhöhe besteht, beklagte Voigtsberger die derzeitige Ambivalenz zwischen Bundes- und Landesverkehrspolitik.
Einig waren sich alle Experten, dass es keiner neuen Straßen bedarf, sondern dass die vorhandene Infrastruktur ausgebaut und erhalten werden muss. Es gehe nicht darum, Autobahnen und Eisenbahnen in Konkurrenz zueinander zu planen, sondern es gehe um "Multimodalität", so Professor Beckmann Geschäftsführer Deutsches Institut für Urbanistik (DiFu) in Berlin. Vielmehr sollen sich alle Teilnetze ergänzen und beste Voraussetzungen für eine kombinierte Nutzung schaffen.
Ergebnisse im Frühjahr 2011
Die Verkehrsfachtagung Mobilität Ruhr fand heute bereits zum dritten Mal statt. Veranstalter sind die Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH, der Initiativkreis Ruhr sowie die Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets. Sie ist eine regionale Plattform für Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und öffentliche Verwaltung, um im Fachaustausch Lösungsansätze zu entwickeln und Prioritäten festzulegen. Ein wichtiges Ziel der Veranstaltung ist es, neue Finanzierungsmodelle und Technologien zum Erhalt und zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur aufzuzeigen - wie beispielsweise die stadtverträgliche LKWNavigation.
Die Ergebnisse der vier Workshops zu den Themen Finanzierung, Elektromobilität, Verkehrsmanagement und Fahrradmobilität sollen im Frühjahr 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.