„Wir haben es hier mit der größten Kinderschutzkrise unserer Zeit zu tun. Es gelingt nach wie vor nicht, das Leben, die Kindheit und die Zukunft der syrischen Kinder zu schützen“, sagt Wynn Flaten, Leiter der Syrienhilfe bei World Vision. „Die Kriegserfahrungen der Kinder können sich ein Leben lang negativ auswirken. Der Schutz des Lebens dieser Kinder hat Priorität, aber wir müssen darüber hinausgehen. Sie sollten nicht nur überleben, sondern auch ein glückliches, gesundes und produktives Leben führen können."
Mehr als 5,5 Millionen Syrer sind bisher aus ihrer Heimat geflohen, die Hälfte davon sind Kinder. Laut Vereinten Nationen sind weitere sechs Millionen Menschen innerhalb Syriens auf der Flucht und haben ihre Häuser auf der Suche nach sicheren Orten verlassen. Der Bericht „Beyond Survival“ zeigt auf, wie der Konflikt das Lebensumfeld und die sozialen Strukturen von Kindern dramatisch verändert hat. „Kinder haben uns erzählt, dass sie an neue Orte ziehen mussten und dort nun auf engem Raum leben. Sie besuchen ihnen unbekannte oder überhaupt keine Schulen. Und sie vermissen Familienmitglieder sowie Freunde, die einst Teil ihres Lebens waren", erzählt Flaten.
Die Umfrage ergab, dass in Süd-Syrien die Hälfte der befragten Kinder häusliche Gewalt erlebt haben. Im Libanon berichten 39 Prozent und in Jordanien 15 Prozent der befragten Kinder von gewalttätigen Erziehungsmaßnahmen in der Familie. Von denen, die in Syrien zur Schule gehen, haben 42 Prozent eine gewaltsame Disziplinierung durch Lehrer oder anderes Schulpersonal erlebt.
Mehr als die Hälfte der befragten Kinder haben angegeben, keinen Zugang zu Gesundheitsdienst-leistungen zu haben. Beengte Wohnverhältnisse sind in allen drei Ländern ein weit verbreitetes Problem: Mehr als 70 Prozent der befragten Kinder leben unter solchen Bedingungen. Diese Kinder erleben doppelt so häufig häusliche Gewalt wie andere. „Gerade zu Hause sollten sich Kinder sicher fühlen“, sagt Flaten. „Aber stattdessen müssen Kinder nicht nur mit ihren eigenen Stresssituationen umgehen, sondern bekommen auch die Auswirkungen der angespannten familiären Situation zu spüren. Erschreckenderweise sehen viele Kinder solche Belastungen als einen normalen Aspekt ihres neuen Lebens an.“ Auch Kinderarbeit ist ein großes Thema. Im Libanon gaben 55 Prozent der Mädchen und Jungen an, dass sie bereits gearbeitet haben oder derzeit arbeiten. In Jordanien sind es 11, in Syrien 8 Prozent.
Der Bericht identifiziert klare Themenbereiche, die Geber und Regierungen priorisieren können. Die richtigen politischen, programmatischen und finanziellen Investitionen können die Auswirkungen der vorherrschenden Gewalt langfristig positiv beeinflussen. „Trotz allem, was Syriens Kinder jeden Tag erleben mussten und auch weiterhin müssen, sind sie eine Quelle der Hoffnung für die Zukunft des Landes. Aber es besteht das Risiko, dass sie sich nie vollständig von diesem Konflikt erholen werden. Wir sind an einem Punkt, an dem wir sofort handeln müssen, um das zu verhindern“, ergänzt Flaten.
World Vision startete 2011 mit der Unterstützung syrischer Flüchtlingskinder und -familien. 2017 erreichte die internationale Hilfsorganisation im Rahmen der Syrienhilfe mehr als 2,2 Millionen Menschen in Syrien, im Libanon, in Jordanien, in der Türkei und im Irak – darunter rund 1,3 Millionen Kinder. Diese Arbeit umfasste unter anderem psychosoziale Unterstützung und Kinderschutzprojekte sowie Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsdiensten und Bildung.
Mit einer bildstarken Teddy-Aktion am Berliner Gendarmenmarkt macht World Vision heute um 11 Uhr auf die Situation dieser Kinder aufmerksam.
Bericht „Byond Survival“ (pdf): http://bit.ly/2IqgpcH