Über 20.000 Menschen leben mittlerweile in und um das Lager Moria – ausgelegt ist es für die Aufnahme von 3.000 Flüchtlingen. Die jetzt im Lager lebenden Geflüchteten sind vor allem während der vergangenen sechs Monate von der Türkei aus über das Mittelmeer auf das nahe gelegene Lesbos gekommen.
Waffenschmidt besuchte in der vergangenen Woche das Lager, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Situation vor Ort zu machen: „Die Menschen hausen in Zelten aus Plastikplanen, schlafen in den kalten Nächten auf dem Boden, es gibt kaum Strom. Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Vor allem die Kinder leiden hier unter der absoluten Perspektivlosigkeit.“
Etwa 40 Prozent der Menschen im Lager sind unter 18 Jahre alt. Unter ihnen knapp 1.000 Kinder, die ohne Begleitung geflüchtet und somit besonders schutzbedürftig sind. Sie können keine reguläre Schule besuchen und sind Gewalt und Missbrauch schutzlos ausgeliefert. Regelmäßig gibt es Messerstechereien. Mädchen trauen sich nicht, nachts eine der wenigen Latrinen aufzusuchen. Die 14jährige Sayna berichtet von Übergriffen: „Wir Mädchen werden oft belästigt, haben Angst. Wer ohne Eltern hier ist, lebt besonders gefährlich.“
Auch die sanitären Zustände sind entsetzlich, erklärt Waffenschmidt: „Auf 460 Menschen kommt eine Wasserstelle. Und die gibt es nur im umzäunten Zentrum des Lagers. Doch die weitaus meisten Menschen leben am Rand dieses Zentrums, im sogenannten Dschungel. Hier herrschen unbeschreibliche Zustände. Überall Müll, schlammige Wege. So dürfen Kinder nicht leben.“
Die Kinderhilfsorganisation fordert daher die Bundesregierung auf, schnell und unbürokratisch zu helfen und die etwa 1.000 unbegleiteten Kinder von Lesbos nach Deutschland zu holen. „Eigentlich ist das das Prinzip, das wir in Deutschland immer anwenden. „Wenn Kinder Waisen werden, wenn sie praktisch keine Familie mehr haben, dann ist der Staat für ihren Schutz und ihre Sicherheit zuständig.“ Deutschland hat nicht nur die Mittel dazu, sondern auch die von zahlreichen Städten und Gemeinden im Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ geäußerte Bereitschaft zur Aufnahme. Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei dürfe nicht als Feigenblatt dienen, um die Augen vor den menschenunwürdigen Zuständen im Lager zu verschließen. Waffenschmidt: „Als Christen und Demokraten ist es unsere Aufgabe, den Kindern Schutz zu bieten und uns für ihre Rechte einzusetzen. Lesbos liegt am Rand Europas – aber was dort geschieht, trifft das Herz Europas. Die Situation zu ignorieren hilft Niemandem.“