Ein Sechstel des Meeres, eine Fläche von 70.000 Quadratkilometern, habe sich in Todeszonen verwandelt. Wegen des Sauerstoffmangels sei hier kein Leben mehr möglich. "Vermutlich wissen die meisten Touristen und Bewohner nicht, dass der schleichende Tod der Ostsee auch aus ihrer Brieftasche finanziert wird", so der WWF-Sprecher. Zwar sind die Badestrände in diesem Sommer von Algenblüten verschont geblieben. Das Ausbleiben der Algen liege jedoch am Wetter. "Algenteppiche an der Küste sind nur das sichtbare Zeichen einer ökologischen Katastrophe, die sich auf dem Meer ungehindert fortsetzt", so Lamp.
Das Ostseewasser enthalte heute acht Mal mehr Phosphor und vier Mal mehr Stickstoff als vor hundert Jahren. Jährlich kämen eine Million Tonnen Stickstoff und 35.000 Tonnen Phosphor hinzu. Trotz früherer Schutzprogramme nehme die Belastung seit zehn Jahren wieder zu. Die industrielle Landwirtschaft verursache den Nährstoff-Overkill. Preiswerter Kunstdünger verleite die Bauern dazu, ihre Felder kräftig zu überdüngen. Hinzu komme die Gülle aus der Massentierhaltung. Die industrielle Landwirtschaft im Ostseeraum werde aus Brüssel mit 10,4 Milliarden Euro jährlich gepäppelt. Die Situation spitzt sich laut WWF weiter zu. Allein in Polen und den baltischen Staaten soll der Düngerverbrauch in den kommenden zehn Jahren um bis zu ein Drittel steigen. Hühner- und Schweinemasten würden von West- nach Osteuropa verlagert, wo geringere Umweltauflagen gelten würden. Auch durch unzureichende Kläranlagen, Phosphate in Waschmitteln und ungeklärte Schiffsabwässer werde die Ostsee zur Kloake.
Der WWF fordert ein Ostsee-Rettungsprogramm und hat dazu eine Kampagne rund um die Ostsee gestartet. EU-Gelder sollten nur noch fließen, wenn Landwirte die Überdüngung eindämmen. Im November treffen sich zudem die Regierungen der Ostseestaaten im Rahmen des HELCOM-Abkommens. "Derzeit blockiert die Mehrheit jedoch einen wirkungsvollen Umwelt-Aktionsplan. Sollte die Konferenz scheitern, wäre das der Todesstoß für die Ostsee", warnt Lamp.