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"Die Welt hat bisher vollkommen versagt"

30 Jahre UN-Konvention für biologische Vielfalt: WWF zieht bittere Bilanz / Trendwende noch möglich

(lifePR) (Berlin, )
Vor 30 Jahren brachte die internationale Staatengemeinschaft in Nairobi die Konvention zum Erhalt der Biologischen Vielfalt (CBD) auf den Weg. Die unterzeichnenden Staaten – bis heute alle UN-Mitglieder mit Ausnahme der USA – verpflichten sich unter anderem dazu, die für uns Menschen lebenswichtigen Ökosysteme zu bewahren und das Aussterben bedrohter Arten zu verhindern, sowie deren Schutzstatus zu verbessern. Seitdem schreitet die Artenkrise trotz allem dramatisch voran: 1992 gab es noch Chinesische Flussdelfine, Bramble-Cay-Mosaikschwanzratten und Chiriquí-Harlekinfrösche. Wie unzählige andere Arten sind sie seitdem für immer von unserem Planeten verschwunden. Laut Living Planet Report 2020 ist seit 1970 die Anzahl der wildlebenden Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien weltweit um 68 Prozent gesunken.

Vor dem Tag der biologischen Vielfalt am Sonntag, an dem sich das Abkommen jährt, zieht Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland, eine bittere Bilanz: „Bei der Umsetzung der Konvention für die Biologische Vielfalt hat die Welt bisher vollkommen versagt. Das Artensterben gefährdet weiterhin unsere Gesundheit, unsern Wohlstand, unsere Sicherheit – ja unsere gesamte Lebensgrundlage. Die wahrscheinlich letzte Chance, das Steuer noch herumzureißen und das Scheitern zu beenden, hat die Staatengemeinschaft im August im chinesischen Kunming. Dort wird auf der Weltnaturkonferenz ein neues Abkommen verhandelt, mit dem die Staatengemeinschaft die Konvention von 1992 endlich umsetzen soll, um das Artensterben bis 2030 zu stoppen. Damit das gelingt, muss auch die Finanzierung stimmen. Die Bereitstellung von weiteren 100 Millionen Euro für den globalen Naturschutz durch die Bundesregierung ist dabei begrüßenswert. Sie kann aufgrund des um ein Vielfaches höheren Bedarfs jedoch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.“ Der WWF fordert die Bundesregierung auf, ihre internationale Biodiversitätsfinanzierung bis 2025 auf zwei Milliarden Euro im Jahr zu erhöhen.

Allein die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung hängt von der Natur ab. Heinrich sagt: „Man muss sich dieses System wie ein Turm aus Bauklötzen vorstellen - jeder Stein ist eine Tier- oder Pflanzenart. Nur wenn dieser Turm der Natur stehen bleibt, können wir Menschen gesund und sicher leben. Aber je mehr Steine aus dem Turm herausgeschlagen werden, sprich je mehr Arten aussterben, umso instabiler wird er. Und irgendwann bricht der Turm ganz zusammen. Wir brauchen also ambitionierten und gut finanzierten Naturschutz, gepaart mit einer Transformation unserer Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum.“

Neben viel Schatten gibt es auch ein wenig Licht in den 30 Jahren nach dem Entstehen der Konvention für die Biologische Vielfalt. Hoffnung machen beispielsweise Panzernashörner in Nepal. Dort ist der Nashorn-Bestand im Vergleich zur letzten Schätzung 2015 um 16 Prozent gewachsen und hat sich seit der ersten Zählung 2005 fast verdoppelt. Solche Lichtblicke zeigen, dass erfolgreicher Artenschutz möglich ist, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen und ausreichend Unterstützung vorhanden ist. Heinrich sagt: „Wir können die Trendwende noch schaffen und das Artensterben bis 2030 stoppen. Dafür brauchen wir jetzt entschlossenes Handeln der Politik. Die Bundesregierung, insbesondere Umweltministerin Steffi Lemke muss sich auf der diesjährigen Weltnaturkonferenz für ein starkes neues Abkommen einsetzen. Es kann aber nur verabschiedet und umgesetzt werden, wenn es mit ausreichend finanziellen Mitteln unterlegt ist, um auch die ärmeren Länder des globalen Südens bei der Umsetzung zu unterstützen. Schließlich befindet sich dort der Großteil der heute noch übrigen Artenvielfalt.“

Hintergrund:
Die letzten internationalen Naturschutzziele, die sogenannten „Aichi-Targets“ liefen 2020 aus und wurden durchweg verfehlt. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) ist das Stoppen und Umkehren des Biodiversitätsverlustes jedoch bis 2030 weiterhin möglich. Dafür braucht es jedoch einen schnellen und gesamtgesellschaftlichen Wandel, der vor allem die Transformation unserer Wirtschafts- und Finanzsysteme hin zu einer nachhaltigen Produktions- und Konsumweise umfasst. Verfehlt die Weltgemeinschaft dieses Ziel, bestehen große Risiken für unseren Wohlstand, unsere Gesundheit und unsere Ernährungssicherheit. Zudem sind Klima- und die Artenkrise Zwillingskrisen – ohne Schutz der biologischen Vielfalt ist auch die fortschreitende Erderhitzung nicht aufzuhalten.

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