Der Gewässerexperte des WWF, Tobias Schäfer, sagte: „Wir müssen uns auch in Deutschland von der Vorstellung verabschieden, dass Wasser unbegrenzt vorhanden ist. Die Klimakrise bringt heißere und trockenere Sommer mit sich. Mehr Wasser verdunstet und die Grundwasserpegel sinken, die Landschaft trocknet aus. Die fatalen Folgen erlitten wir in den letzten Wochen mit Rekordtemperaturen über 40 Grad, großflächig verdorrter Natur, Waldbränden wie im Harz und einem Niedrigwasser im Rhein, das die Binnenschifffahrt dort lahmlegte. Durch die Klimakrise bedingte Dürren bedrohen Gesundheit, Natur und Wirtschaft gleichermaßen. Sie vernichten zunehmend unsere Produktions- und Lebensgrundlagen.
Mit unseren zehn Punkten fordern wir von der Politik Vorgaben für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Wasserressourcen. Vor allem muss künftig wieder mehr Wasser in der Landschaft gehalten werden. Dazu müssen Flüsse und Feuchtgebiete renaturiert, ein klimaangepasster Waldumbau vorangetrieben und die Böden durch Humusanreicherung und durch Entsiegelung aufnahmefähiger für Regenwasser werden. Unsere Landschaft ist auf schnellen Abfluss getrimmt. Dieses übermäßige Ableiten von Wasser durch unzeitgemäße Entwässerungssysteme muss ein Ende haben. Industrie und Landwirtschaft müssen sparsamer und effizienter mit dem kostbaren Gut haushalten. Auch fordern wir, dass über angepasste Abgaben auf die Entnahme von Wasser ein sorgsamerer Umgang mit den verfügbaren Wasserressourcen erreicht wird.“
Der Landschaftswasserhaushalt ist ein zentraler Punkt, wenn es darum geht die Auswirkungen der Klimakrise – insbesondere von Dürren - abzumildern. Eine herausragende Rolle spielen dabei intakte Flüsse und Feuchtgebiete wie Auenwälder und Moore, die zugleich zu den gefährdetsten Ökosystemen überhaupt zählen, sowie die Land- und Forstwirtschaft. Die Bundesregierung muss positive Ansätze zur Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts aus dem Koalitionsvertrag zügig so umsetzen, dass sie nachhaltig Wirkung entfalten. Dazu zählt z.B. die angekündigte Wasserstrategie und die Biomassestrategie, die Wechselwirkungen auf den Landschaftswasserhaushalt hat, und gerade auch das kürzlich vom Bundesumweltministerium vorgestellte Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass diese Strategien und Programme von allen Regierungsressorts mitgetragen werden und auch in Ländern und Kommunen zur Entfaltung kommen können.
Die Punkte im Einzelnen:
• Flussgebietsmanagement: Wasser in der Landschaft halten, statt seinen Abfluss zu beschleunigen: Im deutschen Wasserrecht nimmt bislang der „schadlose Abfluss“ eine herausragende Rolle ein. Um mehr Wasser in der Landschaft zu halten, müssen Wasserrecht und Förderprogramme angepasst werden.
• Übermäßige Entwässerung beenden: Zur Urbarmachung landwirtschaftlicher Flächen werden seit Menschengedenken Grabensysteme unterhalten. Diese stehen häufig im Konflikt mit der Renaturierung von Feuchtgebieten wie Mooren. Die übermäßige Entwässerung dieser Gebiete durch Grabensysteme und Drainagen muss verringert werden. Dort bietet sich der Anbau von Nutzpflanzen an, die auf nassen Böden gedeihen z.B. von Schilf und Röhricht. Die Renaturierung solcher Böden durch den Rückbau von Entwässerungssystemen ist auch aktiver Klimaschutz, denn entwässerte organische Böden setzen viele Tonnen Treibhausgase frei.
• Europäische Vorgaben zur Gewässergüte erfüllen: Die europäische Wasserrahmenrichtlinie zielt auf einen „guten Zustand“ der Gewässer ab. Doch in der Kategorie „ökologischer Zustand“ erhalten in Deutschland nur 8,1 Prozent der Oberflächengewässer ein „gut“. Bei Dürren verschlimmern sich die Probleme: Je schlechter der Gewässerzustand, desto anfälliger ist das Gewässer.
• Verschlechterungsverbot für Gewässer einhalten: Die europäische Wasserrahmenrichtlinie schreibt ein Verschlechterungsverbot für Europas Gewässer vor. Das Verbot gerät im Tauziehen verschiedener Wassernutzer wie Landwirtschaft, Industrie, Trinkwasserversorgung oder Schifffahrt schnell außer Acht. Doch je knapper Wasser wird, desto wichtiger ist der Gewässerschutz.
• Verursacherprinzip bei der Wassernutzung: Die Wassernutzung verursacht externe Kosten für Umwelt und Gesellschaft. Die Wasserrahmenrichtlinie sieht deshalb vor, die Kosten von Wasserdienstleistern den jeweiligen Verursachern zuzuordnen. Dies wird nicht konsequent genug umgesetzt: Hätten Verursacher wie Landwirtschaft, Energiewirtschaft oder Schifffahrt die Kosten für Pflege und Sanierung von Gewässern angemessen zu tragen, würde das Anreize für einen sorgfältigeren Umgang schaffen.
• Klimaanpassung im Wald: Eine zentrale Ursache der Dürre ist die starke Verdunstung bei hohen Temperaturen – das ist auch im Wald ein Problem, wo Nadelforste übermäßig zur Verdunstung beitragen. Der Ausweg besteht im Waldumbau hin zu klimaangepassten Laub- und Mischwäldern. Artenreiche Wälder sind nicht nur ein Hotspot der Biodiversität und tragen zum Klimaschutz bei, sondern halten auch mehr Wasser im Boden. Öffentliche Fördermittel müssen hier zielgerichteter eingesetzt werden.
• Neue Wälder und Agroforstsysteme: Agroforstsysteme, die Ackerbau, Tierhaltung und Holznutzung miteinander vereinen, können zur Humusanreicherung und zur Verbesserung der Wasser- und Nährstoffversorgung von Böden beitragen. Auch dienen sie dem Erosionsschutz und bieten Lebensraum für viele Wirbeltiere, Vögel und Insekten. Auch die Schaffung neuer Wälder trägt zu einer Diversifizierung der Landschaft bei und fördert den Wasserhaushalt in der gesamten Landschaft.
• Qualität landwirtschaftlicher Böden verbessern: Die Landbewirtschaftung muss so gestaltet werden, dass das natürliche Versickerungspotenzial der Böden wiederhergestellt und ihre Fähigkeit, Wasser zu halten, verbessert wird. Auch hier spielen die Förderung des Bodenlebens und des Humusgehalts eine wichtige Rolle. Erforderlich ist eine stärkere Ausrichtung von Agrarpolitik und Landbewirtschaftung an boden- und gewässerschonenden Zielen.
• Wassernutzung muss einen angemessenen Preis haben. Bei den aktuellen Preisen für die Entnahme von Grund- und Oberflächengewässern kommt kaum eine lenkende Wirkung zum Tragen. Das muss sich durch wirksamere staatliche Abgaben auf Wasserentnahmen ändern.
• Regenwasser nutzen, Böden entsiegeln: Die Klimakrise bringt nicht nur mehr Dürren, sondern auch mehr Starkregen mit sich. Doch dieses Regenwasser, fließt aufgrund des hohen Anteils versiegelter bzw. bebauter Flächen meist schnell wieder ab. Dabei besteht ein gesetzlicher Vorrang für die Versickerung im Wasserhaushaltsgesetz. Dieser muss zur Geltung kommen, mehr Böden entsiegelt und Regenwasser besser genutzt werden.
Hintergrundinformationen:
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) zählt der Sommer 2022 zu den vier wärmsten in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1881. Der Temperaturdurchschnitt lag laut DWD mit 19,2 Grad Celsius um 2,9 Grad über dem Wert der Referenzperiode 1961 bis 1990. Mit rund 145 Litern pro Quadratmeter fielen knapp 40 Prozent weniger Niederschlag als im Mittel dieser Referenzperiode (239 l/m²). Er war damit der sechsttrockenste seit 1881. Mit 820 Sonnenstunden war der Sommer 2022 der sonnenreichste seit Aufzeichnungsbeginn.
Laut Dürremonitor des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung war zum Ende des meteorologischen Sommers (31.8.) auf dem Gros der Fläche Deutschlands eine „außergewöhnliche Dürre“ zu verzeichnen: https://www.ufz.de/index.php?de=37937
Fachleute erwartet für 2022 einen Negativrekord bei den Waldbrandschäden. Bis Mitte August seien in Deutschland fast 4300 Hektar Wald durch Brände vernichtet worden. Im bisherigen Rekordjahr 2019 seien es 2711 Hektar gewesen. (Quelle: dpa)
Link: Wasser zurückhalten, Landschaft kühlen –
10 Punkte zum Umgang mit Wasserknappheit und Dürre: https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Deutschland/WWF-Wasserknappheit-und-Duerre-10-Punkte.pdf