Anlässlich des Internationalen Tags der Flüsse am 25.9.22 sagte Theresa Schiller, WWF-Expertin für Internationale Wasserressourcen: „Flüsse sind die Lebensadern unserer Kontinente. Ihr Zustand entscheidet maßgeblich über das Wohlergehen von Menschen, Tieren und Pflanzen. Sind sie intakt, bilden Flussökosysteme Hotspots der biologischen Vielfalt. Der Amazonas beispielsweise beherbergt mindestens 2.400 Fischarten, der Mekong mehr als 1.100. Wir können es uns nicht leisten, dem Niedergang unserer Flüsse tatenlos zuzusehen. Flussdynamik und Wasserqualität müssen dramatisch verbessert werden, damit Flüsse ihre Funktionen als Lebensräume und für den Wasserhaushalt erfüllen können. Dieser Aufgabe wird die Politik bislang in keiner Weise gerecht.“
„Flüsse sind vom Verlust der Artenvielfalt und von der Klimakrise doppelt betroffen“, sagte Theresa Schiller. Sie würden vom Mensch seit Jahrtausenden als Trinkwasserquellen, für Bewässerungszwecke, zur Energiegewinnung und als Transportwege genutzt und durch Kanalisierung, Begradigung und Stauung eingehegt. „Doch Staudämme, Eindeichung, Staustufen und Uferbefestigungen zerstören die Dynamik von Flüssen und damit das Gefüge von Lebensräumen, das in gesunden Flüssen einem ständigen Wandel unterworfen ist.“ Hinzu kommen übermäßige Wasserentnahmen und schädliche Einleitungen von Abwässern aus der Landwirtschaft und der Industrie.
Das globale Artensterben zeigt sich besonders dramatisch unter Arten, die in und an Flüssen und Auen, Seen und Feuchtgebieten leben: Seit 1970 sind ihre Bestände weltweit um 84 Prozent eingebrochen – doppelt so stark wie die Artenbestände in terrestrischen und marinen Ökosystemen im selben Zeitraum. Die Klimakrise verschärft die Probleme. Durch geringe Regenfälle und hohe Verdunstungsraten bedingte Niedrigwasser gehen meist mit steigenden Wassertemperaturen und erhöhten Schadstoffkonzentrationen einher und verschlechtern den Zustand der Flüsse zusätzlich. Flüsse spielen zudem eine zentrale Rolle zur Stabilisierung des Landschaftswasserhaushalts und damit bei der Abmilderung von Dürren.
„Das Trockenfallen des Rheins und das Kippen der Oder haben schlaglichtartig deutlich gemacht, wie schlecht es um unsere Flüsse bestellt ist. Doch austrocknende Flussbetten sind ein weltweites Phänomen, wie erschreckende Bilder von der Loire in Frankreich, dem Colorado in den USA oder dem Jangtse in China gezeigt haben“, sagte Theresa Schiller. „Das sind Alarmsignale der Natur, denen wir schnellstens entgegenwirken müssen.“
„Um diese einzigartigen Ökosysteme mitsamt ihren unzähligen Leistungen für Mensch und Natur zu bewahren, braucht es Lösungen mit der Natur“, sagte Theresa Schiller. Erforderlich seien Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität der Flüsse sowie für den Schutz und die Wiederherstellung frei fließender Flüsse mit ihren bedrohten Lebensräumen. Einträge von Phosphat, Nitrat und Pestiziden aus der Landwirtschaft und von Schadstoffen aus der Industrie seien radikal zu reduzieren. Unnötige Staudämme und Wehre müssten abgebaut und Flüssen durch Deichrückverlegungen mehr Raum gegeben werden. Die Renaturierung müsse auch durch den Wiederanschluss von Nebengewässern und Altarmen und die Revitalisierung von Auen vorangebracht werden. „Dies hat positive Effekte für Biodiversität und Wasserhaushalt und dient zusätzlich der Anpassung an die Klimakrise.“
Theresa Schiller: „Die Politik ist auf allen Ebenen gefordert, unsere Flüsse zu retten, beispielsweise auf dem Weltnaturgipfel im Dezember in Kanada durch die Verankerung eines globalen Renaturierungsziels für Flüsse im neuen Biodiversitätsrahmenwerk der Internationalen Staatengemeinschaft (UN). Ebenso braucht es auf EU-Ebene ein schlagkräftiges Renaturierungsgesetz. Der Entwurf der EU-Kommission hierfür, der derzeit zwischen Rat und Europaparlament verhandelt wird, sieht vor, bis 2030 25.000 Kilometer frei fließende Flüsse wiederherzustellen. Der WWF fordert hier größere Anstrengungen, nämlich die Wiederherstellung von 178.000 km frei fließender Flüsse. Und nicht zuletzt muss die Bundesregierung endlich ernst mit der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zum Schutz der Gewässer machen, deren Ziele in Deutschland bislang weitgehend verfehlt werden.“