Grund für die düstere Perspektive der Wisente fünf Jahre später sei vor allem der Zaun gegen die Afrikanische Schweinepest an der deutsch-polnischen Grenze, so der WWF. Nina Gandl, Wildtierexpertin beim WWF sagt: „Wir haben den Wisent vor Jahrhunderten bei uns in Deutschland ausgerottet. Nur mit viel Glück und engagierten Artenschutzprojekten hat die Art überhaupt überlebt. Jetzt ist es auch die Verantwortung Deutschlands, die streng geschützten Wildtiere bei der Rückkehr in ihren ursprünglichen Lebensraum zu unterstützen.“
Wisente und andere Wildtiere können heute, anders als 2017, kaum noch von Polen nach Deutschland wandern. Denn der Zaun, der an der Landesgrenze gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest errichtet wurde, ist für viele Tiere ein fast unüberwindbares Hindernis. Der WWF fordert die Bundesländer im Grenzgebiet zu Polen auf, die Zäune durchlässiger für Wildtiere zu machen. „Für Wisente, Rehe und Elche ist der Zaun eine Katastrophe, dabei sind es vor allem Menschen, die die Afrikanische Schweinepest in Ställe eintragen“, kritisiert Gandl.
Die wenigen Wisente, die es in Deutschland gibt, haben vor allem ein Akzeptanzproblem.
Das zeigt sich im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen. Dort lebt seit 2013 eine frei umherstreifende Wisentherde von 25 Tieren. Erst diesen Sommer starb ein Jungbulle der Herde an den Folgen illegalen Beschusses. Nach einem Rechtsstreit dürfen die Tiere bestimmte Flächen nicht mehr betreten bzw. dort fressen. Der WWF sieht das Land Nordrhein-Westfalen in der Pflicht, mehr Verantwortung für den Schutz der gefährdeten und streng geschützten Art zu übernehmen.
Dass das friedliche Zusammenleben von Wisent und Mensch möglich ist, zeigt das Beispiel Polen: Dort leben wieder mehr als 2.000 freilebende Wisente. „Wir haben in Deutschland verlernt, mit Wildtieren zusammenzuleben. Damit der Wisent hier doch wieder heimisch wird, müssen wir in Zukunft Konflikte mit den Tieren in freier Wildbahn vorbeugen.“ Das geht zum Beispiel über die enge Zusammenarbeit mit Anwohner:innen und Land- und Waldnutzenden. Zumindest geographisch ist dieses Ziel sehr nah: Nur etwa 20 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt grast eine Wisentherde. „Sollte es doch mal ein Wisent über den Schweinepest-Zaun schaffen, haben wir die Chance es besser zu machen als vor fünf Jahren in Lebus“, so Gandl.
Hintergrund: Der erschossene Wisent in Lebus
Im September 2017 war ein freilebender Wisent von Polen aus nach Deutschland eingewandert und in Brandenburg bei Lebus (Märkisch-Oderland) von einem Jäger auf Anweisung des Ordnungsamts erschossen worden. Gegen den Leiter des Ordnungsamtes hatte der WWF damals Strafanzeige gestellt, das Verfahren wurde allerdings wieder eingestellt.