Deutschland muss bis 2025 die Lebensmittelabfälle um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2030 um 50 Prozent. Das schreibt die EU-Abfallrahmenrichtlinie verbindlich vor. Vom Acker bis zum Teller gehen derzeit in Deutschland pro Sekunde zwischen 217 und 313 Kilogramm Lebensmittel unnötig verloren für den menschlichen Verzehr. Im Angesicht drohender Hungerkrisen weltweit vergeudet Deutschland Nahrungsmittel und geht verschwenderisch mit Ressourcen wie Ackerfläche, Wasser und Energie um.
Folgende politische Maßnahmen nennt die Umweltschutzorganisation im Schreiben an Cem Özdemir, die es umgehend umzusetzen gilt:
• Die Bundesregierung soll dem Beschluss des Bundesrates (aus 2021) zeitnah folgen und eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen umsetzen – für alle Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen.
• Das BMEL soll einen Indikator vorlegen, mit dem es möglich ist, die Lebensmittelabfälle über alle Stufen der Wertschöpfungskette zu quantifizieren und Reduzierungserfolge sichtbar zu machen. Die bestehende Berichterstattung auf Grundlage der Abfallstatistik ist unzureichend und gibt kaum Aufschluss über Reduktionserfolge innerhalb verschiedener Bereiche der Wertschöpfungskette.
• Die Bundesregierung soll eine bundesweit zuständige, unabhängige Kompetenzstelle im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung einrichten. Sie kann die Daten aus den einzelnen Bereichen systematisch erfassen und Unternehmen in den Lieferketten bestmöglich beim Erreichen ihrer Reduktionsziele unterstützen.
• Die Bundesregierung soll steuerliche Fehlanreize beseitigen. So ermöglicht es zum Beispiel das Handelsgesetzbuch derzeit, „Lebensmittelüberschüsse“ wie Backwaren-Retouren als Verluste steuerlich abzusetzen.
• Die Bundesregierung soll durch steuerliche Vergünstigung die Abgabe von Lebensmitteln, die trotz abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums weiterhin verzehrbar sind, erleichtern.
• Die Bundesregierung soll das Spenden von Lebensmitteln rechtssicherer machen und die zivil- und strafrechtliche Haftung bei der Spende von Lebensmitteln unter Berücksichtigung lebensmittelrechtlicher Vorgaben beschränken.
• Die Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für die Überprüfung der Regelungen zum Mindesthaltbarkeitsdatum einsetzen, insbesondere mit Blick auf einen Verzicht bei einzelnen Produktgruppen.
• Die Bundesregierung soll bei Wirtschaftsbeteiligten darauf hinwirken, dass Standards entfallen, die sich auf die bloße Optik der Lebensmittel beziehen. Auf EU-Ebene gesetzlich vorgegebenen Vermarktungs- und Qualitätsnormen sollen von zusätzlichen freiwilligen Qualitätsstandards besser unterscheidbar sein.
Link zum offenen Brief: offener-brief-WWF-oezdemir-lebensmittelverschwendung.pdf
Hintergrund Lebensmittelverschwendung in Deutschland und weltweit:
Über die Hälfte der derzeit bundesweit anfallenden Lebensmittelabfälle ist vermeidbar. Vom Acker bis zum Teller sind dies pro Sekunde zwischen 217 und 313 Kilogramm. Eine massive Reduzierung dieser Lebensmittelverschwendung ist ein Beitrag zum Klimaschutz und zur Sicherung der Ernährungsgrundlagen. 38 Millionen Tonnen schädliche Klimagase könnte allein Deutschland einsparen, wenn die unnötigen Lebensmittelverluste um 50 Prozent reduziert werden. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen aus der deutschen Landwirtschaft im Jahr 2020. Deutschland hat sich dem Ziel verpflichtet, bis 2025 die Lebensmittelabfälle um 30 Prozent zu reduzieren und bis 2030 um 50 Prozent. Das schreibt auch die EU-Abfallrahmenrichtlinie verbindlich vor.
Zahlen zur weltweiten Lebensmittelverschwendung variieren. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt sie auf 1,2 Milliarden Tonnen. Die WWF-Studie „Driven to Waste“ geht von schätzungsweise 2,5 Milliarden Tonnen aus, berechnet dabei aber auch Schätzungen für die Verluste vor und während der Ernte bzw. vor der Schlachtung ein.
Lebensmittelverluste auf der Ebene der landwirtschaftlichen Produktion sind in vielen Ländern oft nicht als Lebensmittelabfälle definiert. So gelten Verluste, die vor und während der Ernte und der Aufzucht von Tieren entstehen, in der EU-Abfallrahmenrichtlinie nicht als Lebensmittelabfälle. Ebenfalls nicht erfasst werden in der EU-Abfallrahmenrichtlinie Lebensmittel, die noch als Tierfutter oder für die industrielle Nutzung verwendet werden. Das betrifft beispielsweise auch Toastbrot-Endscheiben vom frisch gebackenen Toastbrot, die im Tierfutter landen statt im Verkauf.