• Bestand der in und an Flüssen, Seen und Feuchtgebieten lebenden Wirbeltierarten seit 1970 um 83 Prozent zurückgegangen
• Flüsse und Bäche leiden unter Verlust ihrer Vernetzung durch Staudämme, Staustufen bzw. Wehre
• UN-Konferenz zum Schutz von Feuchtgebieten (COP 14) in Genf und Wuhan
Unseren Flüssen, Seen und Feuchtgebieten geht es schlecht. So ist seit 1970 allein der Bestand der dort lebenden Wirbeltierarten um 83 Prozent zurückgegangen. Grund dafür sind Eingriffe des Menschen in diese Ökosysteme. Flüsse beispielsweise werden vom Mensch seit Jahrtausenden als Wasserquellen, für Bewässerungszwecke, zur Energiegewinnung und als Transportwege genutzt und dafür zu Lasten der Ökologie kanalisiert, befestigt und gestaut. Anlässlich der vom 5. bis 13.11.in Wuhan und Genf stattfindenden UN-Konferenz zum Schutz von Feuchtgebieten (COP 14) fordert der WWF deshalb, die Flüsse weltweit auf einer Gesamtstrecke von mindestens 300.000 Kilometern zu renaturieren.
WWF-Süßwasserexpertin Theresa Schiller sagte: „Unsere Süßwasserökosysteme sind für die Menschheit lebensnotwenig und werden wegen der Klimaerhitzung immer wichtiger. Sie sind Wasserspender, wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen und Kohlenstoffspeicher. Doch ihrem Schutz wird kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Kein Wunder, dass seit 1970 weltweit ein Drittel der Feuchtgebiete verschwunden ist und sich dieser Niedergang drei Mal schneller vollzieht als bei Wäldern. Flüsse haben wir so stark verändert, dass weltweit nur noch ein Drittel der großen Ströme ungehindert ins Meer fließt.“ Süßwasserökosysteme bedecken zwar nur zwei Prozent der Erdoberfläche, beherbergen aufgrund ihrer außerordentlichen ökologischen Vielfalt jedoch zehn Prozent der bekannten Arten.
Bei Flüssen und Bächen sei der Verlust ihrer Vernetzung durch Staudämme, Staustufen bzw. Wehre eine der größten Bedrohungen für die dort vorkommenden Süßwasserarten. Wanderfische seien davon besonders stark betroffen und weisen in Europa seit 1970 Bestandsverluste von 93 Prozent auf. Ziel müsse also sein, die „Durchgängigkeit“ von Flüssen wiederherzustellen, unnötige Querbauwerke rückzubauen und Flussabschnitte großräumig zu renaturieren. „Wo Flüsse renaturiert werden, bestehen sehr gute Chancen auf eine drastische Erholung der Artenvielfalt“, sagte Theresa Schiller.
Sie verwies auch auf den schlechten Zustand der Flüsse in Deutschland, von denen weniger als zehn Prozent einen guten ökologischen Zustand aufweisen. „Am Beispiel der Oder wurde uns die ökologische Verletzlichkeit unserer Flüsse in diesem Jahr dramatisch vor Augen geführt“, sagte Theresa Schiller. Erforderlich sei, bestehende Schutzanforderungen wie beispielsweise die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie der EU zu erfüllen. Diese verlangt, dass alle Gewässer, von Flüssen, Seen, Feuchtgebieten bis zum Grundwasser, ursprünglich bis 2015 und nun spätestens 2027 einen guten ökologischen Zustand aufweisen sollen.
Zudem brauche es ambitionierte Renaturierungsziele und entsprechende Umsetzungsprogramme für Flüsse und Feuchtgebiete. „Hierzu sollte das internationale Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten (Ramsar-Konvention) dringend weiterentwickelt werden. Dies wäre auch ein wichtiges Signal für den Schutz von Süßwasserarten an die Weltnaturkonferenz im Dezember“, sagte Theresa Schiller.
Erforderlich sei aber auch ambitioniertes Handeln auf EU- und nationaler Ebene. Ein Hebel dafür ist beispielsweise das EU-Renaturierungsgesetz, über das derzeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten verhandelt wird. Der Entwurf für dieses Gesetz sieht vor, in der Europäischen Union mindestens 25.000 Kilometer frei fließender Flüsse wiederherzustellen.
Deutsche Initiativen für die Wiederherstellung von Feuchtgebieten sind beispielsweise die für kommende Woche angekündigte Moorschutzstrategie und das im Entwurf vorliegende Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. „Um der Biodiversitätskrise entgegenzuwirken, ist der Schutz von Flüssen und Feuchtgebieten zentral. Deswegen müssen für sie ambitionierte Ziele vereinbart und international wie national kraftvolle Maßnahmen umgesetzt werden“, sagte Theresa Schiller.