Mit Orkanböen über 200km/h zogen im Jänner 2007 die Stürme Franz, Kyrill und Olli über Europa. 62 Millionen Bäume knickten europaweit unter dem Winddruck wie Zündhölzer. Dabei sind allein in Österreich fast 9 Millionen Festmeter Schadholz angefallen. Nur ein Jahr später im Jänner und März 2008 sorgten die Stürme Paula und Emma für ähnliche Zerstörungen. In Österreich fielen wieder über 8 Millionen Festmeter Schadholz an. Allein in Kärnten waren 3500 Waldbesitzer von den Stürmen betroffen. Tote gab es während der Stürme und vor allem nachher bei den Aufräumarbeiten der Windwürfe.
Sind diese Sturmserien der Ausdruck eines verstärkten Sturmklimas in Europa und Österreich?
Christoph Matulla, Klimatologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat in seiner Arbeit "European storminess: late nineteenth century to present" das Sturmklima der vergangenen über rund 140 Jahre in Europa und speziell in Österreich untersucht. Den subjektiven Eindruck vieler - dass es eben stürmischer geworden ist - kann er dabei durchaus nachvollziehen: "Wer nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, hat bis in die 90er Jahre hinein - vor allem in Nord-West Europa - eine Entwicklung zu immer stürmischerem Klima mitgemacht", bestätigte er in seinem Vortrag am Mittwochabend auf der Hohen Warte. Allerdings: "Auf der anderen Seite haben unsere Groß- und Urgroßeltern um die Jahrhundertwende ganz eindeutig in stürmischeren Zeiten als wir gelebt!"
Im Einzelnen: Bei Analyse der Druckdaten der vergangenen 136 Jahre - von 1872 bis 2008 - stellt sich der Zeitraum um die Jahrhundertwende als die stürmischste Zeit in Mitteleuropa heraus. Danach folgte ein rapider Abfall der Sturmtätigkeit nach dem ersten Weltkrieg bis zu einem Minimum in den 30er Jahren. Und danach wiederum wurde es in Mitteleuropa bis in die 90er Jahre stetig stürmischer. In der Presse und in der Öffentlichkeit fand diese Tatsache in den 90er Jahren vor allem in Nord- und Westeuropa einen großen Widerhall. "Was aber kaum erwähnt wurde: Wir sind damals von einem unterdurchschnittlichen Sturmklima gestartet und haben die Werte der Jahrhundertwende in Mitteleuropa nie erreicht!", betonte Matulla. Seit den 90er Jahren hat sich das Sturmklima wieder ruhigeren Werten genähert. "Daran ändern auch die vergangenen Sturmserien nichts", erklärte Matulla "die liegen im ganz normalen Schwankungsbereich!"
Als eines der wichtigsten Resultate seiner Arbeit sieht Matulla, dass das Sturmklima in Europa und Österreich über die Jahrzehnte offensichtlich großen Schwankungen unterworfen ist. Jahrzehnten mit intensiverer Sturmtätigkeit folgen Jahrzehnte mit schwächerer Sturmtätigkeit. Sieht man allerdings über den Zeitraum von den bereits erwähnten rund 140 Jahren, dann ist kein Trend zu erkennen! Eine Erkenntnis, die sich auch mit anderen internationalen Arbeiten zum Thema deckt.
Für seine Untersuchung arbeitete Matulla mit Druckdreiecken, die sich aus den Messungen in Wien - Kremsmünster - Prag bilden. Es wurden ganz bewusst Druckmessungen und keine direkten Windmessungen verwendet, da die Winddaten auf Grund von Instrumentenwechseln, Stationswechseln, Bebauungs- und Bewuchsänderungen im Laufe von rund 140 Jahren große Störungen aufweisen und daher kaum vergleichbar sind. Dagegen sind Druckmessungen seit jeher von hoher Qualität. Sie sind - aus der ganzen Fülle an klimatologischen Messungen die an der ZAMG als "Datenschatz" vorliegen - das "Flaggschiff".
Dr. Christoph Matulla ist mehrfacher wissenschaftlicher Preisträger und arbeitete zuletzt beim Kanadischen Wetterdienst in Toronto. Seit August 2007 ist er an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik als Klimatologe und Klimamodellierer tätig. Ab dem Wintersemester 2009 hält er eine Vorlesung über Klimamodellierung an der Universität Wien.