„Dieses Urteil ist ein tiefer Einschnitt für den Schutz des Lebens in unserem Land. Der Wegfall des Verbots der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung läuft auf eine folgenreiche Umwertung hinaus: Was als schrankenlose Selbstbestimmung am Lebensende propagiert wird, kann zu einer gesellschaftlichen Normalisierung des assistierten Suizids und bei kranken, schwachen und auf Unterstützung angewiesenen Menschen zur Verinnerlichung eines Erwartungsdrucks und einem Sterbewunsch führen“, so Sternberg. Und weiter: „Hier droht vielen Menschen statt der verheißenen Selbstbestimmung eine wachsende Fremdbestimmung am Lebensende. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Sterben in Würde – aber die Vorstellung einer Gesellschaft, in der die Selbsttötung als Dienstleistung verfügbar ist, hat für mich nichts mit der Achtung der Menschenwürde zu tun. Gerade der Respekt vor der Selbstbestimmung jedes Menschen und seiner unantastbaren Würde in der extremen Lebenssituation des Sterbens erfordert neben der Sicherstellung einer umfassenden palliativen Versorgung ein gesetzliches Verbot der organisierten Suizidbeihilfe.“ Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken warnt vor Verhältnissen, wie man sie in anderen Ländern bereits beobachten kann: „Die Entwicklungen in einigen europäischen Nachbarländern mit liberalen Sterbehilfegesetzen, in denen der Zugang zu ärztlicher Suizidassistenz und Euthanasie kontinuierlich geweitet worden ist, sprechen eine deutliche Sprache.“
Der ZdK-Präsident äußert sein Unverständnis für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es sei den Verfassungsbeschwerden von Sterbehilfevereinen und Ärzten gefolgt, die sich in ihrer Berufsausübung eingeschränkt oder verunsichert sahen. Dem stünden aber Stellungnahmen von Medizinern, auch aus der Palliativmedizin, gegenüber, die in dem 2015 beschlossenen Gesetz keinen Widerspruch zur Verschaffung der bestmöglichen palliativen Versorgung und der Linderung von Leiden bei schwerer Krankheit und im Sterbeprozess sehen. Sternberg unterstreicht: "Wie sie bin ich der Überzeugung, dass es bei dem bisher geltenden gesetzlichen Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe in außerordentlicher Weise gelungen ist, die Verfassungsgüter der Menschenwürde, der Selbstbestimmung, des Lebensschutzes und des Schutzes besonders schwacher Menschen in Einklang zu bringen. Überdies sind mir keine Verurteilungen von Ärzten wegen eines Verstoßes gegen den neuen § 217 StGB bekannt.“ Sehr wohl habe die Regelung aber, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, das Geschäftsmodell der so genannten Sterbehilfevereine beinträchtigen können. „Wenn diese Vereine nun vom Bundesverfassungsgericht eine Art Gütesiegel für die Förderung der Selbstbestimmung am Lebensende verliehen bekommen, verkehrt das den politischen Willen des Gesetzgebers“, kritisiert der ZdK-Präsident und ruft in Erinnerung, dass das Gesetz 2015 nach einer fast zweijährigen, intensiven gesellschaftlichen und parlamentarischen Debatte und einer parteiübergreifenden Suche nach einer tragfähigen Lösung eine deutliche Mehrheit im Bundestag erhalten hat. „Es ist schon bemerkenswert, wie sich das Bundesverfassungsgericht darüber hinwegsetzt und so selbst Politik macht.“