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Menschenwürde und Solidarität als Pfeiler für ein neues europäisches Asylsystem

Stellungnahme der Initiative Christen für Europa (IXE)

(lifePR) (Bonn, )
Die Initiative Christen für Europa (IXE) ruft die Europäische Union auf, zu einer an der Rechtsstaatlichkeit orientierten Asyl- und Migrationspolitik zurückzukehren. Sie kritisiert, dass es den Mitgliedsstaaten, insbesondere an den Außengrenzen, nicht gelingt die Mindestanforderungen der Verfahren zu beachten.

Vor diesem Hintergrund begrüßen die Mitglieder von IXE in einer gemeinsamen Stellungnahme den Vorschlag der EU-Kommission zu einem neuen Migrations- und Asylpaket. „Wir glauben, dass dieses zu einem tragfähigen Kompromiss führen kann, auf dem unbedingt aufgebaut werden muss und wir fordern unsere jeweiligen nationalen Entscheidungsorgane auf, sich zeitnah und ehrlich an den Verhandlungen zu beteiligen, damit dieser Kompromiss innerhalb des vorgeschlagenen Zeitplans rasch verabschiedet werden kann“, heißt es in der Erklärung.

Richtig sei die Errichtung eines neuen, solidarisch organisierten Systems der Regierungsführung zur Optimierung der Migrations- und Asylpolitik der Mitgliedstaaten und zur gemeinsamen Reaktion in Krisensituationen. Dabei soll die Kompetenz bei der Kommission belassen werden, anstatt sie der Entscheidung des Rates zu überantworten. Dies habe nicht funktioniert und sollte nicht wiederholt werden.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt nach Überzeugung von IXE, dass Regeln und Grundsätze allein nicht ausreichen, um ein an der Menschenwürde orientiertes Handeln zu gewährleisten. Es bedürfe einer nachdrücklichen und solidarischen Stärkung der Ressourcen in den Mittelmeerstaaten.

Mit dem vorliegenden Reformpaket soll das Ausmaß der Rückführung deutlich erhöht werden. Diese dürfe aber nicht zum „nec plus ultra“ der europäischen Asylpolitik werden. Zudem dürften abgelehnte Asylbewerber nicht gezwungen werden, an Orte zurückzukehren, an denen die Menschenwürde und ihre Sicherheit nicht geachtet würden.

Die Erklärung im Wortlaut:

 

 

Menschenwürde und Solidarität als Pfeiler für ein neues europäisches Asylsystem

10. Oktober 2020

1. Die EU basiert auf Rechtsstaatlichkeit. Gegenwärtig ist dies in Bezug auf die Asyl- und Migrationspolitik nicht der Fall. Eine veraltete und schlecht umgesetzte "Dublin-Verordnung" ist immer noch in Kraft. Die Mitgliedstaaten, insbesondere an den Außengrenzen, beachten nicht die Mindestanforderungen der Verfahren; die Anspruchsvoraussetzungen weichen zu sehr voneinander ab; Umsetzungsmängel des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems werden weder überwacht noch korrigiert; Such- und Rettungseinsätze auf See führen zu ad-hoc Verhandlungen in jedem Einzelfall, unter Missachtung der Menschenrechte; es fehlt an Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Verträge. In jüngster Zeit haben die Mitgliedstaaten die Augen davor verschlossen, dass die griechischen Behörden eindeutig gegen den Grundsatz der "Nichtzurückweisung" verstoßen haben, bieten aber gleichzeitig wenig Unterstützung bei der Umsiedlung potenzieller Asylbewerber von den griechischen Inseln an. Diese chaotische Situation entspricht nicht dem Rechtsstaatsprinzip und ist für solche Tragödien wie die, die wir in Moria erlebt haben, verantwortlich.

Da es dringend geboten ist, diese Situation zu verändern, begrüßen wir als Initiative Christen für Europa (IXE) das am 23. September von der Europäischen Kommission vorgelegte "Neue Migrations- und Asylpaket". Wir glauben, dass dieses zu einem tragfähigen Kompromiss führen kann, auf dem unbedingt aufgebaut werden muss; und wir fordern unsere jeweiligen nationalen Entscheidungsorgane auf, sich zeitnah und ehrlich an den Verhandlungen zu beteiligen, damit dieser Kompromiss innerhalb des vorgeschlagenen Zeitplans rasch verabschiedet werden kann.

2. Wir wollen insbesondere auf den positiven Elementen aufbauen, die im vorliegenden globalen und integrierten Vorschlag der Europäischen Kommission enthalten sind:
  • Ein neues, solidarisch organisiertes System der Regierungsführung zur Optimierung der Migrations- und Asylpolitik der Mitgliedstaaten und zur gemeinsamen Reaktion in Krisensituationen. Wir fordern unsere nationalen Entscheidungsträger nachdrücklich auf, die Umsetzung dieses europäischen Rahmens für die Verwaltung von Migration und Asyl zu gewährleisten und gleichzeitig die Kompetenz bei der Kommission zu belassen, anstatt sie der Entscheidung des Rates zu überantworten: Dies hat nicht funktioniert und sollte nicht wiederholt werden.
  • Ein obligatorischer Solidaritätsmechanismus, der von der Kommission auf Antrag der betroffenen Mitgliedstaaten ausgelöst wird und alle Mitgliedstaaten der EU einbezieht. Wir fordern unsere nationalen Entscheidungsträger dringend auf, ihre Bereitschaft zur Beteiligung an diesem Mechanismus zu erklären und seine Umsetzung durch gegenseitige Zusammenarbeit zu erleichtern.
  • Die Ausdehnung des obligatorischen Solidaritätsmechanismus auf Such- und Rettungsaktionen bei gleichzeitiger Sicherung des Rechts privater Schiffe, Migranten, die in Lebensgefahr sind, Hilfe zu gewähren. Wir fordern unsere nationalen Behörden nachdrücklich auf, der diesbezüglichen Empfehlung der Kommission auf der Grundlage der internationalen Seerechtsvorschriften zu folgen und sich auf das vorgeschlagene Verfahren zu einigen, das die Solidarität mit dem Staat der Ausschiffung sicherstellt.
3. Wenn jedoch der Schutz der Menschenwürde, wie von der Europäischen Kommission befürwortet, weiterhin im Mittelpunkt des neuen Paktes stehen soll, zeigt die Erfahrung, dass Regeln und Grundsätze nicht ausreichen. Es bedarf einer wirksamen Umsetzung, der Einhaltung von Standards und einer angemessenen Personalausstattung. Daher fordern wir als IXE die Kommission, unsere nationalen Entscheidungsträger und das Europäische Parlament dringend auf, den folgenden Erwartungen wirklich Beachtung zu schenken:
  • Die jetzt vorgeschlagenen Identitäts- und Sicherheitskontrollen von Flüchtlingen in den EU-Grenzstaaten innerhalb von maximal fünf Tagen sind gut und wichtig. Dennoch ist hier umfangreiche europäische Unterstützung erforderlich, denn wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass die nationalen Ressourcen in den Mittelmeerstaaten oft nicht ausreichen, um dies zu erreichen.
  • Es muss sichergestellt werden, dass auch die Asylverfahren von Menschen, deren Heimatländer eine Anerkennungsquote von weniger als 20 % aufweisen, den rechtlichen Anforderungen eines regulären Asylverfahrens entsprechen. Die Lebensumstände jedes Einzelnen müssen stets berücksichtigt werden, und die Inhaftierung muss auf ein Minimum beschränkt werden. Die Grenzstaaten dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Sie müssen europäische Unterstützung in der Verwaltungsorganisation und ausreichende (fachliche) Ressourcen erhalten und akzeptieren. Die neue Agentur Frontex und die neue Europäische Asylbehörde sollten in dieser Hinsicht mit ausreichend qualifiziertem Personal ausgestattet werden.
  • Um sicherzustellen, dass die Praxis unserer Mitgliedstaaten bei der Anerkennung von abgelehnten Asylanträgen wirklich konvergiert, sollte die Europäische Asylbehörde mit deren Überwachung beauftragt werden und die Kommission sollte gegebenenfalls den Europäischen Gerichtshof um Sanktionen ersuchen.
  • Der obligatorische Solidaritätsmechanismus legt über die Umsiedlung hinaus großen Wert auf eine Rückführungspolitik, die von den Mitgliedstaaten zur Unterstützung des betroffenen Grenzstaates zu leisten ist. Die Europäische Kommission hat gut daran getan, die Idee der Rückführung abgelehnter Flüchtlinge in Transitländer nicht in den Reformvorschlag aufzunehmen. Dennoch will die Kommission das Ausmaß der Rückführung deutlich erhöhen. Wir als IXE bestehen darauf, dass die Rückführungspolitik nicht zum "nec plus ultra" der EU-Asylpolitik werden darf. Bei der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie darf kein abgelehnter Asylbewerber gezwungen werden, an einen Ort zurückzukehren, an dem die Menschenwürde und Sicherheit nicht geachtet werden. Zu diesem Zweck sollte die Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration in dem neuen System die größte Aufmerksamkeit erhalten.
4. Dem vorgelegten Reformpaket fehlen wichtige Elemente. Als IXE sind wir der Ansicht, dass dies nur ein erster Schritt sein kann, dem weitere Schritte folgen müssen, damit wir in Europa endlich wieder ein funktionierendes und humanes Asylsystem erhalten.Dem neuen Pakt fehlt ein positives Narrativ, das sich an die europäischen Bürgerinnen und Bürger und die Menschen auf der ganzen Welt wendet. Mobilität ist Teil unserer gemeinsamen Vergangenheit und Zukunft; sie erfordert einen fairen und vorhersehbaren Rahmen für die Organisation der Migration in die EU und aus der EU, auch um zu studieren oder Arbeit zu suchen. Sich auf den kürzlich vereinbarten Globalen Migrationspakt der Vereinten Nationen zu stützen, würde eine konstruktive Grundlage für den Beginn einer echten Partnerschaft auf Augenhöhe mit den Herkunftsdrittländern bieten. Er könnte auch als Inspiration für eine wirklich europäische Politik der legalen Migration dienen, die zwar noch fehlt, aber nach wie vor eine entscheidende Antwort auf illegale Migration darstellt. Wir empfehlen, dass sichere und legale Wege für Migrantinnen und Migranten sowie humanitäre Korridore für Flüchtlinge ausgebaut werden, durch die sie sicher nach Europa kommen und willkommen geheißen, geschützt, gefördert und integriert werden können, (Papst Franziskus in "Fratelli tutti", 2020). Auch in der gegenwärtigen Lage angesichts der COVID-19-Pandemie sollten wir die Entwicklungszusammenarbeit stärken, um den Menschen bessere Chancen in ihren Heimatländern zu sichern.

 

Als IXE fühlen wir uns verpflichtet, in unseren Kirchen und in unseren jeweiligen Ländern die Unterstützung jener zukunftsorientierten Wege für eine vollwertige europäische Migrations- und Asylpolitik zu fördern.

 

Die Initiative Christen für Europa (IXE) ist ein Zusammenschluss von Laienorganisationen und engagierten Christen aus verschiedenen europäischen Ländern. Allgemeines Anliegen von IXE ist es, ein lebendigeres Bewusstsein für ein vereintes Europa in die nationalen Debatten einzubringen. Ziel der Initiative ist es, die Begegnung von Christen in Europa zu fördern und die Soziallehre der Kirche voranzubringen, um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und Verständnis der historischen und kulturellen Unterschiede zu erreichen. Weitere Informationen: www.initatitive-ixe.eu

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Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Entsprechend dem Dekret des II. Vatikanischen Konzils über das Apostolat der Laien (Nr. 26) ist das ZdK das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ, das die Kräfte des Laienapostolats koordiniert und das die apostolische Tätigkeit der Kirche fördern soll. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von Beschlüssen anderer Gremien unabhängig.

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