PIANO+ präsentiert aktuelle kompositorische Ansätze, in denen das Instrument Klavier erweitert oder in ungewöhnlicher Weise eingesetzt wird. Der 30. November ist dann der festlichen Preisverleihung sowie der Präsentation von Preisträgerwerken vorbehalten.
Gemeinsam mit dem EXPERIMENTALSTUDIO des SWR zeichnet das ZKM Komponistinnen und Komponisten mit Preisen in den Kategorien "Elektronische Musik" aus. Erstmals verleiht das ZKM in diesem Jahr darüber hinaus den Giga-Hertz-Preis für SoundArt.
Mit dem Giga-Hertz-Preis für "Elektronische Musik" werden in diesem Jahr die Komponisten John Chowning (USA) und Francis Dhomont (F) für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Der französische Mitbegründer der Musique concrète Pierre Henry erhält in diesem Jahr den ersten Giga-Hertz-Preis für "SoundArt". Neben der Preisverleihung finden zahlreiche Konzerte und Präsentation der diesjährigen Preisträger und der Produktionspreisträger des Jahres 2012 statt und versprechen so ein vielseitiges und abwechslungsreiches Programm aus dem breiten Spektrum der Elektronischen Musik. Einer der Höhepunkte des Abends wird zudem eine Performance der Gruppe Chicks On Speed sein.
Als Festival im Festival bildet PIANO+ einen festen Bestandteil von IMATRONIC. Das Kernthema dieser Konzertreihe ist die Verbindung elektronischer Musik mit Klavier. An drei Tagen werden in vier Konzerten 20 Werke sowie Uraufführungen in diesem Zusammenhang präsentiert. Unter anderem von Komponisten wie Alvin Lucier, Tom Johnson und Luc Ferrari; daneben auch neue Kompositionen des Preisträgers 2011 Anthony Tan.
ANNEX
Statements der Jury zu den Preisträgern der Giga-Hertz-Preise für SoundArt
Pierre Henry gilt als einer der Wegbereiter der Musique Concrete. Als Schüler von Nadia Boulanger und Olivier Messaen traf er 1949 auf Pierre Schaeffer mit dem er die "Symphonie pour un homme seul", aber auch die für einen Eclat in Donaueschingen sorgende Experimentaloper "Orphee 53" schuf. Neben diesen maßgeblich für die Ästhetik einer neuen Musik verantwortlichen Kompositionen schuf Henry zahlreiche Tanzkompositionen für Choreographien von Maurice Bejart und Alwin Nikolais. Neben diesen bereits historischen Verdiensten ist Henry aber auch ein Vorbild für die junge Generation und wird als einer der Väter der Techno-Musik gesehen.
Die in Köln lebende Künstlerin Evelina Rajca erhält einen der Produktionspreise des neuen Giga-Hertz-Preises für SoundArt. Die Jury begeisterte am Werk "Explosive Conductor" die spielerische Art und Weise, mit der Evelina Rajca ihre Klangskulpturen in performative Akteure verwandelt und aus den Aggregatszuständen des Materials eine musikalische Komposition entstehen lässt. Der Brite Anthony Elliott wird ebenfalls mit einem Produktionspreis ausgezeichnet. In seiner Arbeit "Rheos-stat, a flowing, stream" verwandelt sich - durch den Einsatz von leitfähiger Tinte und 3-DDrucktechniken - bildnerische Form in Klang. Die Jury überzeugte der fließend-unfixierte Charakter der Arbeit, die sich auf dreifache Weise stets wandelt: Durch die Applikation von grafischen Mustern auf Papieruntergrund, durch den Trocknungsgrad der Tinte und durch Eingriffe des Publikums, das die Tintenmuster mit kleinen Pickups "bespielen" kann.
Beide künstlerischen Ansätze stehen für die spielerisch-humorvolle Auflösung fester Medien- und Genrebegriffe und die Überführung einer skulpturalen Auffassung von Klang hin zu performativen bzw. improvisatorischen Ansätzen.
Statements der Jury zu den Preisträgern der Giga-Hertz-Preise für Elektronische Musik
Der Komponist und Wissenschaftler John Chowning setzte in den siebziger Jahren Maßstäbe in der elektronischen Musik. Mit dem von ihm entwickelten Raumsimulationsverfahren, führte er einen entscheidenden Arbeitsbereich Stockhausens fort. Er erfasste die Gesetze der digitalen Frequenzmodulation und verwendete diese systematisch zur Synthese spezifischer Spektra von Instrumentalklangfarben. Diese Erkenntnisse fasste er in seiner 12 Jahre nach "Kontakte" entstandenen bahnbrechenden Komposition "Turenas" zusammen. Das daraus entstandene Patent der digitalen FM-Klangsynthese revolutionierte die Welt der Musik. Es avancierte nach dem Patent für die Anti-Baby Pille von Djerassi zum lukrativsten Patent, das die Stanford University jemals verwertete. Die experimentelle und vor allem die Pop-Musik der 1980er- Jahre ist ohne die FM-Synthese nicht denkbar und kann damit als ein elementarer Bestandteil der Kultur des 20. Jahrhunderts gelten.
Francis Dhomont wird für seinen Einfluss auf die moderne Klangsprache gewürdigt. Nach einer längeren Arbeitszeit im ästhetischen Umfeld von Pierre Schaeffer folgte der Komponist 1979 einem Ruf nach Montreal. Dort entwickelte er seinen eigenen Stil der nicht nur eine große Aufmerksamkeit in der Musique Concrete errang. Seine Hochschultätigkeit ließ ihn zum einflussreichsten Lehrer in der kanadischen Szene werden, die wiederrum jahrzehntelang die international erfolgreichste war. Dhomonts Stil, der zwischen Wort- und Klangkomposition zu verorten ist, sucht mit seiner emotionalen Intensität seinesgleichen. Im Laufe seines Schaffens perfektionierte Dhomont Schaeffers Idee der klanglichen Icons und verlieh ihnen eine Eindringlichkeit die später zu dem Begriff des 'cinema for the ears' führen sollte.
Zu den Produktionspreisträgern gehören junge Künstler aus dem internationalen Raum, die durch aktuelle Kompositionen und Produktionen im Bereich der elektronischen Musik auffallen. Die Produktionspreise richten sich auf die Realisierung einer neuen, noch nicht bestehenden Produktion.
Daniel Blinkhorn (*1973)
Die Kompositionen und audiovisuellen Arbeiten des Komponisten, Klang- und Medienkünstlers aus Sydney werden zunehmend auf zahlreichen internationalen Festivals aufgeführt. Blinkhorn arbeitet in zahlreichen, unterschiedlichen kreativen, akademischen, forschenden und lehrenden Zusammenhängen. Er ist ein begeisterter Klangforscher, der sich auf ortsspezifische Feldaufnahmen spezialisiert hat und sich im Zuge dessen auf Reisen ins Amazonasgebiet, den westindischen Inseln, nach Nordeuropa, dem Nahen Osten, nach Australien und durch die Arktis und Nordpolarpolarregion von Spitzbergen begeben hat. Als Autodidakt der elektroakustischen Musik, Sound Art und Medienkunst hat er am australischen Universitäten College of Fine Art der University of New South Wales und an der University of Wollongong studiert, an der er 2007 den Doktortitel für Komposition mit besonderer Auszeichnung erhielt.
Leo Hofmann (*1986)
Der Komponist und Medienkünstler aus Bern, Leo Hofmann, experimentiert mit den Formaten des Hörspiels und komponiert nicht selten auf Grundlage der menschlichen Stimme. Er kreiert und interpretiert Stücke, die zwischen musikalischer Performance und inszeniertem Konzert angelegt sind. Mit seinen intermedialen Collagen aus Wörtern, Klängen und Gesten - häufig unter Verwendung von Sensoren am Körper -, setzt er sich mit den veränderten Voraussetzungen und Potenzialen von musikalischer und szenischer Gestaltung auseinander. Ferner umfasst seine Arbeit Musik für Theaterproduktionen, radiophone Stücke und Klanginstallationen.
Alexander Schubert (*1979)
Bereits während seines Studiums der Informatik und der Kognitionswissenschaften in Leipzig, war Schubert als Musiker und Komponist in verschiedenen Kontexten tätig. Seit 2011 ist er Doktorand im Themenfeld sensorgestützter, elektroakustischer Performance, er lehrt an der Musikhochschule Lübeck und ist als freischaffender Komponist tätig. Grundsätzlich beschäftigt er sich genreübergreifend mit der Schnittstelle akustischer und elektronischer Musik. Formal notierte Live-Elektronik-Kompositionen und Tonbandwerke gehören genauso zu seinem Arbeitsfeld wie der Entwurf von Software-Setups und die sensorbasierte Erweiterung von Instrumenten für eine intuitive Bedienung im improvisierten Kontext. Ein anhaltender Schwerpunkt ist die Kombination von improvisierter und notierter Musik - sowohl auf struktureller wie auf ästhetischer Ebene. Diverse Werke weisen multimediale und grafische Elemente auf - zum Beispiel bei Stücken für Solisten und Live-Video und bei interaktiven Installationen.
Ying Wang (*1976)
Aus Shanghai stammend, studierte Ying Wang zunächst Komposition bei Xilin Wang, Gang Chen, Daquen Jia am Konservatorium in Shanghai. Aufbaustudien führten sie ab 2003 nach Deutschland zu York Höller an die Musikhochschule Köln. Seit 2008 studiert sie elektronische Komposition bei Michael Beil. Während ihres derzeitigen Konzertexamens im Bereich Komposition erhält sie Unterricht von Rebecca Saunders und Johannes Schöllhorn. Ying Wangs Werke sind für verschiedene Formationen geschrieben, von Solostücken und Elektronischer Musik über Kammermusik bis hin zu Orchesterwerken.
Roque Rivas (*1975)
Der in Santiago, Chile geborene Roque Rivas startete seine musikalische Laufbahn als Jazzmusiker. Nach einem Studium am Musikkonservatorium in Santiago zog er nach Frankreich, wo er elektroakustische Komposition und Computermusik in Lyon und am Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris studierte. Von 2006 bis 2008 folgte ein Studium der Komposition und Computermusik am IRCAM. Heute ist Rivas ein Spezialist der Live-Electronik. Bisher erhielt er zahlreiche Kompositionsaufträge, u.a. vom Ensemble Intercontemporain, London Sinfonietta, Ictus Ensemble und Remix Ensemble. Seine Werke wurden weltweit auf namhaften Festivals und in Museen aufgeführt.