Durch die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts hindurch - vertrieben aus Litauen, eingesperrt in, und auf der Flucht aus deutschen Lagern - fand Mekas seine zweite Heimat 1949 in New York. Beständig setzte er sich im Laufe der Jahre mit den künstlerischen Bewegungen der Stadt (Beat Generation, Fluxus, abstrakter Expressionismus, Pop Art) und ihren Protagonisten auseinander. Indem er 1962 die Film-Makers' Cooperative ins Leben rief, revolutionierte er den Distributionsapparat jenseits des Hollywood-Mainstreams. Mit der Gründung der Anthology Film Archives, deren Direktor er heute noch ist, legte er 1970 schließlich den Grundstein für die Erforschung, Bewahrung und Ausstellung jener Kunstrichtung, die er mitbegründete. Seitdem wird sein Schaffen immer wieder in großen Ausstellungen in den Vereinigten Staaten und in Europa gewürdigt, zuletzt in einer Doppelausstellung im Museum Ludwig in Köln (2008), der Serpentine Gallery in London (2010) sowie im vergangenen Jahr im DOX in Prag.
Im 365 Day Project (2007), das ein Jahr in 365 kurzen Filmen reflektiert und das am ZKM | Karlsruhe zum ersten Mal als große Installation auf 52 Monitoren zu sehen ist, begegnet dem Betrachter eine vielfältige Sammlung von Ausschnitten aus Mekas Leben. Landschaftsaufnahmen wechseln sich ab mit Mitschnitten von öffentlichen Veranstaltungen, Konzerten, Treffen mit Freunden wie Jean-Jacques Lebel oder Peter Kubelka, Archivaufnahmen und philosophischen Betrachtungen, die Mekas in seiner Küche in Brooklyn frontal in die Kamera spricht.
Die Elemente des 365 Day Project verbindet dabei jedoch mehr als nur die Idee eines in aller Konsequenz betriebenen filmischen Tagebuchs. In der sprunghaften Bewegung durch das Projekt enthüllen sich komplexe inhaltliche und formale Netzwerke zwischen den einzelnen Filmen. In der Wiederholung von Kamerabewegungen, Perspektiven und Lichtverhältnissen entsteht ein Biotop von Referenzen. Mekas versteht es dabei, das oft kritisierte "egalisierende" Moment des Digitalen geschickt zu nutzen und die medialen Eigenheiten seiner kleinen digitalen Videokamera zur Verfugung eben dieser Netzwerke einzusetzen. Sein zentrales künstlerisches Prinzip des "re-use", der Wieder- und Mehrfachverwendung filmischen Materials aus unterschiedlichen raumzeitlichen und medialen Zusammenhängen konzentriert sich im 365 Day Project auf das Material eines einzigen Jahres - 2007.
Mekas künstlerische Arbeit dreht sich immer wieder um die für seine Biographie so zentralen Themen Heimat und Erinnerung. Seine Werke reflektieren dabei aber auf eindrückliche Weise ebenso die formalen Eigenheiten der zum Einsatz kommenden Medien: vom klassischen 16- mm-Film über frühe digitale Videosysteme bis hin zum internetbasierten Videoarchiv und anderen experimentelle Formen der Distribution und Präsentation, die Mekas ohne Berührungsängste für das Avantgardekino erschließt.