Auf den ersten Blick sehen alle sechs im Zoo Basel lebenden Geparde gleich aus. Das aufmerksame Auge vermag jedoch schnell Mutter Msichana (9) von den fünf nur wenig kleineren Jungen vom September letzten Jahres zu unterscheiden. Bei den zu unregelmässigen Zeiten stattfindenden Fütterungen sind die unterschiedlichen Temperamente der fünf Jungtiere gut zu erkennen. Von den sechs Hühnern, die ihnen der Pfleger bringt, beansprucht die Mutter das erste. Die fünf weiteren werden blitzschnell von den Jungen gepackt, mit den scharfen Vorbackenzähnen zerlegt und verschlungen. Keine zehn Minuten später hat der schnellste von seinem Huhn nur noch einen Rest des Halses und die Füsse übrig gelassen und sieht sich nach weiteren Happen um. Da die Beute gemeinsam verzehrt wird, ist es für die frecheren Tiere ein Leichtes, den scheuen einen Teil ihrer Portion abzujagen. Jeder schaut zuerst für sich.
Mit neun Monaten sind die Jungen beinahe so gross wie die Erwachsenen. Was hält sie auch im Freileben in der Gruppe zusammen? Warum machen sie sich nicht einfach auf und davon - jeder auf der Suche nach seinem eigenen Glück? In diesem Alter folgen junge Geparde in der Savanne nicht mehr einfach der Mutter zu der von ihr geschlagenen Beute. Jetzt haben sie zu lernen, wie sie sich selbst Nahrung beschaffen können. Die Mutter wird dabei zur Lehrmeisterin, fängt junge Gazellen lebendig und setzt sie ihrer Jungmannschaft vor. Völlig überfordert ist diese anfangs kaum in der Lage, die leichte Beute zu töten. Auch für Geparde ist die Jagd eine hohe Kunst, die über lange Zeit und mit täglicher Übung erlangt werden muss. Nur wer in der Lage ist, eine geeignete Beute auszumachen und sich auf eine Sprintdistanz von wenigen hundert Metern anzupirschen, erhält die Chance zur eigentlichen Jagd. Das fliehende und Haken schlagende Ziel des Angriffs darf im Schnelllauf nicht verloren werden, damit es im entscheidenden Moment mit einem Pfotenschlag zu Fall gebracht und durch einen Biss getötet werden kann. Nur wer das alles beherrscht, kommt an seine tägliche Portion Fleisch. Junge Geparde brauchen dafür rund ein weiteres Jahr. Dann, etwa im Alter von frühestens achtzehn Monaten, werden sie von der Mutter verlassen.
Die prächtigen Jungtiere sind noch ein weiteres Jahr im Zoo Basel zu bewundern. Diese Entscheidung wurde kürzlich in Absprache mit dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) der EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) getroffen. Die heikle Nachzucht dieser seltenen und bedrohten Tiere gelingt umso leichter, wenn die Heranwachsenden ähnlich lang wie im Freileben in ihrer Geburtsgruppe verweilen. Später sollen die in Basel geborenen Tiere an andere der rund 80 am Zuchtprogramm beteiligten Zoos weitergehen, um die derzeit etwa 370 Individuen zählende Zoopopulation weiter anwachsen zu lassen. In Afrika lebt noch eine abnehmende Zahl von höchstens 10 000 Geparden in kleinen inselartig voneinander isolierten Restvorkommen. Sorgen wir dafür, dass für den "goldenen Blitz der Savanne" die Sonne nicht untergeht!