Bregenzer Meisterkonzerte – Le Concert des Nations, Jordi Savall
Die vier Elemente Luft und Wasser, Feuer und Erde und dazu das wilde Treiben der rachsüchtigen Furien stellt Jordi Savall, der Altmeister der Barockmusik, in den Mittelpunkt seines Programms. Le Concert des Nations ist auf historischen Instrumenten überall zuhause und führt uns von der Themse über eine Station in Wien an den französischen Königshof: Der Phantasie des Hörers und der Hörerin sind in der wunderbar feinsinnigen und farbenreichen Musik des 18. Jahrhunderts keine Grenzen gesetzt, wenn Matrosen und Wassergötter, Winde und ein steinerner Gast sich ein Stelldichein auf der Bühne des Festspielhauses geben. Das Element Erde lässt sich in Tönen wohl am schwierigsten darstellen, doch indem sich das Programm aus einer Vielzahl an Tänzen zusammensetzt, bilden Tanz- und Bühnenboden buchstäblich die erdende Basis.
Mit Georg Friedrich Händel begeben wir uns aufs Wasser, genauer auf die Themse, flussaufwärts vom Palast in Whitehall bis Chelsea: Drei Stunden soll die Fahrt gedauert haben, genug Zeit, um den aus Deutschland kommenden König Georg I. und seine Begleitung mit allerlei festlicher Orchestermusik, einem schönen Oboensolo und Tänzen aus Frankreich und England zu unterhalten. Der König war so angetan von dieser „Wassermusik“, dass er sie gleich nochmals und auch auf der Rückfahrt hören wollte. Händel stellte drei Suiten zusammen, die erste mit Hörnern, Oboen und Streichern leitet diesen Konzertabend ein.
Das Element Feuer stellen Jordi Savall und sein Orchester mit der Ballettpantomime „Don Juan. Convitato di pietra“ aus dem Jahr 1761 in den Mittelpunkt: Es ist das Feuer, das im Herzen des stets nach neuen Eroberungen und Liebesabenteuern suchenden Don Juan brennt, und das Feuer, das die Furien am Ende mit ihren Fackeln entzünden, um den gewissenlosen Verführer in die Hölle zu stoßen. Christoph Willibald Gluck bringt uns diesen spanischen Helden und seinen „steinernen Gast“ nahe, ein Jahr später ließ er die Furien in seiner berühmten Oper „Orfeo ed Euridice“ wirbeln.
In die Welt der großen französischen Barockoper führt Jordi Savall schließlich mit zwei Suiten von Marin Marais (aus „Alcione“) und Jean-Philippe Rameau (aus „Les Boréades“). Am französischen Königshof wurde ein „Gesamtkunstwerk“ für Orchester, Chor, Solisten und Ensembles geschaffen, reich an Bühneneffekten, großartiger Ausstattung und Tanzdivertissements. Die komplizierten Operntexte bedienten sich aus Stoffen der Mythologie mit ihrer Vielzahl von amourösen Verstrickungen bei Göttern und Menschen. In der Abfolge von Arien, Rezitativen, Chören oder Zwischenspielen entstand ein besonderer französischer Opernstil, auch der Gesangsstil ist mit seinen typischen Verzierungen individuell. Wichtig für die von Jordi Savall getroffene Auswahl sind die so packenden Darstellungen der Winde und Stürme (in der Natur ebenso wie in der Seele) und die Tänze von Matrosen, Meeresgottheiten oder Windgöttern. Marin Marais wurde als Gambenvirtuose unsterblich (und in dem schönen Film „Tous les matins du monde“ – „Die siebente Saite“ auch einem anderen Publikum bekannt gemacht). Jean-Philippe Rameau wirkte als Cembalist, Organist, Komponist und Musiktheoretiker und sein facettenreiches Gesamtwerk wird heute nicht nur durch Jordi Savall, sondern auch durch viele Musizierende wiederbelebt, die sich von Rameaus Farbenreichtum begeistern lassen.
Text: Katharina von Glasenapp