- AvD hatte den Politiker am 14. Oktober in Frankfurt zu Gast
- Kubicki: Diskussionen führen und andere Meinungen aushalten
- Meinungsstreit braucht „aktive Nachahmer“
AvD-Vizepräsident Gert Stracke, in Vertretung des AvD-Präsidenten Ludwig Fürst zu Löwenstein, und AvD-Generalsekretär Lutz Leif Linden begrüßten den Referenten. In gewohnt pointierter Form illustrierte der Redner sein Thema mit vielen Beispielen. Darunter die Auseinandersetzung mit dem Stadtdirektor von Essen wegen des digitalen Formulars, um Verstöße gegen Corona-Regeln zu melden. Kubicki hält dies für rechtswidrig und will seine Auffassung zu diesem und anderen kontroversen Themen in den öffentlichen Diskurs einbringen.
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut
Der Politiker sieht die Meinungsfreiheit aufgrund der aktuellen Debattenkultur als gefährdet an. Es gäbe eine Diskrepanz zwischen dem, was, durch das Recht geschützt, gesagt werden darf und dem was mittlerweile viele Menschen denken, was sagbar ist. Er benannte die öffentlichen Diskussionen um Äußerungen von Dieter Nuhr, Lisa Eckahrt oder dem Kolumnisten Rainer Meyer (Don Alphonso) als Beispiele für eine Verengung von argumentativen Auseinandersetzungen.
Wolfgang Kubicki stellte klar, dass die Meinungsfreiheit unter Geltung des Grundgesetzes ein hohes Gut ist. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sollten nach seiner Auffassung die Strafgesetze die Grenzen des öffentlich Sagbaren bilden. Er hielt fest, dass andere Meinungen zumindest ertragen werden müssen, auch wenn sie aus der Sicht des Gegenübers abwegig oder falsch sind. Jeder Versuch, durch eine „Sprachpolizei“ bestimmte Begriffe oder Argumente einer offenen Debatte zu entziehen, schürt Misstrauen und Angst.
Der FDP-Politiker plädierte dafür, sich Auseinandersetzungen zu stellen, auch wenn sie heftig werden. Er bezog sich beispielhaft auf die politischen Auseinandersetzungen um Flüchtlinge, die Schadstoff- und Feinstaub-Emissionen von Kraftfahrzeugen oder den Umgang mit der Corona-Pandemie. Die Beschäftigung mit solchen Problemen müsse argumentativ erfolgen und dürfe keine Ängste wecken. Kubicki kritisierte an der Stelle die Medien, denen er vorwarf, die eigene Haltung vor die Mitteilung von Fakten zu stellen. Oft würden Medienvertreter mit ihren persönlichen oder privaten Meinungen versuchen, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. So werde ein „Mainstream“ erzeugt, statt neutral zu informieren.
Kritisches Nachfragen ist wichtig
Er ermunterte, kritisch nachzufragen, etwa bei wissenschaftlichen Aussagen zu Corona oder den Anordnungen von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Der Jurist verwies auch auf die mittlerweile große Anzahl von Gerichtsentscheidungen, die behördliche Maßnahmen vor allem darauf überprüfen, ob sie erforderlich und angemessen sind. Viele Maßnahmen mussten danach korrigiert werden. Er forderte in diesem Zusammenhang die Rückkehr zur parlamentarischen Befassung mit den aktuellen Problemlagen ein. Das Feld dürfe nicht nur der Exekutive überlassen werden.
Wolfgang Kubicki empfahl seinen Zuhörern, nicht die „Schere im Kopf“ mit sich herumzutragen und mehr zuzuhören. Meinungsfreiheit müsse vom Einzelnen gelebt werden. Man müsse dem aktuellen Debattenklima mit Toleranz und Respekt für den anderen entgegensteuern. Fairness und Sachlichkeit seien das Gebot im Umgang mit politisch Andersdenkenden, die man nicht verteufeln dürfe. „Es gibt nicht nur einen Weg“ sagte Wolfgang Kubicki zum Abschluss seines Vortrages.
Meinungsstreit braucht „aktive Nachahmer“
Anschließend vertiefte Thomas Kremer vom Wirtschaftsclub Rhein-Main e.V. die Themen des Vortrages mit dem Gast in einem Gespräch. Wenn nicht mehr miteinander geredet wird, ist das demokratisch ein Problem, sagte der amtierende Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Demokratie lebe vom Streit und verwies in dem Zusammenhang auf die Wissenschaft, die nie nur eine Meinung habe. Dabei sollte immer die Sache im Mittelpunkt stehen und nicht die Diffamierung von Personen. Er äußerte die Hoffnung, dass ein pointiertes Vertreten eigener Meinungen auch „aktive Nachahmer“ finden würde.
Kubicki hob mit Blick auf die Pandemiebekämpfung den Stellenwert der Eigenverantwortung des Einzelnen hervor. Jeder habe eine Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit. Unter Verweis auf Zahlen und Studien sprach er sich für eine Konzentration auf den Schutz gefährdeter Personenkreise aus. Der Politiker fragte: „Welches Risiko ist die Gesellschaft bereit zu tragen?“
Eigenverantwortung ist auch in der Pandemie zu fordern
Fragesteller aus dem Publikum erkundigten sich nach den immensen Kosten der Pandemiebekämpfung. Nach Auffassung von Kubicki müsste vor allem die Enkelgeneration in den kommenden Jahrzehnten die Lasten schultern. Aus seiner Sicht würde die Verschuldung aufgrund der für Einzelne nicht mehr nachvollziehbaren Dimensionen letztlich nicht mehr ernst genommen. Aktuell seien eine Reihe von Branchen, wie etwa die Gastronomie und das Veranstaltungsgewerbe, schwer betroffen. Man dürfe bei den Hilfen aber den, notwendigen Strukturwandel nicht vergessen und hinauszuzögern. Auch hier sei die Eigenverantwortung der Menschen gefragt.
Technologieoffenheit in der Mobilität
Auf Fragen aus dem Publikum, unter anderem von AvD-Generalsekretär Linden zur Aufgabe von Automobilclubs in der Öffentlichkeit nahm Wolfgang Kubicki Stellung. Er mahnte mit Blick auf die Diskussionen um das Tempolimit auf Autobahnen an, dass sich Automobilclubs nicht dem Zeitgeist anpassen sollten. Denn Nachgeben würde als Schwäche ausgelegt. Mit Blick auf die Klima- und Schadstoffdiskussionen geht er davon aus, dass die Rechtsprechung ihre Arbeit ordentlich verrichtet und funktioniere. Die Politik habe aus seiner Sicht nicht die Aufgabe, eine bestimmte Technik als die einzig richtige anzuerkennen. Sie dürfe lediglich Ziele vorgeben und sich technologieoffen für neue Antriebe wie E-Mobilität und Wasserstoff einsetzen. Auch auf dem Feld der Mobilität gelte, mit „Verstand und Herz“ zu argumentieren. Auch für neue Techniken wie E-Fahrzeuge seien eine Reihe von Problemen, wie etwa Recycling und Entsorgung, noch nicht gelöst. Man dürfe nicht nur vordergründig einseitig die Vorteile herausstellen. Man solle hier auf den Wettbewerb setzen und auch die Zeiträume mitberücksichtigen, die es brauche, Technologien zu entwickeln und auszubauen.
AvD-Generalsekretär Lutz Leif Linden dankte dem Gast Wolfgang Kubicki zum Abschluss des Abends für seine offenen und anregenden Worte.
Die Veranstaltung wurde im Livestream gesendet. In der 43. Kalenderwoche 2020 ist die Aufzeichnung über den AvD-Youtube-Channel abrufbar.
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