Geltende und zukünftige Rechtsvorschriften: Rechtssicher handeln, Schaden vermeiden
Es gibt bereits Rechtsrahmen für Mineralöleinträge in Lebensmittel für die beabsichtigte Verwendung, insbesondere bei Zusatzstoffen (Zulassungen z.B. nach VO (EG) Nr. 1333/2008). Als Lebensmittelzusatzstoff (E 905) ist mikrokristallines Wachs zur Oberflächenbehandlung bestimmter Obstsorten (Mangos) und als Überzugsmittel (Kaugummi) zugelassen. Ebenso als Trennmittel von Backwaren oder Staubbinder bei Getreide.
Für unbeabsichtigte Einträge von Mineralölbestandteilen in Lebensmittel gibt es weiterhin keine spezifische rechtliche Regelung: Keine spezifischen Verkehrsverbote, keine spezifischen Höchstgehalte. Eine Ausnahme mit beschränktem Umfang bildet die VO (EG) Nr. 2023/2006. Da es derzeit keine spezifische rechtliche Regelung gibt, gelten die allgemeinen Vorschriften: in Bezug auf Lebensmittel u.a. Art. 14 Basis-VO (EG) Nr. 178/2002 (LM-Sicherheit), Art. 19 Basis-VO (EG) Nr. 178/2002 (Rücknahmepflicht), Art. 7 Basis-VO (EG) Nr. 178/2002 (Vorsorgeprinzip) und Art. 2 VO (EWG) Nr. 315/93 (Kontaminanten). Somit sind bereits jetzt behördliche Beanstandungen möglich und diese sind auch in der Vergangenheit mit steigender Tendenz erfolgt. Ebenfalls kann es die Verpflichtung zur Rücknahme bzw. zum Rückruf geben und Informationspflichten. Erläutert wurde auf dem Premium-Seminar im Februar hierzu die rechtliche Grundlage mit den entsprechenden Auslegungen. Auch Verkehrsverbote, Bußgeld- und Strafverfahren sind auf der Basis der o.g. Rechtsvorschriften möglich.
Die Grenzwerte aus dem aktuellen Entwurf der MineralölVO sind allenfalls Orientierungspunkte und Minimierungsziele. Diese sind keine rechtlichen Grenzwerte und keine gesundheitlichen Höchstwerte und haben keine Relevanz für die Sicherheitsbewertung nach Art. 14 Basis-VO. Es wurde aufgezeigt, wie die Teilnehmer auch bei Überschreitungen dieser Werte Beanstandungen erfolgreich entgegentreten können.
Es gilt die differenzierte Stufenverantwortung, nach der jeder Beteiligte in der Lebensmittelkette für das Inverkehrbringen gesetzmäßiger Lebensmittel verantwortlich ist. Insbesondere beim Gesundheitsschutz gilt ein hoher Anforderungsmaßstab („Gesundheit vor Kommerz“). Im Einzelnen ist v.a. die subjektive Verantwortung aber differenziert ausgeprägt: Dem Hersteller werden höhere Anforderungen an die Beschaffenheit des Lebensmittels zugemutet als dem Händler.
Der Inhalt lebensmittel-rechtlicher Sorgfaltspflichten besteht in der Kenntnis aller relevanten Rechtsvorschriften, der Erkundigungspflicht bei relevanten Sachverhalten, Weiterbildung, umfassende Verantwortung für den eigenen Bereich in der Lebensmittel-Kette und der Betriebsorganisationspflicht (§ 130 OWiG).
Für Verpackungen werden u.a. folgende Vorschriften hinzugezogen: Art. 3 VO (EG) Nr. 1935/2004 (Stoffmigration) sowie VO (EG) Nr. 2023/2006 (Good Manufacturing Practice). Das bedeutet, Verpackungen sind nach GHP herzustellen. Bei normaler und vorhersehbarer Verwendung darf kein stofflicher Übergang (Migration) erfolgen, der die Gesundheit gefährdet, zu organoleptischen Beeinträchtigungen und zu unvertretbarer Zusammensetzung führt. Somit sind auch mit diesem Ansatz behördliche Beanstandungen und Verwendungsverbote möglich. Die Verwendung von mineralölhaltigen Verpackungen ohne geeignete Barriere ist mit Blick auf die gute Herstellungspraxis kritisch, wenn Mineralöle - insbesondere MOAH - auf das Lebensmittel übergehen. Auch MOSH-Übergänge sind zu berücksichtigen.
Kontaminationswege und toxikologische Betrachtung: Die Basis für zielgerichtetes Handeln
Die Eintrittswege sind äußerst vielfältig, neben Verpackungen z.B. Trägermittel, Kontaminanten aus der Atmosphäre, Erntemaschinen, Trennmittel auf Förderbändern, Schmierstoffe, über die Druckluft, Klebstoffe sowie die o.g. Lebensmittel-Zusatzstoffe (Trennmittel, Überzugsmittel).
Neben Audits verbunden mit regelmäßigem Monitoring geben auch die Ergebnisse der Analytik Rückschlüsse auf die Eintrittswege. Werden MOH mit < C24 nachgewiesen, so fand die Kontamination ausschließlich über die Gasphase statt. Bei MOH mit > C24 wurde zumindest ein Teil der Kontamination durch direkten Kontakt eingetragen (z.B. über Schmierstoffe). Datenbanken mit Analysenergebnissen von Referenzproben können die Vermutung zur Eintrittsquelle festigen. Anhand vieler Kontaminationsquellen mit den entsprechenden Analysenergebnissen wurden die Möglichkeiten der Unterscheidung ausführlich beschrieben. Und dieses für unterschiedliche Fraktionen der Mineralöl-Bestandteile und auch die vielfältigen mineralöl-ähnlichen Substanzen. Die Grenzen der Interpretation liegen vor, wenn sich verschiedene Kontaminationsquellen überlagern.
Studien bestätigen, dass MOSH in verschiedenen menschlichen Organen, insb. in der Leber, akkumulieren. Die Anreicherung erfolgt in den Granulomen der Leber und haben in Tierversuchen entzündliche Prozesse ausgelöst. Eine Studie zu MOSH erfolgte u.a. von der EFSA. Hier wurde die Akkumulation der MOSH in Leber, Milz und Fettgewebe von Tieren nachgewiesen. In Rattenlebern war unerwartet eine Granulombildung insb. durch n-Alkane zu beobachten. Hier wurde die sich widersprechende Bewertung deutlich, zumal einige dieser Stoffklassen als Kunststoff-Additive und Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen sind.
Die Anreicherung im Gewebe erfolgt bis C25, über C26 eingeschränkt und ist über C35 vernachlässigbar. Die Metabolisierung erfolgt bei <C20, wobei die möglichen Oxydationsprodukte noch nicht untersucht wurden.
PAK (Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe) werden im menschlichen Körper metabolisiert und sind dann genotoxisch. Daher ist bei MOAH auch zu erwarten, dass diese im Körper metabolisiert werden und dann die Toxizität noch steigt.
Ob MOAH komplett im Körper oxidiert werden, ist unbekannt. Oder diese nur leicht zum Keton und zur Säure oxidieren, die dann aufgrund der höheren Polarität im Körper fest andocken und über Jahre angereichert werden. Zukünftige Studien können hier noch ganz andere Gefahrenpotenziale aufzeigen.
Effiziente Analytik - Verlässliche Ergebnisse – Richtige Interpretation
Unter Mineralöl versteht man die durch Destillation von Erdöl und gegebenenfalls auch anderer fossiler Rohstoffe hergestellten Öle. Als Mineralölkohlenwasserstoffe (MOH) werden die Mineralölbestandteile bestimmt, die auf einer unpolaren GC-Säule zwischen den unverzweigten n-Alkanen nC-10 und nC-35 (bzw. nC-40) eluieren. Trotz dieser Einschränkung handelt es sich bei den MOH um tausende oder zehntausende von Einzelsubstanzen, die sich durch HR-GC nicht trennen lassen.
In ihren toxikologischen Eigenschaften unterscheiden sich die gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH), die sich in menschlichen Geweben anreichern, von den aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH), von denen vermutet wird, dass ein gewisser Anteil genotoxische Eigenschaften hat, sich in menschlichen Geweben jedoch nicht anreichern.
Deshalb werden auch in der Konventionsmethode für MOSH und MOAH diese beiden MOH-Fraktionen chromatographisch getrennt und anschließend mittels FID detektiert. Bei der arbeitsaufwändigen sogenannten ‚manuellen Methode‘ erfolgt die MOSH/MOAH-Vortrennung an einer Silberionen-beladenen Kieselgelsäule, woran sich nach Konzentrierung der Fraktionen die GC-FID anschließt. Mittlerweile wird allerdings überwiegend die online gekoppelte HPLC-GC/FID verwendet, bei der die MOSH/MOAH-Vortrennung automatisiert in der HPLC erfolgt. Die Trennung der MOSH- und MOAH-Fraktion wird durch die Verwendung zahlreicher interner Standards abgesichert.
In Abhängigkeit von der Lebensmittelmatrix können Lebensmittelinhaltsstoffe die MOH-Analytik stören: So eluieren n-Alkane (nC-20 bis nC-35) aus Pflanzen mit den MOSH und können durch Behandlung mit aktiviertem Aluminiumoxid abgetrennt werden. Ungesättigte Pflanzeninhaltsstoffe wie u.a. Squalen, Phytosterine und Carotinoide eluieren mit den MOAH, können aber nach einer Epoxidierung durch die HPLC abgetrennt werden.
Die Quantifizierung der MOSH/MOAH erfolgt durch Integration der Fläche zwischen der GC/FID-Basislinie und dem von den Aufsetzern bereinigten ‚Haufen‘. Die Messunsicherheit der Methode liegt bei 20-50%, die Bestimmungsgrenze für MOSH ist abhängig vom Fettgehalt des Lebensmittels und reicht von 0,1 mg/kg Lbm (z.B. Reis mit < 4% Fett) bis 1-5 mg/kg Lbm (pflanzliche Öle).
Die LC-GC/FID-Methoden (manuelle und online) wurden seit 2012 durch mehr als 10 Ringversuche mit verschiedenen Lebensmittelmatrices überprüft. Für die Bestimmung der MOH in pflanzlichen Ölen sowie Lebensmitteln auf Basis pflanzlicher Öle wurde 2016 ein Normenentwurf (prEN 16995:2016) publiziert. Selbst die online-HPLC-GC/FID in Abhängigkeit vom extrahierten Lebensmittel stellt keine Routinemethode dar, die ohne ein gewisses Maß an Erfahrung angewandt und interpretiert werden kann.
Zur weiteren Differenzierung verschiedener MOH Substanzklassen wird neuerdings auch die (LC) GCxGC/MS eingesetzt. Durch die 2-dimensionale GC gelingt eine Unterscheidung zwischen n-Alkanen, verzweigten Alkanen, Naphthenen (cyclische Alkane) und Alkenen (‚MOSH‘) sowie verschieden-kernigen Aromaten und polaren Verbindungen.
Im Seminar wurde aufgezeigt, wie anhand der GC-Chromatogramme auf mögliche Eintrittsquellen geschlossen werden kann – und welche ausgeschlossen werden können.
Einschätzungen von NGOs
ÖKOTEST hat bereits in 2010 über Analysenergebnisse in Reis berichtet. Nachgewiesen wurden vielfach MOSH und MOAH. Es folgten Untersuchungen von u.a. Vanillezucker, Spaghetti, Haferflocken, Speiseölen, Mehl, Superfood, Fleischersatzprodukten, Donuts und im Februar 2017 erneut von Reis. Im Durchschnitt der Proben wurden in deutlich über der Hälfte MOSH nachgewiesen, bei einem Viertel MOAH.
Auch wenn Produkte die Grenzwerte aus dem Entwurf der MineralölVO einhalten, werden diese Produkte von NGOs bereits abgewertet. Dieses ist auch in Zukunft zu erwarten. Insb. der Nachweis von MOAH wird auch in Zukunft zu Abwertungen in Testberichten führen. ÖKO‐TEST bewertet MOSH C17 bis C35 wie folgt:
• mehr als 4 mg/kg als „sehr stark erhöht“ (Abwertung um vier Noten)
• mehr als 2 bis 4 mg/kg als „stark erhöht“ (Abwertung um zwei Noten)
• mehr als 0,5 bis 2 mg/kg als „erhöht“ (Abwertung um eine Note)
• der Nachweis von MOAH wird um zwei Noten abgewertet
Die gesetzten Grenzwerte vom BfR, einigen Handelsunternehmen sowie Foodwatch wurden diesen gegenübergestellt.
Das passende Barriere- bzw. Adsorber-System: So können Sie vorbeugen
Im Entscheidungshilfeprojekt des BMELV „Ausmaß der Migration unerwünschter Stoffe aus Verpackungsmaterialien aus Altpapier in Lebensmittel“ (2010- 2012) wurden die Mineralölkohlenwasserstoffe (MOH) als Hauptkontaminanten von trockenen Lebensmitteln durch Verpackungen aus Altpapierfaser erkannt. Der Median für 119 aus dem Handel im Jahre 2010 entnommene trockene Lebensmittel lag für MOSH bei 10 mg/kg Lbm mit einem Maximalbefund von 100 mg/kg Lbm. Als Reaktion auf diese Ergebnisse wurden weitgehend keine mineralölhaltigen Druckfarben mehr verwendet sowie viele der auf Altpapierfaser basierenden Faltschachteln auf Frischfaser umgestellt oder – sofern ein Innenbeutel im Verpackungssystem vorhanden war – in den Innenbeutel eine Barrierefolie (PES, PA, EVOH, etc.) eingefügt oder Barrierebeschichtung (PMMA-, PVDC-Lackierung) aufgebracht.
Kaschierungen dieser Barrierefolien auf der Faltschachtelinnenseite setzten sich am Markt kaum durch, Barrieren im Karton oder im Strich waren bis 2013 noch nicht marktreif.
Seit 2012 wurden auch der Wellpappentransportkarton und die Kreuzkontamination durch diese in Lagerhäusern als MOH Kontaminationsquelle von Lebensmitteln erkannt. Die niedrigen Eingreifwerte für MOH seitens der NGO und Retailer (2 mg/kg Lbm MOSH (C16-C35)) konnten aufgrund dieser Kontamination bei bestimmten Lebensmitteln allein durch den Einsatz von Frischfaserfaltschachteln nicht eingehalten werden.
Seit 2013 finden sich zunehmend Faltschachteln mit Barrieren im Markt, wobei man folgende Barrieretypen unterscheiden kann: Extrusionsbeschichtungen oder ein Barrierestrich auf der Faltschachtelinnenseite oder ein Adsorber im Inneren der Faltschachtel.
In einem Lagerungsversuch einer Frühstückscerealie wurden Produkte dieser verschiedenen Kartonbarrieresysteme miteinander verglichen. Beim eingesetzten Adsorberkarton konnten bis zum Ende der Lagerungszeit (12 Monate) keine MOH im Lebensmittel nachgewiesen werden. Bei den Extrusionsbeschichtungen und dem Barrierestrich begann mit dem Lagerbeginn auch die im Lebensmittel messbare Migration von MOH, die auch auf das Faltsystem mit Ausgießer (zusammen mit Schnittkanten und Klappen wird der Barrierestrich unterbrochen) zurückzuführen waren. Nach 12 Monaten Lagerung in einem Transportkarton wurden bei 2 dieser Varianten sowie einer Frischfaserfaltschachtel 2 mg/kg MOSH (C16-C35) im Lebensmittel knapp unterschritten bzw. erreicht. Eine Variante überschritt diesen Wert deutlich.
Letztendlich muss eine funktionelle Barriere in der Verpackung mit dem Lebensmittel (sensorische Eigenschaften) und der existierenden Verpackungstechnologie kompatibel sein.
Erfolgreiches Lieferanten- und Auditmanagement
Bei Worlée NaturProdukte setzt man bezüglich eines erfolgreichen Lieferanten-Managements auf die Anwendung des PDCA-Zyklus. Wobei gerade die Rückverfolgung bei Gewürzen im Ursprungsland sehr aufwendig ist, aufgrund der vielen Ursprungslieferanten und Zwischenhändlern mit den entsprechenden Mentalitäten. Deutlich wurde, welche einzelnen Prozessschritte bekannt sind und wie auch Licht in die „unbekannten“ Schritte gebracht werden kann. Aufgezeigt wurden die einzelnen Einflussmöglichkeiten, um die Eintrittsquellen zu reduzieren. Erst dann ist ein Lieferantenmanagement erfolgreich und es kann im letzten genau festgelegten Verfahrensschritt der Freigabeprozess erfolgen.
Am Beispiel eines mit 3.730 mg/kg vom Lieferanten gelieferten kontaminierten Pfeffers wurde aufgezeigt, wie mit einer gezielten Ursachenforschung (Stufenkontrolle aller Farmer, Bewertung der Trocknung bei den Farmern, Maschinen, Prozesse, Verpackungsmittel und Transportmittel in den Werken gesichtet) und wirksamen Maßnahmen die Kontamination auf 0,1 % des o.g. Wertes reduziert wurde.
Gefahren im Betrieb bewerten und vermeiden
Erläutert wurden die Einflussfaktoren u.a. des Füllgutes, der Verpackungsmittel, der Temperatur auf die Migrationsrate.
Neue Erkenntnisse und Daten steuern den vorgestellten Prüfplan sowie das vorgestellte dynamische Monitoring. Unter Einbeziehung der Faktoren Auftretungswahrscheinlichkeit, Schweregrad und Entdeckungswahrscheinlichkeit und den beschriebenen Wertungsparametern wird die Risiko-Prioritätszahl zuverlässig berechnet.
Round-Table-Gespräche und Networking
Hier nutzten die Teilnehmer die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zur detaillierten
Beantwortung ihrer Fragen mit den Referenten im kleinen Kreis.
Zusammenfassung erstellt mit freundlicher Unterstützung von Dr. Norbert Kolb, Dr. Tobias Teufer und Prof. Dr. Thomas Simat.
Autor: Dr. Arno Langbehn