Bei der EHEC-Epidemie, die im Mai 2011 mit ersten Krankheitsfällen in Norddeutschland begann, handelte es sich um den schwersten Ausbruch einer Infektionskrankheit in den letzten Jahrzehnten. Der Bakterienstamm, der das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) auslöste, war ungewöhnlich aggressiv. Die schwere Epidemie, die das Robert-Koch-Institut (RKI) am 4. Juli 2011 für beendet erklärt hat, forderte laut RKI 53 Tote. Unter den HUS-Patienten verstarben 35 und unter den EHEC-Patienten mit Gastroenteritis 18. Insgesamt wurden laut RKI 855 Erkrankungen an HUS und 2.987 Fälle von akuter Gastroenteritis übermittelt, die dem Ausbruch zugerechnet werden (Stand: 16.08.2011). Erkrankungsfälle wurden laut RKI aus allen Bundesländern berichtet, jedoch waren die fünf nördlichsten Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen am stärksten betroffen.
Unter Führung des Bundesverbraucherministeriums hatte die Bundesregierung nach Bekanntwerden der ersten Fälle einen nationalen Krisenstab eingerichtet. Zudem fanden kurzfristig mehrere Bund-Länder-Konferenzen unter Beteiligung der beiden Bundesministerien für Verbraucherschutz und Gesundheit sowie weiterer Bundesbehörden statt, um alle Maßnahmen zu koordinieren. "Die Bundesbehörden haben in enger Abstimmung mit den Ländern schnell und entschlossen gehandelt, um die Ausbreitung von EHEC zu bekämpfen und die Ursache zu ermitteln. Unsere Experten haben rund um die Uhr gearbeitet, um die Epidemie so schnell wie möglich einzugrenzen und zu stoppen", so die Bilanz von Bundesministerin Ilse Aigner bei der Konferenz der Verbraucherminister von Bund und Ländern (VSMK) in Bremerhaven. "Das entschlossene Handeln von Bund und Ländern war eine Gemeinschaftsleistung, die hohe Anerkennung verdient und auch von der EU-Kommission ausdrücklich gewürdigt wurde. Dennoch dürfen wir jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Wir werden wie vereinbart das Krisenmanagement von Bund und Ländern gründlich auswerten und gemeinsam diskutieren, wie wir uns noch besser auf solche Herausforderungen vorbereiten können", sagte Aigner.
Als Konsequenzen aus der Bekämpfung der EHEC-Epidemie stellt die Bundesverbraucherministerin bei der VSMK fünf Maßnahmen vor, von denen sich zwei bereits in der Umsetzung befinden:
1. Bund-Länder-Taskforce
Während der EHEC-Epidemie ist erstmals kurzfristig eine Task Force ins Leben gerufen worden, in der Spezialisten von Bundes- und Landesbehörden zusammenarbeiteten, um die komplizierten Lieferströme anhand von Einzeldaten zurückzuverfolgen. Durch das Zusammenfügen vieler tausend Mosaiksteinchen ist es gelungen, ein zuverlässiges bundesweites Lagebild zu erzeugen. Damit konnte im Ergebnis die Ursache des Geschehens zügig aufgeklärt und der Eintrag des Erregers in die Lebensmittelkette schnell und wirkungsvoll gestoppt werden. Die Task Force, eine Art Sonderkommission mit Sitz am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin, hat sich bewährt und soll nach den Vorstellungen des Bundesverbraucherministeriums künftig ein fester Bestandteil des Krisenmanagements sein. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Experten der Bundesinstitute, Länderbehörden, der EU-Behörden und der betroffenen Ministerien schnell und effizient die Ursachen von Lebensmittelkrisen aufklären können. Einzelheiten dazu sollen auf der Verbraucherministerkonferenz besprochen werden.
2. Krisenkommunikation
Die EHEC-Krise hat gezeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher behördliche Warnungen erfreulicherweise sehr ernst nehmen. Bei Lebensmittelkrisen und außergewöhnlichen Ereignissen im Bereich Tierseuchen sollten die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder ihre Kommunikation in Zukunft noch enger untereinander abstimmen. Das Bundesverbraucherministerium setzt sich dafür ein, dass sich Bund und Länder im Rahmen der VSMK auf diesen Vorschlag verständigen. Ziel ist es, die Öffentlichkeit und die Medien schnell und umfassend mit einheitlichen Botschaften zu informieren.
3. Neue Meldepflichten, kurze Meldewege
Als weitere Konsequenz aus dem EHEC-Geschehen werden wichtige Änderungen im Infektionsschutzgesetz vorgenommen: Vorgesehen ist unter anderem eine Beschleunigung des Meldeweges für Infektionskrankheiten, von Ärzten an das Gesundheitsamt innerhalb von 24 Stunden. Zusätzlich wird es künftig eine Unterrichtungspflicht für die Gesundheitsämter an die Lebensmittelüberwachungsbehörden geben, sobald der Verdacht besteht, dass Lebensmittel die Ursache für den Infektionsausbruch sein könnten. Das Bundeskabinett hat diesen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes bereits zugestimmt.
4. Verbesserte Aufklärung des Personals
Des weiteren müssen künftig alle Personen, die gewerbsmäßig Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr sowie Samen zur Herstellung von Sprossen und Keimlingen zum Rohverzehr herstellen, behandeln oder in den Verkehr bringen, bei erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit durch das Gesundheitsamt und später alle zwei Jahre durch den Lebensmittelunternehmer über wichtige Hygiene- und Gesundheitsrisiken beim Umgang mit diesen Lebensmitteln belehrt werden. Auch diese Gesetzesänderung hat das Bundeskabinett bereits beschlossen.
5. Verbesserter Schutz vor Lebensmittelinfektionen
Bei Lebensmitteln, die roh gegessen werden, müssen besondere Maßnahmen zum Schutz vor Krankheitserregern beachtet werden. Um das Risiko einer Infektion durch belastete Lebensmittel noch effektiver vorbeugen zu können, prüft das Bundesverbraucherministerium zur Zeit mögliche Ergänzungen des europäischen und des nationalen Lebensmittelhygienerechts. Zusätzlich wird ermittelt, in welchen Bereichen noch Forschungsbedarf besteht, vor allem mit Blick auf die Verbesserung der analytischen Methoden zum mikrobiologischen Nachweis von EHEC in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs. Zu humanmedizinischen Fragestellungen wird das Robert-Koch-Institut im Herbst 2011 eine wissenschaftliche Arbeitstagung veranstalten.