Dies wird bestätigt durch das heute von den Professoren Jörn Axel Kämmerer (Bucerius Law School Hamburg) und Gregor Thüsing (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) vorgestellte Rechtsgutachten. Das Gutachten kommt zu folgenden Ergebnissen:
1. Keine demokratische Struktur / fehlende Tariffähigkeit
Der von der DP AG initiierte Arbeitgeberverband Postdienste wird nach seiner Satzung von einem einzigen Mitglied, der DP AG, dominiert. Es fehle jeglicher Minderheitenschutz innerhalb des Verbandes. Dies verstoße gegen den Grundsatz der demokratischen Verfassung eines Branchenverbandes. Das Gutachten spricht dem Post-Verband die Legitimation ab, für die Branche zu handeln, er sei damit nicht tariffähig.
2. Fehlendes öffentliches Interesse
Eine Allgemeinverbindlicherklärung des zwischen dem AGV Postdienste und der Gewerkschaft ver.di innerhalb weniger Tage abgeschlossenen Tarifvertrages (§ 5 Tarifvertragsgesetz) liegt nicht im öffentlichen Interesse, weil sie dazu dient, Monopolresiduen zu festigen und die Funktionsfähigkeit eines jungen Marktes zu behindern. Der zu Monopolzeiten zustande gekommene Tarifvertrag der DP AG sei nicht repräsentativ für den Markt und könne der Mehrheit der Unternehmen nicht aufgezwungen werden. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Lohndumping sei bereits durch § 6 Abs. 3 PostG sichergestellt.
3. Keine Entsendung von Ausländern
Die Aufnahme der Briefdienste in das Arbeitnehmerentsendegesetz sei schon deswegen nicht erforderlich, weil die grundsätzliche Konstellation, das Eindringen tariflich nicht gebundener Ausländer, hier nicht gegeben sei. Es gebe keinerlei amtliche Feststellung über ausländische Beschäftigungsverhältnisse.
4. Phantomvertrag
Der von dem AGV Postdienste und der Gewerkschaft ver.di mit heißer Nadel genähte Tarifvertrag sei auf die Arbeitnehmer der DP AG selbst nicht anwendbar, weil diese einen eigenen Haustarifvertrag hätten. Die DP AG und ver.di hätten somit eine Einigung zu Lasten Dritter gefunden, die hieran in keiner Weise beteiligt waren. Ein Tarifvertrag, der die Beschäftigten des beteiligten Verbandes gar nicht anwendbar ist, sei ein „Phantomvertrag“, der schon deswegen nicht für verbindlich erklärt werden könne.
5. Erstreckung auf Wettbewerber
Eine Erstreckung des Tarifvertrags des Arbeitgeberverbandes Postdienstleister auf die Wettbewerber der DP AG scheitere auch daran, dass • der Tarifvertrag vor seiner Erstreckung nicht die Mehrheit der Branche erfasst, mindestens 50% der Arbeitnehmer müssten jedoch schon vertraglich gebunden sein, • Zweifel an der demokratischen Verfassung und damit der Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bestehen und • das öffentliche Interesse für die Öffnung des Briefmarktes und nicht seine Abschottung spricht.
6. Verstoß gegen EU-Recht
Mit dem von ihr unterstützten Antrag auf Verbindlicherklärung des Tarifvertrages verstoße die DP AG gegen das Missbrauchsverbot des Art. 82 EG-Vertrag, weil er darauf gerichtet sei, die Marktposition der Konkurrenten zu schwächen und diese vom Markt zu verdrängen. Die Bundesregierung würde sich, indem sie einen solchen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt, zum Gehilfen des marktbeherrschenden Unternehmens machen, das seine Wettbewerber vom Markt verdrängt.
Der BIEK tritt für Wettbewerb auf den Postmärkten ein. Dazu gehört die vollständige Abschaffung des Briefmonopols – ohne Schaffung neuer Barrieren – sowie die Beendigung sonstiger Privilegien, insbesondere des Umsatzsteuerprivilegs der DP AG und die vollständige Gleichbehandlung aller Wettbewerber im Markt. Ein Tarifvertrag muss den Marktverhältnissen entsprechen. Er darf kein Mittel zur Abschottung sein. Wenn dies nicht gewährleistet ist, wird der BIEK auch die Rechtsmittel ausschöpfen. Das schließt auch ein Wettbewerbsverfahren vor der EU-Kommission ein. In der Vergangenheit konnten mehrere Missbrauchsverfahren im Postmarkt erfolgreich abgeschlossen werden.