(BAG, Urt. v. 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13)
Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Dies hat das BAG mit Urteil vom 19.02.2015 klargestellt. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gelte dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne einen Geldentschädigungsanspruch ("Schmerzensgeld") begründen.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 tätig. Ab dem 27.12.2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28.02.2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31.01.2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Die Klägerin hielt die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und forderte ein Schmerzensgeld. Sie hielt 10.500 € für angemessen, da sie erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten habe, die ärztlicher Behandlung bedürften. Das LAG Hamm hat der Klage in Höhe von 1.000 € stattgegeben.
Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem BAG ohne Erfolg. Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war nach Auffassung des BAG rechtswidrig. Der Arbeitgeber habe keinen berechtigten Anlass zur Überwachung gehabt. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei weder dadurch erschüttert gewesen, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom LAG angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war revisionsrechtlich nicht zu korrigieren. Zu der Frage, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist, musste das BAG keine Stellung nehmen.
Empfehlung für die Praxis:
Nach dieser Entscheidung des BAG ist für Arbeitgeber bei der Observation von Arbeitnehmern auch ohne Videoüberwachung Vorsicht geboten. Eine Observation des Arbeitnehmers zur Aufdeckung einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit durch einen Detektiv ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Es muss u. a. ein konkreter Verdacht vorliegen, der die Überwachung des Arbeitnehmers rechtfertigt. Die grundsätzliche Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen muss dabei vom Arbeitgeber erschüttert werden. Darüber hinaus bedarf es einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Einzelfall. Für eine Videoüberwachung gilt anhand der bisherigen BAG-Rechtsprechung, dass diese nur unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes