Der Appell hat folgenden Hintergrund: Schwere Straftaten werden direkt vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten als einzige Tatsacheninstanz verhandelt. Gegen deren Schuld- und Strafausspruch, bleibt dem Verurteilten nur die Revision zum Bundesgerichtshof, der die Urteile nur auf Rechtsfehler kontrollieren kann. Nach dem Gesetz können offensichtlich unbegründete Revisionen vom Bundesgerichtshof unter bestimmten Voraussetzungen per Beschluss verworfen werden, der nicht begründet werden muss. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass der Generalbundesanwalt als "Revisionsstaatsanwalt" beim BGH einen begründeten Antrag stellt, die Revision zu verwerfen und dass dazu der Beschwerdeführer innerhalb einer Frist von 2 Wochen noch einmal Stellung nehmen kann. Zum anderen ist Voraussetzung, dass alle fünf Senatsmitglieder einstimmig der Auffassung sind, dass der Generalbundesanwalt "offensichtlich" Recht hat.
Anfang 2012 wurde bekannt, dass die Strafsenate regelmäßig nur ein "4-Augenprinzip" praktizieren, d.h. der Senatsvorsitzende und der Berichterstatter lesen alle Unterlagen und tragen den drei restlichen Senatsmitgliedern nur mündlich ihr Votum - meist im Sinne des Antrags des Generalbundesanwalts - vor.
"Es muss aber gelten, dass alle fünf Senatsmitglieder die vollständige Revisionsakte kennen, rechtlich prüfen und sich je eine Meinung darüber bilden, ob die Revision begründet oder wirklich offensichtlich unbegründet ist, bevor die endgültige Beratung und Abstimmung darüber stattfindet. Schließlich geht es oft um die allerletzte Chance, ein Fehlurteil zu vermeiden", erklärt Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Hamm, Mitglied des Strafrechtsausschusses des DAV und Berichterstatter des Appells (DAV-Stellungnahme Nr. 16/2013), dem sich der Strafverteidigertag am 10. März 2013 angeschlossen hat.
Da die Prüfung des tatrichterlichen Urteils beim BGH nur auf Rechtsfragen hin erfolgt, zu denen auch die strenge Einhaltung des Verfahrensrechts gehört, muss sich auch das Verfahren des Revisionsgerichts selbst streng an den gesetzlichen Regeln orientieren. Die gesetzlichen Regeln sind jedenfalls immer dann verletzt, wenn die letztinstanzliche Entscheidungen von einer Senatsmehrheit ohne vorherige Aktenkenntnis mitbeschlossen werden. Deshalb appellieren der DAV und der Strafverteidigertag, einer etwaigen Aufweichung der gesetzlich vorgeschriebenen Form auch in diesem Teil des Strafprozessrechts entgegenzuwirken.