Statistisch betrachtet gibt es eine unbestreitbare soziale Normalität - 70% der Kinder leben bei ihren verheirateten Eltern (3). Diese Tatsache ignorieren jene Zeitgeistmedien, die beständig insinuieren, dass die Normalfamilie "out" sei. Auch in Regierungsberichten heißt es, dass die Familie "im Gefolge der gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesse" ihre "typische Kontur verloren" habe. Die "tradierte Kleinfamilie" werde deshalb "zukünftig immer weniger eine allgemein vorherrschende Norm sein" (4). Es ist dagegen die Rede von "vielfältigen Formen des Zusammenlebens". Kernfamilien, Alleinerziehende, Patchwork-Familien und homosexuelle Paare werden dabei in einen Topf geworfen, obwohl die Bedeutung dieser Lebensformen schon rein statistisch-quantitativ völlig verschieden ist (5). Die Realität wird bewusst ignoriert, um ungestört von Fakten das neue Dogma des Beziehungsrelativismus zu verkünden: Die Struktur der Familie sei für das Kindeswohl unerheblich, worauf es ankäme wäre allein die "liebevolle Sorge" der "sozialen Eltern" für das Kind (6). Es versteht sich von selbst, dass die Elternliebe für das Wohlergehen des Kindes elementar ist. Und unbestreitbar ist ebenfalls, dass auch Kernfamilien in ihrer Fürsorgeaufgabe versagen können. Gerade die Fälle im Elternhaus gefährdeter Kinder zeigen, näher betrachtet, aber, welche tragischen Folgen der Zerfall von "traditionellen" Familienstrukturen hat: Im Vergleich zu Kernfamilien erhalten Alleinerziehende und Patchworkeltern wesentlich häufiger amtliche Erziehungshilfen. Das betrifft vor allem die besonders aufwendigen, "familienersetzenden Maßnahmen": Mehr als zwei Drittel der Kinder, die in Heime eingewiesen werden, haben Eltern, die sich getrennt haben (7). An die Stelle zerbrochener Kernfamilien tritt dann "Vater Staat", der zwar mit Steuermitteln für Unterkunft und Unterhalt sorgen, aber die Elternliebe nicht ersetzen kann. Und diese Liebe braucht ein Ordnungsgefüge, das eben nicht beliebig ist. Anders lassen sich die häufigen Erziehungsprobleme von Alleinerziehenden und Patchworkeltern nicht verstehen. Denn diese lieben ihre Kinder sicher nicht weniger als Kernfamilieneltern; das Problem liegt also in den Rahmenbedingungen. Es hat auch etwas mit Geldmangel zu tun, besonders im Fall der Alleinerziehenden: Zwei Hände können eben nicht dasselbe erwirtschaften wie vier Hände.
Noch wichtiger als die materielle Lage sind aber die Beziehungen: Das Verhältnis der Kinder zu ihren Vätern ist, nicht in jedem Einzelfall, aber im Allgemeinen besser, wenn die Kinder mit beiden leiblichen Eltern in einer Kernfamilie aufwachsen (8). Die Kernfamilie ist also nicht nur statistisch-quantitativ betrachtet die Regel, sondern auch das "Normale" im Sinne des Guten für die Kinder und die Gesellschaft. An dieser Normalität muss sich das Recht orientieren, das ja per definitionem "abstrakt-generelle" Regelungen zu treffen hat. Aus gutem Grund stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der Verfassung (Art. 6 GG). Wer, wie der nationale Ethikrat in seinem Inzest-Gutachten, (tragische) Einzelfälle zum Maßstab erhebt, setzt die Beliebigkeit des "anything goes" an die Stelle des Rechts als Ordnung des Gemeinwohls (9).
(1) Zitiert nach: Bundesminister für Familie und Jugend: Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland - ("1. Familienbericht"), Bundestagsdrucksache V/2532, Bonn 1968, S. 7.
(2) Vgl. Statistisches Bundesamt: Wie leben Kinder in Deutschland? Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 3. August 2011 in Berlin, Wiesbaden 2011, S. 9.
(3) Statistisches Bundesamt: Alleinerziehende in Deutschland. Ergebnisse des Mikrozensus 2009, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 29. Juli 2010 in Berlin, Wiesbaden 2010, S. 7.
(4) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland (Elfter Kinder- und Jugendbericht), Berlin 2002, S. 124.
(5) Vgl. ebd., S. 122-123. Der abstrakt-wissenschaftliche Duktus solcher Aussagen täuscht eine wert- und vorurteilsfrei Beschreibung vor; tatsächlich geht es aber darum, die neue Norm einer "Institutionenkindheit", eines durch staatliche Betreuungsangebote durchstrukturierten, Familienlebens zu postulieren. Eingehender hierzu: Stefan Fuchs: Vater Staat statt Elternhaus. Bindungsverluste führen zu neuem Etatismus, S. 130-142, in: DIE NEUE ORDNUNG, Heft 2/2014, S. 135 ff.
(6) Ein aktuelles Beispiel dafür sind folgende Aussagen aus jüngsten Gutachten des "Nationalen Ethikrats": "Zudem ist zu bedenken, dass sich das Verständnis von Familie als tragende gesellschaftliche Institution und Ort identitätsbildender Sozialisation in den letzten Jahren erheblich gewandelt hat. [...] Was sich in den Zeiten solchen Wandels als zentral für die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation von Kindern herausgestellt hat, sind nicht in erster Linie auf herkömmlichen Vorstellungen von Familie beruhende Konstellationen des Zusammenlebens, sondern vielmehr die liebevolle Sorge und Anerkennung des Kindes sowie ein harmonisches Beziehungsgefüge innerhalb des tatsächlich gelebten Familienverbundes, der im Übrigen auch ohne blutsverwandtschaftliche Basis bestehen kann." Deutscher Ethikrat: Inzestverbot. Stellungnahme, Berlin 2014, S. 41.
(7) Siehe hierzu: Heimerziehung in Deutschland - bei mehr als zwei von drei Fällen geht die Trennung der Eltern voraus (Abbildung), Nachricht der Woche, 2014 / 6, 16.03.2014 Kinderarmut: Hauptgrund ist die Trennung der Eltern, http://www.i-daf.org/....
(8) Eingehender hierzu: Jürgen Liminski: Familienglück klassisch, DIE WELT vom 22.08.2009, http://www.welt.de/....
(9) In dieser Hinsicht ist das Gutachten des "Nationalen Ethikrats" exemplarisch, das tragische Einzelschicksale zum Anlasse nimmt, um die Revision der bisher fast unumstrittenen Strafnorm gegen den Inzest zwischen Geschwistern zu fordern. Vgl.: Deutscher Ethikrat: Inzestverbot, S. 10 ff. ("Berichte von Betroffenen") sowie S. 72 ("Schlussfolgerungen und Empfehlungen"). Bemerkenswert ist, dass in dem gesamten Gutachten ein zentrales Argument gegen den Inzest unerwähnt bleibt: Nach Augustinus hat die Ehe als Institution den historischen Zweck die Menschheit nach und nach zu einer Familie zu verbinden. Dieser Zweck wird umso besser erfüllt, je weiter die Eheleute verwandtschaftlich voneinander entfernt sind. Es wäre aufschlussreich, den Einfluss dieser Lehre auf die europäische Geschichte zu untersuchen, in der die Kirche jahrhundertelang gegen die verbreitete Heirat unter Verwandten (besonders im Adel) gekämpft hat.