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Das Medienprivileg gilt nicht nur für Berufsjournalisten

(lifePR) (Leipzig, )
Dem EuGH waren zwei Fragen zu einem Fall vorgelegt worden, in dem ein lettischer Bürger die Aufnahme seiner Aussage vor der Polizei gefilmt und veröffentlicht hatte. Die Beurteilung des EuGH könnte mittelfristig auch Bedeutung für Blogger, Podcaster und Influencer hierzulande sowie europaweit erlangen. (EuGH, Urt. v. 14.02.2019, Rs. C-345/17)

Das war geschehen

Im Zuge eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens hatte der Kläger in den Räumlichkeiten einer Dienststelle der lettischen nationalen Polizei die Aufnahme seiner Aussage durch die Polizei mitgeschnitten und anschließend auf der Plattform Youtube veröffentlicht – seiner Aussage nach, um die Öffentlichkeit auf vorschriftswidrige Praktiken der Polizei aufmerksam zu machen. Die nationale Datenschutzbehörde sah hierin einen datenschutzrechtlichen Verstoß und forderte den Kläger zur Löschung des Videos auf. Dieser setzte sich vor der Administrat?v? rajona tiesa (lettisches Verwaltungsgericht erster Instanz) zur Wehr, indem er die Rechtswidrigkeit der datenschutzbehördlichen Entscheidung feststellen lassen wollte.

Vorlagefragen aus Lettland

Nach Klage- und Rechtsmittelabweisung durch die Vorinstanzen gelangte der Streit vor die Augst?k? tiesa (Oberster Gerichtshof Lettlands). Diese sah Fragen der Auslegung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (i.F. DSRL) als bedeutend für die Entscheidungsfindung. Daher legte sie dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 267 AEUV) zwei Fragen vor:

1. „Fallen Tätigkeiten wie die […] in Rede stehende Aufnahme […] und die Veröffentlichung des aufgenommenen Videos auf der Website www.youtube.com in den Anwendungsbereich der [DSRL]?“

2. „Ist die [DSRL] dahin auszulegen, dass die genannten Tätigkeiten als eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken im Sinne von Art. 9 dieser Richtlinie angesehen werden können?“

Verarbeitung personenbezogener Daten

Der EuGH stellte im Hinblick auf die 1. Frage und unter Rückgriff auf seine ständige Rechtsprechung zunächst klar, dass eine Videoaufzeichnung immer dann eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt, wenn die Aufzeichnungen eine Identifikation der betroffenen Person ermöglichen. Dies sei im Fall des vorliegenden Videos wegen der Erkennbarkeit des Polizisten sowie der Hörbarkeit seiner Stimme im Video anzunehmen. Auch sei schon wegen des Umstands, dass der Kläger eine Veröffentlichung derart vorgenommen hatte, dass ein unbegrenzter Empfängerkreis (ohne Zugangsbeschränkung) von ihm adressiert wurde, die Verarbeitung nicht im Rahmen der Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erfolgt. Eine sog. „Haushaltsausnahme“ (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO) zugunsten der erfolgten Aufnahmen sah der EuGH damit nachvollziehbar nicht.

Journalistische Tätigkeit

Noch wesentlich interessanter erscheinen die Ausführungen des EuGH zur zweiten Vorlagefrage. Namentlich berühren diese Art. 9 DSRL, welcher die ausnahmsweise Erlaubnis der Verarbeitung im Falle der Ausübung journalistischer Tätigkeiten regelt. Im Einzelnen führt der Senat dazu aus, dass die dortigen Ausnahmen

„[…] nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden gelten, der journalistisch tätig ist […].“

In diesem Zusammenhang verweist der EuGH auf seine frühere Rechtsprechung und die Definition journalistischer Tätigkeit, welche eine Berufsbezogenheit der Tätigkeitsausübung gerade nicht vorsehen. Allein der Umstand, dass der Kläger kein Berufsjournalist ist, schließe ein Berufen seinerseits auf die Ausnahmen gemäß Art. 9 DSRL nicht aus. Damit war die zweite Frage aus Sicht der Luxemburger Richter wie folgt zu beantworten:

[Art. 9 DSRL ist dahingehend auszulegen], dass […] die Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos […] eine Verarbeitung […] allein zu journalistischen Zwecken […] darstellen kann, sofern aus diesem Video hervorgeht, dass diese Aufzeichnung und diese Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten […].“

Ausdrücklich stellt der EuGH aber auch mahnend fest, dass Ausnahmen nur dort greifen dürfen, wo dies notwendig ist. So könne keineswegs jegliche im Internet veröffentlichte Information mit Bezug auf personenbezogene Daten den Schutzmantel des Medienprivilegs für sich beanspruchen.

Übertragbarkeit auf die DSGVO

Das Verfahren vor dem EuGH betraf noch die vor der DSGVO geltende DSRL. Dies allein bedeutet jedoch nicht, dass die jüngsten Ausführungen des EuGH jeglicher Übertragbarkeit auf die aktuellen Regelungen entbehren. Vielmehr besteht in Art. 85 DSGVO eine dem Art. 9 DSRL verwandte Regelung. Nach dem Regelungsgehalt DSGVO-Öffnungsklausel sollen die Mitgliedstaaten das Datenschutzrecht u.a. mit den Belangen der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken in Einklang bringen. Es ist mithin davon auszugehen, dass die vom EuGH getroffenen Auslegungshinweise durchaus auch im Rahmen der DSGVO Beachtung finden müssen. Dem wird die Rechtslage in Deutschland aktuell nicht gerecht. Denn hier ist das Medienprivileg häufig an eine redaktionelle Tätigkeit geknüpft, die Hobby- oder Gelegenheitsjournalisten nur selten erfüllen werden.

Fazit

Der EuGH bestätigt erneut, dass eine journalistische Tätigkeit grundsätzlich von jedermann begangen werden kann und eine ausnahmsweise erlaubte Verarbeitung auch für bspw. Blogger oder Influencer nicht zwingend ausgeschlossen ist. Als entscheidend erweist sich dabei die Abgrenzung, ob die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des Videos ausschließlich zum Ziel haben, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Diese Maßgaben beanspruchen nicht nur für Altfälle, sondern auch im Rahmen der DSGVO Geltung. Die zugehörige Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO hat der deutsche Gesetzgeber dabei (noch) nicht entsprechend ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund ist zu hinterfragen, ob nicht mit Blick auf die Auslegungshinweise des EuGH eine Ausweitung bzw. Neuausrichtung des Medienprivilegs angebracht ist.

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