"Unsere Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschaftsstandort steht auf dem Spiel, wenn wir es nicht schaffen, die berufliche Bildung wieder gesellschaftlich aufzuwerten", sagt Gottfried Steger, stellvertretender Vorstandsvorsitzende von Bayerns größtem privaten Aus- und Weiterbildungsunternehmen, den Eckert Schulen in Regenstauf (Landkreis Regensburg). Die Zahlen sind dramatisch: Bis zum Jahr 2030 fehlen in Bayern nach aktuellen Prognosen des IHK-Fachkräftemonitors sechzehn Mal mehr beruflich Qualifizierte als Akademiker. Während der Engpass bei Studienabsolventen bei nur rund 25.000 liegt, steuert Bayerns Wirtschaft bei Staatlich geprüften Technikern, Meistern und Facharbeitern auf eine Lücke von über 400.000 Fachkräften zu.
Bayerns Bildungsstaatssekretär Bernd Sibler sagte bei einem Besuch auf dem Eckert-Campus, der bayerischen Politik sei diese Herausforderung bekannt. Er warb für eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bildungsinstitutionen, Unternehmen, Wirtschaftskammern und Politik, um das Image der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu stärken. Die bayerische Staatsregierung habe mit der Gleichstellung der Abschlüsse zum Staatlich geprüften Techniker, Meister oder Bachelor bereits ein wichtiges politisches Signal gesetzt. "Berufliche und akademische Bildung sind gleichwertig", sagt Sibler. Er verweist bei der Diskussion in Regenstauf darauf, dass es gerade in vielen handwerklichen und technischen Berufen heute deutlich bessere Berufs- und Verdienstperspektiven gebe als bei vielen akademischen Karrierewegen.
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Eckert Schulen, nennt es dramatisch für die Gesellschaft, dass bis zu jeder vierte Student sein Studium abbricht und gleichzeitig viele Lehrstellen im Land unbesetzt bleiben. "Die Zahl der Hochschulzugänge hat sich in Bayern in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt - kann es wirklich sein, dass sich die Begabungen unserer jungen Menschen so fundamental gewandelt haben?, fragt Gottfried Steger. "Jeder braucht den richtigen Bildungsverlauf, der zu seinem Lebensweg und zu seinen Begabungen passt", so Steger. Es müsse auch nicht jeder ein Meister oder ein Staatlich geprüfter Techniker werden. "Lebenslanges Lernen kann auch heißen, sich als Facharbeiter ganz gezielt punktuell in einer Software oder in Projekt- und Qualitätsmanagement weiterzubilden."
Die Vertreter der ostbayerischen Wirtschaftskammern sehen in vielen Betrieben inzwischen ein wachsendes Bewusstsein, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren und auch die Gehaltslücke zwischen Akademikern und Meistern oder Staatlich geprüften Technikern zu schließen. "Viele Betriebe erkennen, dass sie für beruflich qualifizierte Fachkräfte attraktiver werden müssen", sagt Hans Schmidt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. Birgit Trummer, die bei der IHK Regensburg das Thema Fachkräftesicherung verantwortet, bestätigt das. Der Vizepräsident der Ostbayerischen Technischen Hochschule, Professor Dr. Wolfgang Bock, sieht insbesondere in der Durchlässigkeit der Bildungswege einen großen Gewinn. Gerade das sei die ermutigende Botschaft für die jungen Menschen - gleich, für welchen Weg sie sich entscheiden.